Unser Traum von einem Afrika ohne Aids
Die Patienten teilen sich zu zweit ein Bett und liegen am Boden. Sie warten darauf, zum Sterben nach Hause zu gehen. Zerschlissene Leintücher umhüllen die ausgemergelten Körper ... In den Straßen künden die Geräusche von Säge und Hammer davon, dass sich die Sarghersteller der Hauptstadt über mangelnde Aufträge nicht beklagen können. Büros und Behörden können nur mit Mühe ihren Betrieb am Laufen halten, denn viele Angestellte sind damit beschäftigt, ihre Verwandten zu betrauern und beizusetzen. Die Geschäfte sind gefährdet, denn die Schlüsselpersonen fehlen. Dieses Zitat aus der südafrikanischen Zeitung The News Gazette vom 25. Oktober 1998 beleuchtet blitzlichtartig die Tragödie, die sich zurzeit auf dem schwarzen Kontinent abspielt. Afrika bricht unter der Last von Aids zusammen. Von den 40 Millionen HIV-Positiven und Aidskranken weltweit, leben mehr als 28 Millionen in der Sahelzone. Fast alle werden bis 2010 tot sein, werden 40 Millionen Waisen und ausgeblutete Nationen hinterlassen haben. Fachleute werden langsam Mangelware. Die wenigen vorhandenen Schul- und Sanitäreinrichtungen kollabieren. Afrika befindet sich im Jahre Null der Entwicklung. Und die Lebenserwartung geht gegen 30 Jahre zurück, denn die Bevölkerungsschicht der 15- bis 49-jährigen ist stark ausgedünnt. Zahlen, die erschaudern lassen und das Gewissen beunruhigen: Ist es schon zu spät, noch etwas zu unternehmen? Wer kann helfen? Diese Fragen lösten eine intensive Suche nach geeigneten Maßnahmen aus. So stieß die Caritas Antoniana auf drei Projekte, die sie für fördernswert hält und anlässlich des 13. Juni, zum Antoniusfest, empfiehlt. Drei mögliche Antworten auf die Herausforderung Aids, die wir zusammen mit Missionsärzten geprüft haben, in Tansania, Kenia und Angola. Kein aussichtsloser Kampf. Die drei Projekte gehen alle von einer gemeinsamen Erkenntnis aus: Aids in Afrika ist nicht nur ein gesundheitliches, sondern auch ein soziales und ökonomisches Problem. Folglich können sich die Lösungen nicht nur in medizinischer Hilfe erschöpfen. Man muss sich ganz des Kranken annehmen, angefangen bei seinen körperlichen und psychischen Problemen bis hin zu den praktischen: Essen, Unterkunft, Versorgung der Kinder. Denn wie soll sich ein Kranker wieder von einem derart zerstörerischen Krankheitsbild erholen, wie das durch HIV hervorgerufene, wenn er weder Essen noch Trinkwasser hat? Welch entsetzliche Einsamkeit muss eine schwangere Frau erleiden, die erfährt, dass sie HIV-positiv ist und weiß, dass ihr die Mittel fehlen, das Neugeborene zu retten, weiß, dass ihr nicht die Zeit bleibt, es aufwachsen zu sehen? Die Missionsärzte machen täglich vor Ort die Erfahrung, dass es nur einen Weg gibt für die afrikanische Lösung im Kampf gegen Aids: Versogungsnetze aufbauen, und so alle am Einsatzort vorhandenen Ressourcen verfügbar machen. Es geht darum, Strukturen aufzubauen, um in einer Gemeinschaft mehr Verbände oder Aktivitäten zusammenzubringen: Einrichtungen im medizinischen Bereich, Informationsnetze, aber auch Stellen, die sich um Vorsorge bemühen, um die Verteilung von Essen und Kleidung, um das Auftreiben von Geldern, die den Kindern der Erkrankten den Schulbesuch ermöglichen, um die Suche nach einem Platz für die Waisen. An der Spitze dieses Netzes steht die Vergabe von Kleinkrediten. Das System sieht kleine Geldleihen vor, um die produktiven Kräfte der HIV-Positiven anzuschieben, die ihnen den Ausbruch aus der Ausgrenzung ermöglichen würden. Vorbeugung und Schadensbegrenzung. Wo müssen diese Versorgungsnetze zuerst ansetzen? In erster Linie bei der Prävention: Der Großteil der HIV-Positiven weiß nicht, dass er es ist – und will es auch nicht wissen, aus Angst vor Ausgrenzung. So kommt es, dass die Infizierten wie bisher weiterleben und damit riskieren, andere mit dem Virus anzustecken. Wo jedoch die Regierungen Informations- und Vorbeugungskampagnen zu Aids durchgeführt haben, gibt es außergewöhnliche Ergebnisse. Der ergänzende Weg dazu könnte definiert werden als Schadensbegrenzung. Dahinter steht der Versuch, das Leben der Kranken zu verbessern und zu verlängern, indem man die Begleiterkrankungen von Aids behandelt und sich der Hinterbliebenen und Waisen annimmt. In etwa so, wie es eine afrikanische Großfamilie tun würde. Eine Mutter, die vermutet, sie sei HIV-positiv, wäre eher bereit, einen Test und eine eventuelle Behandlung zur Rettung ihres Kindes zu machen, wenn sie wüsste, dass im medizinischen Zentrum ihr Leben verlängert, dass sie dort Grundnahrungsmittel wie Zucker und Mehl erhalten würde, dass man sich dort eines Tages um ihr Kind kümmern würde. Was sollte sie sonst dazu bringen, einet derart schrecklichen Wahrheit ins Auge zu blicken, die sie zu einem