Malerisches Multitalent mit Managerqualitäten
Für seine Zeit war Lukas Cranach ein moderner Künstler – und durch seinen geschäftstüchtigen Imagewandel könnte er auch in unsere Tage passen. Vor 450 Jahren starb der bedeutende Maler der deutschen Renaissance, der als kühner Neuerer, aber auch als konventioneller Hofmaler brillierte.
Hieß er nun Müller oder vielleicht doch Sunder, wie ihn die Quellen unterschiedlich nennen? Wir werden es wohl nie erfahren, denn darüber haben die Jahrhunderte bereits den Mantel des Vergessens gelegt. Aber diese Frage ist ja eigentlich eher nebensächlich, denn er nannte sich selbst nach dem Namen seiner oberfränkischen Geburtsstadt Kronach – und wurde unter diesem weltberühmt: Lukas Cranach d.Ä., gestorben vor 450 Jahren.
Das Jahr seiner Geburt scheint zumindest gesichert: 1472. Damit ist es aber mit den verlässlich überlieferten Fakten schon wieder für einige Zeit vorbei, denn aus der Jugendzeit Cranachs ist so gut wie nichts bekannt. Seine Lehrjahre hat er wohl bei seinem Vater – einem unbekannten Maler – verbracht und ist anschließend auf Wanderschaft gegangen.
Kühner Stil. Sein Aufenthalt in Wien um die Jahrhundertwende ist durch erste überlieferte Werke belegt. In erster Linie sind dies Heiligenbilder, die sowohl durch ihre Ausdruckskraft als auch durch ihre Stilsicherheit und ihren Einfallsreichtum bestechen, so dass die Frage nach dem Davor schnell in den Hintergrund tritt. Besonders die Kreuzigung von 1503 (heute in der Alten Pinakothek in München) sei hier als früher Höhepunkt eines außergewöhnlichen Künstlerlebens zu nennen. In kühner Verkürzung wird hier eine ungewöhnliche Asymmetrie aufgebaut und als neue malerische Errungenschaft der Renaissancekunst die Landschaft sehr stark ins Bildgeschehen mit einbezogen.
Aus unbekannten Gründen verlässt Cranach Wien und geht nach Wittenberg, wo er 1505 zum Hofmaler des sächsischen Kurfürsten Friedrich III. ernannt wird. Hier erfährt sein kühner und unkonventioneller Frühstil ein jähes Ende. Er verliert gewissermaßen seine künstlerische Unschuld, da er hier am Hofe nun auch für die Gestaltung der Festgelage und den Raumschmuck zuständig ist. Doch er profitiert auch von der neuen Stellung: Wittenberg ist zwar klein, aber ein lebendiges Zentrum der Renaissancekultur.
Glanz des Hoflebens. Kaum drei Jahre nach Antritt dieser Stelle wird Cranach der Adelstitel verliehen. Sein vielseitiges Schaffen und seine Vorliebe für modischen Glanz lassen ihn zu großer Berühmtheit gelangen, von vielen wird er auf eine Stufe mit Dürer gestellt. Er spiegelt in seinen Gemälden das prunkvolle Hofleben wieder, malt eine große Anzahl von Porträts, aber auch Allegorien, Jagdszenen oder Heiligenlegenden. Eines seiner bekanntesten Bildnisse ist das des Reformators Martin Luther, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verband – erstaunlich, denn Cranachs Interessen waren eher weltlicher Natur, wiewohl er ein Anhänger der Reformation war. Das hinderte ihn aber nicht daran, auch viele Aufträge von entschiedenen Reformationsgegnern anzunehmen. Die Bilder aus dieser Zeit der Religionskonflikte sind aber auch irgendwie blutleer und fantasieloser als die Frühwerke.
Das mag vielleicht daran liegen, dass Cranach inzwischen von den erwiesenen weltlichen Ehren satt geworden ist und vor lauter offiziellen Aufgaben gar nicht mehr zum Malen kommt– die meisten Bilder mit der Signatur “Cranach“ stammen ab diesem Zeitpunkt aus seiner großen Werkstatt, die von seinen beiden Söhnen geleitet wird. Mit deren Hilfe und dem Einsatz einer geschickten Stilkonvention kann die Fülle der Aufträge bewältigt werden, was heute die exakte Zuschreibung natürlich absolut erschwert. So entstehen auch Dutzende von Repliken eines Originalbildes, so etwa des Luther-Porträts.
Erfolgreicher Geschäftsmann. Cranach besaß offensichtlich die seltene Doppelbegabung des begnadeten und zugleich äußerst geschäftstüchtigen Künstlers. Bereits 1513 betreibt er einen Weinausschank in seinem Haus, er besitzt zudem eine Druckerei mit Buchhandel und ab 1520 eine Apotheke. Zu all dem kommen noch seine politischen Aktivitäten - von 1537 bis 1544 ist er gar Bürgermeister von Wittenberg.
Er bleibt allerdings bis zu seinem Tode auch den sächsischen Kurfürsten ein treuer Untertan und Hofmaler. Seinem letzten Herrn, Johann Friedrich dem Großmütigen. folgt er sogar in die Gefangenschaft nach Augsburg und Innsbruck, nachdem dieser im Zuge der Reformationskriege gegen die katholischen Truppen Karls des V. unterlegen ist. Nach beider Freilassung lebt Cranach noch ein Jahr bis zu seinem Tod am 16. Oktober 1553 in Weimar.
Fülle des Schaffens. Cranach erreichte nie die klare geistige Strenge seines Zeitgenossen Dürer, aber er beeindruckt uns noch heute mit der Fülle seines Schaffens, das sich oft auf dem Grat zwischen Weltoffenheit und Verschlossenheit, zwischen Konvention, Modeerscheinung und Originärem bewegt. Gerade seine Venusdarstellungen – er war der erste Maler des ersten Frauenaktes nördlich der Alpen - mit kleinen geneigten Köpfen, typischer Körperhaltung und Manieriertheit gehören heute zu seinen bekanntesten Werken. Das Ringen so vieler Renaissancekünstler (speziell der Italiener oder auch Dürers) um das ideale Menschenbild mit perfektem Ebenmaß blieb ihm merkwürdigerweise ein Leben lang fremd.