Mit dem Schiff zu den Kranken
Seit einem Jahr ist das Krankenhausschiff unterwegs auf den Flüssen des Amazonasgebietes und ist für viele Menschen zum Segen geworden, da sie endlich einen besseren Zugang zum Gesundheitssystem erhalten haben. Tausende von Patienten haben das Schiff aufgesucht, in den entlegensten Gebieten. Mit freundlicher Genehmigung der Zeitschrift „Franziskaner Mission“ (Ausgabe 4/2020) drucken wir hier den Beitrag aus der Feder des aus Deutschland stammenden Bischofs der brasilianischen Diözese Óbidos am Amazonas ab.
Die richtigen Leute zur richtigen Zeit: Sie haben sich an der richtigen Stelle getroffen und dann sind die Dinge eigentlich sehr einfach entstanden. Als Papst Franziskus während des Weltjugendtages 2013 in Rio de Janeiro das Krankenhaus „São Francisco“ im Stadtteil Tijuca besuchte, weihte er dort ein Therapiezentrum für Drogensüchtige ein und traf dabei die „Franziskaner von der Vorsehung Gottes“, in deren Trägerschaft sich das Hospital befindet. In der Krankenhauskapelle fand dann eine sehr intensive Begegnung des Papstes mit den Franziskanern statt. Papst Franziskus fragte im Gespräch den Ordensgründer und derzeitigen Generaloberen Frei Francisco Belotti FnPD: „Seid ihr schon in Amazonien?“ Dieser antwortete mit einem „Nein“. Darauf kam spontan die Aufforderung von Papst Franziskus: „Dann müsst ihr dorthin noch gehen.“ Diese Begegnung wurde zu einem prophetischen Signal für die Franziskaner, und kurze Zeit danach bekamen sie die Einladung, nach Óbidos an den Amazonas zu kommen, um ein Hospital zu übernehmen, das bis dahin nicht in kirchlicher Trägerschaft war. Auf diese Weise kam dann eins zum anderen und es begann eine Zeit des Aufbruchs, um neue Wege zu finden und auch zu begehen.
Abgehängt im Hinterland
Schon in weniger als einem Jahr, im Juni 2014, kamen die Franziskaner an den Amazonas und wirken seitdem sehr segensreich in der Region. Später übernahmen sie noch ein weiteres Hospital im Ort Juruti. Beide Hospitäler werden langsam zu Regionalkrankenhäusern umgebaut. Trotz all dieser Anstrengungen in der medizinischen Versorgung mussten wir feststellen, dass viele Menschen im Hinterland keinen direkten Zugang zum Gesundheitssystem haben und oftmals die Hoffnung verloren hatten, ihre Krankheiten behandeln und heilen zu lassen. Immer wieder hörten wir von Menschen am Amazonasfluss, die in ihren Häusern und Hütten mit zum Teil lebensgefährdenden Krankheiten lebten und nicht in die weit entfernten Städte und Gesundheitszentren kommen konnten, um sich behandeln zu lassen. Es waren gerade ältere Menschen, die nicht mehr den Mut und die Kraft hatten, sich auf den beschwerlichen Weg zu machen.
Bei einem der Besuche von Frei Francisco Belotti in Óbidos saßen wir eines Tages gemeinsam auf der Terrasse des Hauses der Mitbrüder und sprachen über die verschiedenen Situationen unserer Region, sowie über die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung. Es war schon gegen Abend, die Sonne ging traumhaft schön über dem Amazonasfluss unter, und wir schauten auf den Fluss, der friedlich und harmonisch an uns vorbeifloss. Der Eindruck, der entstand, war, dass die Sonne in den Fluss eintaucht. Dieser Moment hatte eine ganz besondere Atmosphäre für sich. Und auf einmal entstand die Idee des Krankenhausschiffes, denn wenn die Patienten nicht zum Krankenhaus kommen können, könnte es doch umgekehrt möglich sein: Das Krankenhaus kommt zu den Patienten.
Bischof Dom Hélder Câmara sagte einmal: „Wenn jemand einen Traum alleine träumt, ist es nur ein Traum. Aber wenn er von Vielen geträumt wird, dann ist es schon eine Wirklichkeit.“ Und so war es dann auch, da sich immer mehr Menschen an diesem Traum beteiligten und Menschen guten Willens bereit waren zu helfen.
Ein Traum wird Wirklichkeit
Ein Staatsanwalt aus der Stadt Campinas erfuhr durch ein Fernsehinterview mit Frei Francisco von dieser Idee und lud ihn daraufhin zu einem Gespräch ein. Das Ergebnis dieses Kontaktes: Bußgelder von zwei Firmen, die ein ökologisches Desaster im Bundesstaat São Paulo verursacht hatten, wurden zur Finanzierung unseres Krankenhausschiffes freigegeben. Denn es ging dem Staatsanwalt darum, mit diesem Geld Menschenleben zu retten, weil besagtes Unglück damals zahlreiche Todesopfer gefordert hatte. Der Namensgeber des Schiffes wurde Papst Franziskus, da er durch eine kleine und fast unscheinbare Frage etwas ins Rollen gebracht hatte, worauf wir von alleine niemals gekommen wären. Wir merken selber, wie die Gnade Gottes auf all diesem Tun liegt, trotz vieler Schwierigkeiten und Hindernisse.
Im Juli 2019 konnte das Krankenhausschiff „Papa Francisco“ in Betrieb genommen werden. Im Schnitt werden pro Monat zwei Expeditionen mit einem Team von Ärzten und Ärztinnen, Pflegekräften, Ordensleuten und der Schiffscrew durchgeführt. Sie besuchen die Städte und kleinen Dörfer längs des Amazonas und der angrenzenden Flüsse, auf einer Strecke von etwa 1.000 km. Über 64.000 Kranke konnten inzwischen behandelt werden. Gerade wenn die Gesundheitsversorgung nicht gewährleistet und selbstverständlich ist, wird die Gesundheit zu einem hohen Gut, das geschützt werden sollte.
Das Projekt des „Papa Francisco“ ist einzigartig in unserer Amazonasregion und zeigt auch jedes Mal das prophetische Handeln in einer Situation, in der vieles von dem, was grundlegende Menschenrechte sind, nicht vorhanden ist. Es wird deutlich, wie durch konkretes und solidarisches Handeln an den Menschen neues Bewusstsein und Verhalten wachsen, die zu einem Hoffnungszeichen auf eine menschlichere Zukunft werden. Eines ist bei all dem wichtig: Die Menschen fühlen sich wahrgenommen und spüren, dass sie an der Gnade des Herrn teilhaben.
Das Krankenhausschiff motiviert zu neuen Aktionen der Solidarität, um den Menschen vor Ort zu helfen. Gerade auch in Zeiten der Pandemie wurde das Schiff gleichzeitig zu einem Verteiler von Lebensmitteln und Hygienematerial, um die Grundversorgung der Bevölkerung zu garantieren. In diesen schwierigen Zeiten wurde nun ein zweites Krankenhausschiff „Papa João Paulo II“ in Auftrag gegeben, um noch effizientere Arbeit zu ermöglichen und noch mehr Menschen helfen zu können.