Außenseiterleben verdammt? Afrikanisches Gesundheitsmodell. All diese Aktivitäten können in ein bereits bestehendes Netzwerk eingebunden werden. Deshalb sind unsere Ansprechpartner die Cuamm, Ärzte für Afrika, eine Nichtregierungs-Organisation von Missionsärzten, die seit 52 Jahren in Afrika aktiv ist, und die Ärzte der Missionsorden. Wir werden Projekte unterstützen, die zum Ziel haben, möglichst viele Kinder zu retten: Initiativen, die den Übertragungsweg von der Mutter auf ihr Neugeborenes unterbrechen, den Kampf gegen die Tuberkulose aufnehmen, eine Krankheit, die Hand in Hand mit Aids einher geht. Die Kleinen sind nämlich die wehrlosesten Opfer dieser Tragödie. Die Unterstützung dieser Projekte geht weit darüber hinaus, Krankenhäuser zu bauen und Ärzte zu schicken. Sie soll vielmehr die Basis für neue Hoffnungen begründen. Wir müssen zu Protagonisten des Aufbaus eines neuen afrikanischen Gesundheitsmodells werden. Diese Initiative bedeutet auch, vielen Kindern eine Zukunft zu sichern. Schließlich gibt uns dieser Weg auch die Möglichkeit, von hilflosen Beobachtern einer schrecklichen Tragödie zu aktiven Kämpfern für eine spürbare Verbesserung zu werden. Gemeinsam mit Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, hat sich die Antonianische Caritas bereits großen Herausforderungen gestellt. Wir sind zuversichtlich, dass dank Ihrer Hilfe, das Antoniusfest den Traum von einem neuen Afrika ohne Aids verwirklichen hilft. (Quellen: Cuamm, Unaids) Tanzania. Lebensbeginn ohne Aids In Tansania finanziert die Caritas Antoniana das Projekt Ohne Aids zur Welt kommen. Das Hauptziel dieser Initiative ist es, die Übertragung des Aids-Virus von der Mutter auf ihr Kind bei der Geburt um mindestens 40 Prozent zu reduzieren, das Leben der Mütter zu verlängern durch die Heilung der Begleitkrankheiten und die Verbesserung der sozio-ökonomische Situation der Familien. Das Projekt knüpft an das Gesundheitsnetz der Diözese der Hauptstadt Dar es Salaam an. Das dortige Infrastruktur ist dank der Zusammenarbeit zwischen Regierung und örtlichen Vereinigungen gut ausgebaut und bewährt. Unsere Bezugspersonen vor Ort sind die Missionsärzte der Cuamm, die seit 1968 in Tansania arbeiten und in Dar es Salaam seit 1997 präsent sind. Zirka 800 Millionen Menschen profitieren von diesem Versorgungssystem. Gleich zu Beginn des nächsten Jahres soll die Initiative auch im Bezirk Mikumi (Morogoro) und im Distrikt Tosamaganga (Iringa) gestartet werden, um so weitere 300.000 Menschen zu erreichen. Die gesamten Projektkosten werden auf 200.000 Euro geschätzt. Kenia Chance für Nairobis Neugeborene. In den Barackenstädten Nairobis unterstützt die Caritas Antoniana ein Projekt, das ähnlich angelegt ist, wie das in Tanzania. Also ist auch hier das Ziel, die Übertragung des HIV-Virus von der Mutter auf das Neugeborene zu unterbrechen, indem die Mutter einmalig ein Medikament beim Einsatz der Wehen verabreicht bekommt, ebenso das Kind binnen 72 Stunden nach seiner Geburt. Auch in diesem Fall fügt sich das Projekt in ein umfassenderes sozial-medizinisches Programm ein, das bereits seit mehreren Jahren in den Baracken-städten Nairobis läuft. Wir arbeiten dort mit den Comboni-Missionaren und denen der Consolata (Turin) zusammen. Aids hat dringenden Handlungsbedarf geschaffen, was die Behandlung schwangerer Frauen anbelangt. In Kenia sind 20 Prozent der Frauen, die ein Kind erwarten, HIV-positiv. In Nairobi sind es sogar 35 Prozent. Die Aids-Übertragungsrate von Mutter auf Kind variiert zwischen 20 und 42 Prozent. Das bedeutet, dass pro Jahr in Kenia 100.000 HIV-positive Kinder zur Welt kommen. Und es gibt bislang noch keine Präventionsmaßnahmen. Die voraussichtlichen Projektkosten: 200.000 Euro. Angola Kampf gegen die Tuberkulose Unser Projekt soll im Norden Angolas, genauer gesagt in den staatlichen Krankenhäusern der Städte Uíge (200.000 Einwohner) und Negage (100.000 Einwohner) anlaufen. Es ist eine ländliche und von Kriegen geplagte Region. Die sanitären Einrichtungen sind marode, überfüllt und verfügen weder über Licht noch Wasser. Auch in diesem Fall sind die Ärzte von Cuamm unsere Ansprechpartner. Sie setzen sich in Angola vorrangig für den Kampf gegen die Tuberkulose ein, die viele Menschen dahinrafft, obwohl sie zu 90 Prozent heilbar wäre - und das mit geringem finanziellen Aufwand. 600 Kinder sollen von der Krankheit geheilt werden, die Hand in Hand mit Aids einhergeht. Tbc beeinflusst den Verlauf von Aids ungünstig und ist häufig eine Folgekrankheit der Virusinfektion. Die behandelten Tuberkuloskranken werden auch auf HIV getestet. Damit kann man sich eine Vorstellung von der Verbreitung der Seuche im Land machen und schließlich Präventionsmaßnahmen ergreifen. Erforderliche Projektkosten: 155.000 Euro.