Propaganda statt Pressefreiheit

23. März 2010 | von

Schon im Zuge ihrer Machtergreifung begannen die Nationalsozialisten, die deutsche Presse inhaltlich gleichzuschalten und missliebige Journalisten auszuschalten. Am 24. April 1935 dann ein weiterer einschneidender Schritt gegen die Pressefreiheit: Der Präsident der Reichspressekammer Max Amann erließ verschiedene Anordnungen, die es den braunen Machthabern erlaubten, nach und nach die bürgerlichen Zeitungsverlage zu übernehmen oder ökonomisch auszubluten.





 Die Kontrolle und Beherrschung der Medien gehörte zu den grundlegenden Zielen der nationalsozialistischen Machtergreifung. In einem Aufsatz hatte der „Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda" Joseph Goebbels geschrieben: „Für uns ist Presse Propaganda mit den Mitteln der Publizistik. Für uns hat die Presse die Aufgabe, die breiten Volksmassen für den Nationalsozialismus zu gewinnen."



Kontrolle der Medien



Schon wenige Tage nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler erließ Reichspräsident Hindenburg am 4. Februar 1933 die „Verordnung zum Schutz von Volk und Staat". Deren Paragraph 1 bestimmte: „Es sind daher Beschränkungen der persönlichen Freiheit, des Rechts der freien Meinungsäußerung, einschließlich der Pressefreiheit, des Vereins- und Versammlungsrechts … zulässig." Anstatt Hitler zu „zügeln", hatten die bürgerlichen Koalitionsparteien und der Reichspräsident die Verfassung außer Kraft gesetzt und der Diktatur Hitlers und der NSDAP die Tür geöffnet.



Der Reichstagsbrand vom 27. Februar 1933 lieferte Hitler den Vorwand, um gegen die linken Parteien KPD und SPD vorzugehen. Die KPD und SPD nahestehenden Zeitungen wurden in den folgenden Wochen verboten und ihre Druckereien beschlagnahmt. Um die liberalen, bürgerlichen und kirchlichen Zeitungen gleichzuschalten, wählte man seit dem Sommer 1933 verschiedene Wege.



Zunächst wurde die Reichspressekammer eingerichtet, der alle Verlage angehören mussten. Präsident der Reichspressekammer wurde Max Amann, einer der frühesten Gefolgsleute von Adolf Hitler. Amann, 1891 in München geboren und 1957 ebenda verstorben, war schon am 1. Oktober 1921 der NSDAP beigetreten. 1922 wurde Amann Direktor des Franz-Eher-Verlags, in dem er Hitlers Schrift „Mein Kampf" millionenfach verlegen sollte. Nach dem fehlgeschlagenen Hitler-Putsch war er 1923 einige Monate in Festungshaft in Landsberg inhaftiert. Für die NSDAP saß er seit 1925 acht Jahre im Stadtrat von München, 1933 errang er einen Sitz im Reichstag. Im Juni 1933 übernahm er den Verbandsvorsitz des „Vereins Deutscher Zeitungsverleger" und sicherte sich damit die Kontrolle über alle deutschen Verlage.



Ein einschneidender Schritt gegen die Pressefreiheit war das „Reichsschriftleitergesetz" vom 4. Oktober 1933. Alle Journalisten mussten sich in dieser Berufsliste registrieren lassen. Nichtarische Abstammung und auch die Ehe mit einer nichtarischen Person waren Gründe für den Ausschluss. Mehr als 1300 Journalisten verloren durch dieses Gesetz ihren Job. Da bei Kritik an der NS-Regierung alle Journalisten jederzeit ihre Registrierung verlieren konnten, sorgte dieses drohende Berufsverbot für eine „vorauseilende" Zensur in den Köpfen.



Enteignung und Ausschaltung



Durch die Reichspressekammer, das heißt durch ihren Leiter Max Amann, wurden die Verlage unter Druck gesetzt. Seit Dezember 1933 waren Neugründungen von Zeitungen verboten. Am 24. April 1935 folgten weitere Anordnungen: „Anordnung zur Wahrung der Unabhängigkeit des Zeitungsverlagswesens", „Anordnung zur Beseitigung der Skandalpresse", „Anordnung über Schließung von Zeitungsverlagen zwecks Beseitigung ungesunder Wettbewerbsverhältnisse". Die Erlasse waren von Max Amann so formuliert worden, dass er jederzeit ihm unliebsame Zeitungen verbieten beziehungsweise unter Druck setzen konnte. Dazu gehörten zum einen die konfessionellen Zeitungen, zum anderen die noch verbliebenen politisch orientierten Blätter in der Provinz sowie die Generalanzeiger-Presse. Auch die Zeitschrift der Minoriten, die „Franziskusglocken", geriet unter finanziellen Druck und musste zum 1. September 1939 eingestellt werden. Teilweise wurden die Verleger entschädigungslos enteignet oder auch zum Verkauf genötigt. Der NSDAP-eigene Eher-Verlag trat selbst oder über scheinbar neutrale Holding- und Finanzierungsgesellschaften als einziger Kaufinteressent an. So kontrollierte Max Amann bis 1939 über verschiedene Holdings, die von seinen Stabsleitern R. Rienhardt und M. Winkler gelenkt wurden, 150 Verlage. Am Ende der NS-Diktatur im Jahr 1945 gehörten der NSDAP 350 Zeitungen, was einen Anteil von 80 Prozent an der Gesamtauflage der deutschen Presse bedeutete.



Diktierte Informationen



Neben der berufsständischen Kontrolle der Journalisten und der ökonomischen Kontrolle über die Verlage entwickelten die Nationalsozialisten noch ein drittes Mittel, um die Presse in ihrem Sinne zu steuern: die täglichen „Pressekonferenzen" der Reichsregierung. Doch im Unterschied zu heute beantworteten die Politiker nicht Fragen der Journalisten, sondern sie diktierten den Journalisten, was diese als wichtige politische Ereignisse und Nachrichten zu veröffentlichen hatten. Die Pressefreiheit war damit völlig am Ende, die Presse zum reinen Propagandainstrument der Nationalsozialisten geworden.

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016