Über den Glauben sprechen
Eine der drängenden Fragen vieler Menschen ist: „Wie gibt man den Glauben weiter?“ Erstkommunion- und Firmvorbereitung oder Religionsunterricht kommen dabei oft an ihre Grenzen. Wichtig ist die alltägliche Begleitung im Glauben durch „ganz normale Christen“.
Der Begriff „Katechese“ ist vielen katholischen Christen nicht mehr vertraut. Das gilt nicht nur dem Begriff, sondern auch der Sache nach: So habe ich kürzlich erfahren, dass in einer Pfarreiengemeinschaft die bis dahin übliche mehrmonatige Firmkatechese – die Vorbereitung der Jugendlichen auf den Empfang des Firmsakraments – wegen Überlastung des Pfarrers ersatzlos gestrichen wurde. Mit der Erstkommunionkatechese sieht es in dieser Pfarreiengemeinschaft nicht viel besser aus.
Tatsächlich ist „Katechese“ ein Fremdwort. Es kommt vom griechischen „katechéo“ und bedeutet „ich unterrichte/unterweise“. Katechese ist also Unterweisung oder Unterricht. Und weil dieser Begriff praktisch nur im Bereich der christlichen Kirchen verwendet wird, bedeutet „Katechese“ so viel wie „Glaubensunterricht/Glaubensunterweisung“. In einer Zeit, in der von engagierten Christen, aber auch von Seelsorgerinnen und Seelsorgern über die weit verbreitete Unkenntnis in Glaubensfragen geklagt wird, müsste Katechese eigentlich Hochkonjunktur haben. Das Gegenteil scheint aber der Fall zu sein.
Die normalste Sache der Welt
Umso mehr hat mich die Begegnung mit einer jungen Frau im Recoleta-Kloster in Sucre, der Hauptstadt Boliviens, überrascht. Mit großem Charme und profundem Wissen hat sie mir das franziskanische Kloster und seine Geschichte erklärt. Bei dieser Führung kam ihr eigener Glaube immer wieder zum Leuchten – nicht aufgesetzt und aufdringlich, sondern ganz selbstverständlich und natürlich, so, als ob der Glaube an Jesus Christus die normalste Sache der Welt wäre. Als eine Art „Dienstuniform“ trug die junge Frau einen Pulli, auf den ein Bekenntnis aufgestickt war: „Convertido a Cristo – Katequesis“. Auf Deutsch: „Bekehrt zu Christus – Katechese“.
Dass der Glaube an Jesus Christus nicht die normalste Sache der Welt ist, wusste diese junge Frau sehr gut: Sie war nämlich erst seit zwei Jahren getauft. Von ihren Eltern hatte sie nie etwas über den Glauben erfahren. Und auch in Schule und Studium war der Glaube kein Thema. Eher zufällig ist sie Menschen begegnet, die offensichtlich überzeugte und überzeugende Christen waren. Und weil sie neugierig geworden war, weil sie mehr über den christlichen Glauben wissen wollte, hat sie die wöchentliche Katechese im Recoleta-Kloster besucht. Fast drei Jahre hat ihr Glaubenskurs gedauert, bis sie nach ihrem eigenen Ermessen für den Empfang der Taufe genügend vorbereitet war. Seit ihrer Taufe gibt sie nicht nur Führungen durch das Kloster, sondern ist auch selbst aktiv in der Katechese engagiert. Nun begleitet sie andere Menschen, Jugendliche und Erwachsene, auf ihrem Weg zum Glauben und gibt ihnen Glaubensunterricht.
Aufgabe aller Getauften
Katechese ist nicht in erster Linie eine Aufgabe des Pfarrers oder anderer Seelsorgerinnen und Seelsorger. Die Katechese ist Aufgabe aller Getauften. Und: Die Katechese wird auch nicht durch den schulischen Religionsunterricht ersetzt, weil sie einen ganz anderen Ansatz hat. Ganz zutreffend ist im online-Lexikon „Wikipedia“ zu lesen: „Im Gegensatz zum Religionsunterricht, dessen Ziel Wissensvermittlung ist, will die Katechese in die Glaubenspraxis einführen. Sie ist biografiebezogen, handlungsorientiert und zeitlich befristet. Die Begegnung des Menschen mit Gott, den Jesus Christus verkündigt hat, ist Grundaufgabe der Katechese.“ Katechese ist also nicht theoretisch, sondern praktisch. Sie zielt auf das Leben des Glaubens ab und will in jeder Lebensphase neu die Frage beantworten, wie das denn eigentlich geht, als Christ zu leben – als Kind, als Jugendlicher, als Erwachsener, als verheiratete oder als alleinstehende Menschen, als älter werdender Mensch.
