Schon wieder ein Neustart

16. Oktober 2023 | von

Nach dem gescheiterten Missionsversuch in Marokko landet Antonius nun unerwartet in Sizilien. Im neuen Land muss er wieder seinen Platz suchen. Zum Glück nehmen ihn seine franziskanischen Mitbrüder „an die Hand“.

Nein, irgendwann muss es doch einmal gut sein. Da muss man doch seinen Platz im Leben kennen und ihn auch behalten dürfen. Und wo wir als Christen glauben, dass dieser Platz von Gott für uns bestimmt wird: Da muss er uns doch irgendwann auch einmal ankommen lassen – und dann muss es gut sein.

Dass der junge Augustiner-Chorherr Fernando im Kloster seiner Heimatstadt nicht die gewünschte klösterliche Ruhe fand: verständlich, weil ihn ständig Nachbarn und Freunde besuchten. Wenn er von daher um eine Versetzung nach Coimbra ersuchte, ist es noch gut nachvollziehbar. Mit der Wendung, die sein Leben nimmt, als er die Minderbrüder kennenlernt, hat man vermutlich kaum gerechnet. Doch die Sehnsucht nach dem Martyrium ist so stark, dass sie ihn aus der nun vertrauten augustinischen Sicherheit aufbrechen lässt. In Marokko aber die große Enttäuschung: Eine Krankheit zwingt ihn zur Umkehr. Doch die Umkehr nach Hause wird zum Abenteuer: Das Schiff wird abgetrieben und plötzlich findet er sich in Sizilien wieder – in einem fernen, unbekannten Land.

Krank in Süditalien

Die Assidua-Biografie hält sich gar nicht damit auf, zu beschreiben, wie es ihm auf der italienischen Insel erging. Man kann es allenfalls vermuten, wenn man versucht,  sich in seine Lage hineinzuversetzen – die äußere und die innere. Da ist zunächst einmal die offensichtlich starke Erkrankung, die ihn dazu gezwungen hatte, die Mission in Marokko widerwillig abzubrechen. Während der Schiffsreise wird die Genesung kaum vorangeschritten sein. Er ist wohl als kranker Mann in Sizilien angekommen. Zur Krankheit kommt ganz bestimmt die Enttäuschung: Er hatte sich das ganz anders vorgestellt. Er wollte mittlerweile sicher – ganz konkret – seinen Lohn im Himmel genießen, weil er für Jesus das Leben unter den Heiden hergegeben hatte. Doch diese Sehnsucht ging ins Leere.

Statt himmlischer Genüsse nun also Sizilien. Sein „Glück im Unglück“: In Messina haben sich die Minderbrüder bereits niedergelassen. Zwar kennt man dort den gestrandeten Antonius nicht, aber schnell dürfte klar gewesen sein, dass man zur gleichen Gemeinschaft gehört und füreinander einsteht. Und da setzt dann auch die Assidua zur Fortsetzung der Lebensgeschichte des Antonius ein: „Etwa um diese Zeit fand wie beschlossen das Generalkapitel bei Assisi statt. Als Antonius von den Brüdern in Messina davon hörte, zeigte er sich nach außen hin kräftiger, als er es in Wahrheit war und erreichte den Ort des Kapitels so gut er konnte.“

Auf dem Weg nach Assisi

Er zeigte sich nach außen hin kräftiger, als er es in Wahrheit war… eine Feststellung, die ein Innehalten durchaus wert sein dürfte. Da gibt also jemand den „starken Mann“, macht ein wenig „Show“. Keineswegs lebt Antonius so transparent und durchsichtig, wie man das von einem (künftigen) Heiligen erwarten würde: Er gibt vor, gar nicht so sehr krank zu sein, um auf diese Weise mit nach Assisi genommen zu werden. Jährlich zu Pfingsten trifft sich dort die rasant wachsende Gemeinschaft – und es werden gewiss geistvolle, bestärkende Ereignisse gewesen sein, diese Treffen der ersten Jahre.

