17. Juni 2015

Platzverweis für Fußballfrauen

Die Schweizer Frauenfußballnationalmannschaft hat sich erstmals für die derzeit in Kanada stattfindende Fußballweltmeisterschaft qualifiziert. Die deutschen Damen spielen schon länger auf internationalem Rasen. Dabei wurde lange darüber gestritten, ob Frauen überhaupt Fußball spielen dürfen.




Dass Frauen Fußball spielen, ist zwar nicht jedermanns Sache, aber doch mittlerweile mehr oder weniger selbstverständlich. Ende Mai feierten, bejubelt von zigtausenden Fans, auf dem Balkon des Münchner Rathauses sowohl die Frauen- als auch die Männermannschaft des bayerischen Hauptstadtclubs FC Bayern München ihre erkämpfte Meisterschaft der Saison 2014/2015. Die Nationalmannschaften aus Deutschland und der Schweiz sind qualifiziert für die Austragung der 7. Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen, die vom 6. Juni bis zum 5. Juli 2015 in Kanada stattfindet. 







Alte Herren verbieten Frauenfußball



Am 30. Juli 1955 allerdings beschloss der DFB (Deutscher Fußballbund), seinen Mitgliedsvereinen „aus ästhetischen Gründen und grundsätzlichen Erwägungen“ und unter Androhung einer Strafe bei Missachtung dieses Beschlusses zu verbieten, Damenfußball-Abteilungen zu gründen. Außerdem durften die Vereine keine Fußballplätze für Frauenfußball zur Verfügung zu stellen, und Schiedsrichtern wurde es untersagt, Damenfußballspiele zu leiten. Man argumentierte unter anderem: „Im Kampf um den Ball verschwindet die weibliche Anmut, Körper und Seele erleiden unweigerlich Schaden, und das Zurschaustellen des Körpers verletzt Schicklichkeit und Anstand.“



In einem Interview aus dem Jahr 1999 blickte Dr. Hubert Claessen, langjähriges Vorstandsmitglied des DFB und einer der Väter der Bundesliga, auf den damaligen Beschluss zurück, bei dem er als Delegierter zugegen war: „Das war schon eine schwere Sünde, dass die Mädchen da mit einem wackeligen Busen übers Feld liefen und dann auch noch gegen den Ball traten oder sich gegenseitig foulten. Nach den Vorstellungen der alten Herren war das unmöglich.“ Und die „alten Herren“ bekamen von einigen Psychologen und Medizinern reichlich Argumentationshilfen vorgelegt. Der niederländische Psychologe Fred J. J. Buytendijk beispielsweise ließ in einer Studie 1953 verlautbaren: „Der Fuß bedeutet Treten. (...) Das Fußballspiel als Spielform ist wesentlich eine Demonstration der Männlichkeit. Es ist noch nie gelungen, Frauen Fußball spielen zu lassen.“ Und Buytendijk spekuliert noch weiter, wobei man heute wohl nur den Kopf über seine Schlussfolgerungen schütteln kann: „Das Treten ist wohl spezifisch männlich, ob darum Getretenwerden weiblich ist, lasse ich dahingestellt. Jedenfalls ist das Nicht-Treten weiblich.“







Die Damenwelt bleibt hartnäckig



Bis zum Verbot des Frauenfußballs 1955 in Deutschland – Österreich folgte 1957 – hatte die Sportart allerdings schon eine so lange Geschichte, dass auch dieser Rückschlag sie nicht völlig verbannen konnte. Mit der internationalen Vereinheitlichung der Fußballregeln im Jahr 1863 wurde Fußball als Sportart an englischen Schulen auch für Mädchen angeboten, und gut 30 Jahre später wurde das erste britische Damenauswahlteam gebildet. Gespielt wurde mit kleinen Hütchen auf dem Kopf, „um den Anstand zu wahren“. Aufgrund der sich im Kriegseinsatz befindlichen Männer erlebte der Frauenfußball während des 



1. Weltkriegs eine erste Hochphase, und in den 20er Jahren hatte jeder größere Ort in England seine eigene Mannschaft. 



In Deutschland hingegen war Frauenfußball damals eher eine Randerscheinung. Das erste dokumentierte Ergebnis stammt aus dem Jahr 1927 und war ein 2:1-Sieg der Münchner Mannschaft über Berlin. Immer mehr jedoch etabliert sich das Fußballspielen auch in der Damenwelt. Eine erste Meisterschaft für Frauen wird 1936 beispielsweise in Österreich ausgetragen. 







Lasst uns spielen!



Trotz des Verbots vor 60 Jahren findet am 23.09.1956 das erste Länderspiel der deutschen Damenfußballmannschaft statt: Deutschland gegen die Niederlande, 18.000 Zuschauer im Essener Mathias-Stinnes-Stadion. Die deutschen Frauen gewinnen 2:1. Von einem weiteren Länderspiel berichtet der Münchner Merkur: „Es war ein Spiel mit Eifer, ohne ästhetische Gewaltsamkeiten, ohne Rohheiten, ohne unfaire Kniffe und Püffe. Eigentlich war‘s also das, was man früher einmal ‚Sport‘ nannte. Dabei war andauernd etwas los. Es knallten haushohe Kopfbälle von Dauerwelle zu Dauerwelle, es wurde gestoppt und gedribbelt, zugespielt und kombiniert. (...) Das Spiel wurde ein voller Erfolg.“ Und die Münchner Abendzeitung wendet sich medial an die DFB-Herren: „Lasst sie doch Fußball spielen!“ 







Der Ball rollt weiter



Die Frauen haben sich den Sport nicht verbieten lassen. Das offizielle Verbot wurde 1970 in Deutschland zurückgenommen. Nach und nach wurden offizielle Landesligen eingeführt und auch von den Fußballbünden offiziell anerkannt. 1989 schaffte die deutsche Nationalmannschaft die Qualifikation für die Europameisterschaft. Jede Spielerin erhielt für den anschließenden Turniersieg ein Kaffeeservice mit roten und blauen Blümchen. Als die DFB-Frauen 2007 den WM-Titel holten, gab es als Siegprämie immerhin je € 50.000. Dass die Männer für einen vergleichbaren Sieg das Fünffache kassieren, sei nur am Rande erwähnt. Viel wesentlicher erscheint, dass sich eine Sportart nicht per Dekret verbieten ließ und mittlerweile (fast) wie selbstverständlich dazu gehört.


Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016