Weil die Katechese immer die konkreten Lebensumstände im Blick hat, braucht es als Katecheten Menschen, die nicht nur mit dem Glauben, sondern auch mit diesen Lebensumständen vertraut sind und die Erfahrung darin haben, in den jeweiligen Verhältnissen einen christlichen Lebensweg zu suchen.
Konkretes christliches Leben deuten
Dieses Verständnis der Katechese wird auch vom geltenden Gesetzbuch der katholischen Kirche gestützt. In c. 773 CIC (= Codex Iuris Canonici) wird als Ziel der Katechese beschrieben, dass „der Glaube der Gläubigen durch die Unterweisung in der Lehre und durch die Erfahrung christlichen Lebens lebendig wird, sich entfaltet und zu Taten führt.“ Zur Katechese gehören demnach sowohl die Unterweisung in der Glaubenslehre als auch die Ermöglichung konkreter Erfahrungen, die vermitteln, wie christliches Leben gehen kann. Beide Elemente, Unterweisung und Erfahrung, sollten aufeinander bezogen sein: Die beispielhaften Erfahrungen sollen erlebbar und verstehbar machen, was Unterweisung und Lehre vermitteln wollen. Gleichzeitig soll die Unterweisung die konkrete Erfahrung christlichen Lebens deuten und vertiefen.
Ein Versuch, als Christ zu leben
Träger der Katechese sind nach c. 774 § 1 CIC alle Glieder der Kirche, das heißt alle Getauften – und beileibe nicht nur der Pfarrer sowie die Seelsorgerinnen und Seelsorger. Insbesondere sind nach c. 774 § 2 CIC die Eltern dazu verpflichtet, „durch Wort und Beispiel ihre Kinder im Glauben und in der Praxis christlichen Lebens zu bilden“. Die Verantwortung für die Katechese kann also nicht an die sogenannten „Hauptamtlichen“ abgegeben werden; sie ist vielmehr Sache aller Getauften. Und entgegen einem weit verbreiteten Missverständnis sind die wichtigsten Voraussetzungen für die Katechese nicht ein theologisches Studium oder hohes theoretisches Wissen, sondern der eigene Versuch der Katecheten, nach bestem Wissen und Gewissen als Christin oder als Christ zu leben. Die Katechese vermittelt nicht „den“ einen, einzigen christlichen Lebensweg, sondern sie bietet dem anderen den eigenen Versuch an, als Christ zu leben – und lädt so dazu ein, dass der andere seinen eigenen Weg sucht und findet. Der Weg der Katechese ist, andere am eigenen Leben und Glauben teilhaben zu lassen und mit ihnen darüber ins Gespräch zu kommen. Katechese vermittelt nicht vorgestanzte Lebensmodelle, sondern eröffnet Räume für das eigene Suchen und Entscheiden. Katechese ermuntert dazu, den eigenen christlichen Lebensweg zu suchen und auszuprobieren.
Suche und Begleitung
Katechese ist Suche nach christlichen Lebenswegen und Wegbegleitung zugleich. Daher kann sich die Katechese nicht auf die kurzen Phasen der Sakramentenkatechese in der Erstkommunion- und Firmvorbereitung beschränken. Schon wenige Jahre nach dem Empfang dieser Sakramente stellen sich für die Jugendlichen nämlich ganz andere und herausfordernde Fragen nach ihrer Möglichkeit, christlich zu leben. Dasselbe gilt für Erwachsene und auch für älter werdende Menschen. Wenn diese Fragen nicht gehört werden, wenn es keinen Raum gibt, um solche Fragen aussprechen und diskutieren zu können, wenn es keine Begleiter bei dem Versuch gibt, eigene Antworten zu finden und auszuprobieren, dann wird christlicher Glaube ganz schnell langweilig, uninteressant, irrelevant.
Mit der jungen Frau, der ich im Recoleta-Kloster begegnet bin, hat christlicher Glaube ein sympathisches und überzeugendes Gesicht bekommen. Was diese junge Frau gesagt und getan hat, das war glaubwürdig, weil es mit der Erfahrung ihres eigenen Lebens gedeckt war.