Die „Dreigefährtenlegende“ berichtet von solch einem Kapitel und nimmt uns gewissermaßen in die besondere Atmosphäre mit hinein, die nun auch Antonius fasziniert: „Zu Pfingsten kamen zum Kapitel alle Brüder bei Santa Maria zusammen; sie erörterten, wie sie die Regel besser beobachten könnten, und bestimmten für die verschiedenen Provinzen Brüder, die dem Volk predigen und den anderen Brüdern in der jeweiligen Provinz einen Ort zuweisen sollten. Der heilige Franziskus jedoch gab Ermahnungen, sprach Tadel aus und erließ Vorschriften, wie es ihm nach Gottes Rat gut schien. Alles, was er ihnen mit Worten sagte, zeigte er ihnen in liebevollem Eifer durch Werke.“ (Nr. 57)

Der berühmte, charismatische Ordensgründer, den Antonius aus dem fernen Portugal bislang nur vom Hörensagen kannte: Ihm wird er nun während des Kapitels vermutlich mehrfach leibhaftig begegnen. Er ist dem großen Vorbild ganz nah.

Beinahe übrig geblieben

Und dennoch gehört Antonius nun zu den wenigen, die quasi übrig bleiben. Wenn die neuen Aufgaben verteilt und Missionsteams zusammengestellt werden: Antonius ist unbekannt. Keiner denkt an ihn, keiner braucht ihn. Die Assidua berichtet: „Nachdem das Kapitel in der vorgesehenen Weise beendet war und die Provinzialminister die ihnen anvertrauten Brüder an ihre Bestimmungsorte geschickt hatten, blieb nur Antonius verlassen beim Generalminister zurück: Er war von keinem der Provinzialminister erbeten worden – als einer, der, weil er unbekannt war, wie ein blutiger Anfänger erschien und zu nichts gut war. Schlussendlich, nachdem er Br. Graziano, der zu dieser Zeit Oberer für die Brüder in der Romagna war, zur Seite gebeten hatte, bat er diesen inständig, ihn – die Erlaubnis des Generalministers vorausgesetzt – mit sich in die Romagna zu nehmen, um ihm dort die ersten Grundlagen des Ordenslebens zu vermitteln.“

Schlussendlich, nachdem er sich einem Gebietsverantwortlichen nahezu aufgedrängt hat, findet Antonius doch noch einen Einsatzort, obwohl ihm „die ersten Grundlagen des Ordenslebens“, die er dort angeblich kennenlernen möchte, längst bekannt sein dürften.

Schritt für Schritt

Es ist eine lange Reise, die Antonius bis hierher zurückgelegt hat – schon allein, was die Entfernungen und zurückgelegten Wegstrecken betrifft. Aber auch innerlich: ein Auf und Ab. Immer wieder gilt es für ihn, sich auf unbekannte Situationen einzulassen; sich als Fremder zu orientieren; einen Anschluss zu suchen; neu anzufangen. Es ist erstaunlich, woher er für all diese Wendungen die Kraft nimmt. – Vielleicht tatsächlich aus einer Gewissheit heraus, dass Gott für ihn einen Plan hat und dass er ihn führt, diesen Plan zu entdecken. Und dabei kann es eben auch sein, dass es eine ganze Weile dauert, bis man seinen wirklichen Platz im Leben gefunden hat.

Und wenn gelegentlich salopp gesagt wird, der Weg sei das Ziel: Vielleicht ist auch das etwas, das Antonius in dieser Lebensphase hilfreich ist. Er wird wohl das nötige Vertrauen gehabt haben, daran glauben zu können, dass all die kleinen Schritte ihren Sinn haben – dass die Umwege nicht vergebens sind. Und dass auch sie Etappen sind, da etwas geschieht, da er sich weiter entwickelt. Was dann heute aus der Rückschau aussieht wie „schon wieder ein Neustart!“ oder wie ein weiterer Umweg, das war im tatsächlichen Erleben vielleicht ein sehr viel organischeres Geschehen: Ein Lebensweg, der sich Schritt für Schritt entfaltet.

Brüderlich begleitet

Was ihn seit seinem Ordenswechsel begleitet: Eine Gemeinschaft, die ihm „unterwegs in der Welt“ ein Zuhause gibt. Die sicheren Gemäuer der Augustiner-Chorherren hat er längst hinter sich gelassen. Aber auf ganz neue Weise und in ganz anderer Qualität erfährt er weiterhin so etwas wie Heimat. Nach Marokko waren die Minderbrüder als Gruppe gegangen. Und gestrandet in Sizilien wird er von den dortigen Brüdern aufgenommen. Sie sind es auch, die ihn mit nach Assisi nehmen. Und dort dürften es Hunderte, wenn nicht gar schon Tausende gewesen sein, die da zusammenkamen. Bei allem Wechsel: eine neue Konstante im Leben des Antonius – seine Gemeinschaft von Brüdern.

Zuletzt aktualisiert: 16. Oktober 2023
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