„Papst kann jeder werden“
Als der gute Papst und als Papst des Konzils ging der selige Johannes XXIII. in die Geschichte ein. Vor 125 Jahren wurde er in Armut geboren. Zeitlebens behielt er die Nähe zum einfachen Volk und eroberte mit Charme und Humor die Herzen der Gläubigen in der ganzen Welt.
„Papst kann jeder werden. Der beste Beweis bin ich.“ Dieser Ausspruch von Johannes XXIII. klingt humorvoll und ist doch voller Hintersinn. Denn im Unterschied zu seinem Vorgänger, Pius XII., der aus einer römischen Adelsfamilie stammte, kommt Angelo Roncalli vom Land und aus sehr bescheidenen Verhältnissen.
In dem kleinen Dorf Sotto il Monte, in der norditalienischen Provinz Bergamo gelegen, wird er am 25. November 1881 geboren. Seine Eltern sind Giovanni Battista Roncalli und Marianna Mazzola. Mit Verwandten teilen sie sich ein großes Bauernhaus. Sie haben ein paar Hektar Land gepachtet, das sie bewirtschaften. Angelo ist – nach drei Töchtern – der erste Junge in der Geschwisterreihe. Maria Caterina, Teresa, Ancilla sind älter als er; ihm folgen weitere neun Geschwister: Zaverio, Maria Elisa, Assunta, Domenico, der bereits nach drei Wochen verstarb, Alfredo, Giovanni, Enrica, Giuseppe und Luigi.
Polenta mit Bohnen. Sein Bruder Zaverio schilderte einmal die Armut im Hause Roncalli: „Wir waren sehr arm. Es gab Polenta (das typische norditalienische Maisgericht) und Bohnen. Kein Brot; Fleisch zwei-, dreimal im Jahr: an Ostern, an Weihnachten und vielleicht am Kirchweihfest. … Mal haben wir Polenta mit Bohnen gegessen, mal Polenta mit Kohl, mal Polenta mit Schmortopf. An Polenta hat es uns, Gott sei Dank, nie gefehlt“ (Allegri, Johannes XXIII. 12f).
Im Hause der Roncallis lebte der Großonkel Zaverio, der die Kindheit des späteren Papstes entscheidend mitprägte. Dieser Großonkel war nicht verheiratet und für die ländliche Gegend ein gebildeter Mann. Er war Gutsverwalter des Grafen Morlani, und mit dem Pfarrer des Dorfes eng befreundet. Mit der Geburt des ersten Sohnes in der Familie seines Neffen erwachte in ihm die Hoffnung, dass der Familie eine Berufung zum Priestertum geschenkt würde. Gleich am Tag der Geburt trug er den neugeborenen Angelo in die Pfarrkirche zur Taufe. Als Angelo wegen der bevorstehenden nächsten Geburt das elterliche Schlafzimmer verlassen musste, nahm ihn der alte Großonkel zu sich aufs Zimmer. Er betete mit ihm, erzählte ihm Geschichten der Bibel und der Heiligen. Bald nahm er den kleinen Angelo täglich mit zur heiligen Messe. Als Angelo eingeschult wurde, unterstützte ihn sein Großonkel beim Lernen, gab ihm Bücher zu lesen und setzte sich bei seinem Vater dafür ein, dass der Junge nicht zu viel bei der Feldarbeit mithelfen musste.
Offen für Ökumene. 1892 verließ Angelo seinen Heimatort, um in das Knabenseminar von Bergamo einzutreten. Nach dem Abitur wechselte er in das Priesterseminar von Bergamo. Die Stadt war damals ein Zentrum für katholische Neuaufbrüche. Viele Priester und Laien setzten sich nachdrücklich für mehr soziale Gerechtigkeit und Freiheit ein. Der Genossenschaftsgedanke war einer ihrer Leitideen. Da einige seiner Lehrer diesen Kampf für soziale Gerechtigkeit unterstützten, kam der Theologiestudent Angelo Roncalli schon in jungen Jahren mit diesen Ideen in Kontakt.
Angelo war ein fleißiger Schüler und Student und hatte mit knapp 20 Jahren das Theologiestudium schon fast abgeschlossen. Da er auf die Priesterweihe (Mindestalter 24 Jahre) warten musste, sandte ihn sein Bischof zum weiteren Studium nach Rom. Hier erwarb er am 13. Juli 1904 den Doktorgrad in Theologie und wurde am 10. August des gleichen Jahres zum Priester geweiht. In seinem geistlichen Tagebuch notierte er: „Einzig deshalb werde ich Priester, damit ich auf irgendeine Weise den armen Leuten Gutes tun kann“ (Allegri 41).
Von Rom führte ihn sein Lebensweg noch einmal in seine Heimat zurück. Als 1905 Giacomo Radini Tedeschi zum Bischof von Bergamo geweiht wird, machte er den jungen Angelo Roncalli zu seinem Sekretär. 15 Jahre wird der spätere Papst an der Seite seines Diözesanbischofs wirken. Er lernt von seinem Bischof pastorale Sensibilität und Offenheit für die liturgische, ökumenische und soziale Bewegung. Sein Bischof setzt ihn zudem als Professor für Kirchengeschichte im Priesterseminar ein. Im Mai 1915 muss Angelo Roncalli den Militärdienst antreten. Er arbeitet als Sanitäter im Hospital von Bergamo. Tagtäglich ist er mit unzähligem Leid konfrontiert. Als Militärkaplan muss er bis zum Kriegsende 1918 vielen jungen Verwundeten beim Sterben beistehen.
Von Bulgarien zum Vatikan. Anfang 1921 wird Angelo Roncalli, inzwischen 40 Jahre alt, wieder nach Rom berufen, um das päpstliche Werk für Glaubensverbreitung in Italien zu leiten. Im März 1925 wird er zum Bischof geweiht und von Papst Pius XI. als Apostolischer Visitator, später dann als Apostolischer Delegat nach Bulgarien gesandt, wo 85 Prozent der Bevölkerung orthodoxe Christen waren. Das Zusammenleben der verschiedenen Konfessionen gestaltete sich schwierig. Als Angelo Roncalli 1928 nach einem Erdbeben unterschiedslos allen half und auch Orthodoxe mit Großherzigkeit unterstützte, konnte er das „Eis“ der konfessionellen Grenzen brechen. Der Geist ökumenischer Offenheit, der das Zweite Vatikanische Konzil prägen wird, wuchs in Johannes XXIII. in jenen Jahren, in denen er in aller Stille und mit großen Einfühlvermögen seinen diplomatischen Dienst in Bulgarien versah. Als er 1935 als Apostolischer Delegat für Griechenland und die Türkei nach Istanbul entsandt wurde, fiel ihm der Abschied aus Bulgarien und von seinen Bürgern sehr schwer. Fast 10 Jahre wird er in diesen beiden Ländern leben. Vor allem in der Zeit der deutschen Besatzung konnte er der griechischen Bevölkerung helfen und Deportationen griechischer Juden verhindern.
Im Januar 1945 betritt Angelo Roncalli dann die „große Bühne“ als Nuntius in Paris, 1953 als Patriarch von Venedig. Im Oktober 1958 wird er zum Papst gewählt und nimmt den Namen Johannes XXIII. an. Durch die Einberufung des Zweiten Vatikanischen Konzils öffnet er die Katholische Kirche für die Herausforderungen der Moderne. Wegen seines Dienstes an der Kirche darf er seit September 2000 als Seliger verehrt werden.