Thor Heyerdahl

29. September 2014 | von

Als kühner Abenteurer und renommierter Wissenschaftler aus Norwegen ist Thor Heyerdahl in Erinnerung geblieben. Vor hundert Jahren erblickte er das Licht der Welt.



In den ersten Szenen des Filmes „Kon-Tiki“ (2012) sieht man einen mutigen kleinen Jungen, der zwischen Eisschollen balanciert, um eine Säge zu ergattern, was ihm fast zum Verhängnis wird. Zwar erreicht er die Säge und nimmt keinen Schaden vom Einbruch – lebensgefährlich war die Aktion allemal. Dieser weltweit sehr erfolgreiche norwegische Film widmet sich einem Ausschnitt des Lebens von Thor Heyerdahl. Er gilt als kühner Abenteurer und angesehener Wissenschaftler zugleich.



HOCHZEITSREISE NACH TAHITI

Thor Heyerdahl wurde am 16. Oktober 1914 in Larvik, Norwegen geboren und wuchs sehr behütet als Einzelkind eines Brauers auf. Die Eltern förderten schon früh seine Interessen, sodass der kleine Junge beispielsweise ein „Zoologisches Museum“, wie er es stolz nannte, besaß. In einem leeren Raum der Brauerei hatte er eine Sammlung von allerlei Kleintieren und Insekten zusammengetragen. Früh begeisterte er sich für die Natur, das Wandern und die Wildnis. Schon damals reifte der Wunsch, einmal in einer ganz abgelegenen Gegend zu leben, die noch unberührt von menschlichen Einflüssen war.

1933 zog es ihn zum Studium der Zoologie und Geographie nach Oslo, wo er durch seine Lehrer mit der Anthropologie in Berührung kam. Bereits drei Jahre später heiratete er Liv, seine erste von drei Frauen. Die anschließende Reise nach Tahiti sollte nicht nur eine Hochzeitsreise werden, sondern auch als Studienaufenthalt dienen. Hier lernten sie das Leben der Polynesier kennen.



KAMEN POLYNESIER AUS SÜDAMERIKA?

1938 kehrte das Paar nach Oslo zurück. Thors Arbeiten zu den Polynesiern weckten das Interesse verschiedener Wissenschaftler, sodass er erst nach Amerika und dann zusammen mit Liv nach Kanada reiste, um seine Erkenntnisse vorzulegen. Norwegen war zu der Zeit schon von den Deutschen besetzt. Als die Familie Heyerdahl nicht wieder ausreisen konnte, halfen Freunde auch finanziell und Thor Heyerdahl meldete sich freiwillig für den Kampf um die Befreiung Norwegens.

Seit den Flitterwochen auf Tahiti ließ Heyerdal ein Gedanke keine Ruhe mehr: Aufgrund der Ähnlichkeit der polynesischen Pflanzen, die er gesehen hatte, sowie alten Statuen und durch den Hinweis eines Inselbewohners entwickelte er die These, dass Polynesien auch von Osten her besiedelt worden sein könnte und nicht etwa aus dem asiatischen Raum, wie allgemein in der Wissenschaft angenommen.



DAS ARCHAISCHE FLOSS

Heyerdahl galt als hartnäckig, wenn es um seine Ideen ging. Die Fachwelt nahm den jungen Wissenschaftler nicht ernst und stellte ihm entgegen, dass es damals technisch nicht möglich gewesen wäre, die Inseln von Südamerika aus zu erreichen. Um es genau diesen Leuten zu zeigen und aus seiner tiefen Überzeugung heraus, fasste er einen Plan: Es sollte ein Floß mit genau den Mitteln gebaut werden, die auch damals zur Verfügung standen, und er würde es dann im Selbstversuch mit einer kleinen Mannschaft testen und beweisen, dass seine Theorie stimmt.

Gesagt, getan. 1947 startete Heyerdahl mit einem fünfköpfigen Team von Callao/Peru nach Polynesien. Bis auf wenige technische Objekte zur Orientierung, wie ein Kompass und ein Sextant, eine Videokamera, ein Funkgerät und eine Schreibmaschine, reiste die Mannschaft 101 Tage wie ihre Vorbilder, die präkolumbische Bevölkerung. Trotz mehrerer Turbulenzen und Gefahren durch das Meer, gelang es den Abenteurern, den Zielort mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln zu erreichen.



PRAKTISCHE ARCHÄOLOGIE

Nur am Rande sei erwähnt, dass Heyerdahl nach seinem eingangs beschriebenem Kindheitstrauma nie schwimmen gelernt hatte und sich dennoch mit dieser Expedition aufs offene Meer hinaus mit unsicherem Ausgang wagte! Dies zeugt von seiner Willensstärke, einmal gefasste Ideen zu verfolgen und zu beweisen, was ihm durch die erfolgreiche Überfahrt schließlich auch gelang. Er belegte, dass es bereits vor Kolumbus‘ Zeiten machbar war, mit vermeintlich einfachen Balsaflößen internationale Kontakte herzustellen und daher die Möglichkeit besteht, dass Polynesien vom Osten her besiedelt wurde.

Für den Dokumentarfilm, der während der Reise mit einer kleinen Handkamera angefertigt wurde, erlangte er sogar einen Oskar. Die Fachwelt hingegen war immer noch gespaltener Meinung und zeigte sich Heyerdahl gegenüber weiterhin skeptisch. Trotzdem wurde seine Art der praktischen Archäologie zur Kenntnis genommen und teilweise – wenn auch zähneknirschend – akzeptiert.



ELF MAL EHRENDOKTOR

Von nun an war der Abenteurer, Ethnologe, Archäologe und Geograph weltweit bekannt und erntete nach einigen späteren Expeditionen und Forschungen auch Anerkennung in der Fachwelt, indem ihm insgesamt elf Ehrendoktorwürden zugesprochen wurden. Der Film aus dem Jahr 2012 zeigt nicht nur die ungewöhnliche Reise, sondern thematisiert auch, dass Thor Heyerdahl so sehr von seinen Ideen und seiner Leidenschaft zum Abenteuer eingenommen war, dass er die Welt um sich herum vergaß. Dies ist auch der Grund, warum seine Ehen scheiterten. Davon ließ er sich aber nicht beirren. Der Drang, etwas zu entdecken und eine unberührte Gegend zu erleben, trieb ihn sein ganzes Leben an. Mit 88 Jahren starb Thor Heyerdal am

12. April 2002 an einem Gehirntumor.

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016