Quacksalber oder Wunderheiler?
Spott und Ruhm begründen bis heute gleichermaßen die Erinnerung an Johannes Andreas Eisenbarth. Die Verleumdungen scheinen das Produkt missgünstiger Kontrahenten zu sein, die dem genialen Wundarzt, der vor 350 Jahren geboren wurde, maßgeblich sein handwerkliches Geschick und die innovativen Erfindungen im medizinischen Fachgebiet neideten.
„Ich bin der Doctor Eisenbart, / widewidewitt, bum bum / Kurier’ die Leut’ auf meine Art“, so beginnt das berühmte Spottlied auf den Wundarzt Johannes Andreas Eisenbarth, das nach seinem Tod wohl aus Göttinger Studentenfeder entstand und diesen Namen so über die Jahrhunderte tradiert hat. In den folgenden Strophen wird er als Kurpfuscher verunglimpft. Die Forschung zeichnet dagegen das Bild eines Wanderheilkundlers, der vor 350 Jahren am 27. März 1663 in Oberviechtach zur Welt kommt und mit seinen fortschrittlichen Methoden die moderne Medizin beeinflusst.
CHIRURGIE ALS HANDWERKSBERUF
Johannes Andreas Eisenbarth scheint sich seinen Vater Mathias Eisenbarth zum Vorbild genommen zu haben, der als Bruch- und Steinschneider, das heißt als Wundarzt für Leistenbrüche und Blasensteine, und als Okulist (Augenheiler) tätig war. So geht der Junge als Geselle beim Schwager, dem privilegierten Stein- und Bruchschneider Alexander Biller in Bamberg, in die Lehre. Da bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts das Handwerk der Chirurgie strikt von der akademischen Medizin unterschieden wurde, galt das Universitätsstudium ausschließlich der Inneren Medizin, die kein direktes Eingreifen am Patienten erforderte. Diese Aufgabenteilung geht auf mittelalterliche Beschlüsse zurück. Allzu häufig kam es bei chirurgischen Behandlungen zu Todesfällen, was moralisch nicht zu vereinbaren war mit den zumeist klerikalen Ärzten des 12. Jahrhunderts. Den hohen Gelehrten wurde daher das chirurgische Handwerk streng untersagt, das den Wundärzten oblag; die hingegen „pfuschten“ gelegentlich in andere Fachbereiche hinein, was regelmäßig zu standespolitischen Streitigkeiten führte.
GAUKLER IM GEFOLGE
1686 kehrt Eisenbarth seiner bayrischen Heimat den Rücken und zieht gen Norden, wo er ab 1689 im Bürgeramt Erfurt verzeichnet ist. Um nach abgeschlossener Gesellenprüfung überhaupt tätig werden zu dürfen, mussten die Wundärzte ein Privileg beim jeweiligen Landesherren erwerben, das unter der Aufsicht eines Medizinalkollegiums studierter Ärzte stand. In Altenburg erhält Eisenbarth eine erste Heilerlaubnis „als ein Oculist, Stein-, Krebs- und Bruchschneider“. Die Reglementierung auf spezifische Teilbereiche war zur Existenz-
sicherung ansässiger Ärzte notwendig. Viele der Berufsgenossen konnten ihren Unterhalt nur als fahrende Landärzte bestreiten, die sich üblicherweise gekonnter Marktschreier bedienten, um das schmerzleidende Publikum der Jahr- und Wochenmärkte in ihre Zelte zu lotsen. Im scharlachroten Rock mit Überhang, gekrönt von einer aufwendigen Perücke, oder im orientalischen Talar mit Turban, so traten die wandernden Wundheiler vor ihre Patienten.
Eisenbarth demonstriert hierbei sein unübertroffenes Werbetalent. Ein ganzer Zirkus an Feuerspeiern, Musikanten und Artisten reist mit ihm über die Lande, bis 1715 soll seine Gefolgschaft etwa 120 Personen zählen. Schon bevor der bunte Trupp einrollt, künden Flugblätter und Zeitungsanzeigen von seiner Heilkunst. Mit Trommelwirbel und Trompeten werden die Leute vor der Bühne zusammengetrieben, wo ein prunkvoll gekleideter Eisenbarth sich salbungsvoll vorstellt. Lärmen gehörte damals zum Geschäft, nichtsdestoweniger verbargen sich hinter der großen Pose meist ehrbare Chirurgen. So folgen Eisenbarths Prahlereien auf der Bühne die gelobten Heiltaten im Zelt oder Wirtshaus und befeuern seinen Ruhm ebenso wie die Missgunst seiner Neider.
NEUE METHODEN UND MIXTUREN
Den Doktortitel hat Eisenbarth selbst nie erworben, dieser schleicht sich wohl durch seine Tüchtigkeit und den geschickten Umgang mit dem Messer auch in amtliche Dokumente der Zeit ein. Insgesamt wird er sich nachgewiesene elf Privilegien erarbeiten und in über hundert Orten sein Können beweisen: Seine Operationen führt er wenig schmerzhaft und schnell an den damals unbetäubten Patienten aus und kümmert sich um diese, anders als seine Arztkollegen, auch nach getaner Arbeit; arme Leute untersucht er sogar gratis. Als einer der ersten soll er seine Instrumente vor Gebrauch über der Flamme sterilisiert haben. Die Genesungschancen steigert Eisenbarth zusätzlich durch selbstentworfene Gerätschaften, darunter ein Polypenhaken, ebenso finden die bewährten Operationsmethoden bei Hodenbruch, Kropf und Star Eingang in die Schulmedizin. Bis zum König von Preußen dringen die Hymnen auf seine heilsamen Werke, der ihn zur Behandlung des Oberleutnants von Grävenitz nach Stargard in Pommern ruft.
KRÄUTERSALBE UND MAGENBITTER
Eisenbarth bringt es auch zu finanziellem Wohlstand, so dass er schon 1703 für seine „starke Familie“ (mindestens drei Söhne und eine Tochter sind überliefert) das Haus „Zum güldenen Apfel“ in Magdeburg kauft. Hier mischt er nun im großen Stil die genehmigten Tinkturen, „ein Augenwasser, eine Kräutersalbe zur Wundbehandlung und ‚Mitridat‘ als Stärkungsmittel“. Auch deren Produktion wird streng kontrolliert, um den Apothekern ihr pharmazeutisches Gewerbe zu sichern. Seine letzte Reise unternimmt der inzwischen 66-jährige ins Hannoversche Münden, wo er im Gasthaus „Zum Wilden Mann“ am 11. November 1727 an einer Krankheit stirbt. Sein Grabstein wurde 1825 im Kirchhof der dortigen Ägidienkirche wiederentdeckt. Wer einen kleinen Geschmack der Heilkunst versuchen will, dem sei zum Oberviechtacher Magenbitter geraten. Die Eisenbarth Apotheke stellt dieses Elixier noch heute nach alten Rezepten in seinem Gedenken her.