Vom Fahrradmechaniker zum Motorpionier
Genau vor hundert Jahren brachte Johann Puch (Janez Puh) das erste serienmäßig hergestellte Motorrad, eine leichte Tourenmaschine, in den Handel. Zuvor hatte er in Graz mit der Gründung der Ersten steiermärkischen Fahrrad-Fabriks-Actien-Gesellschaft die Grundlage für eine Fahrradproduktion geschaffen. Später wandte er sich auch noch der Autoherstellung, kurze Zeit sogar dem Flugzeugbau, zu und wurde zum Fahrzeugpionier seiner Zeit. Die Firmenbezeichnungen Puch-Werke und Steyr-Daimler-Puch sind weltweit bekannt. Bekannt ist auch die 1998 nach Fusionierung mit dem von Frank Stronach begründeten Magnakonzern neue Unternehmensbezeichnung Magna Styria. Wer aber kennt haute noch Johann Puch?
Slowenischer Bauernsohn. Am 27. Juni 1862 wird Johann Puch in eine sechsköpfige Bauernfamilie in der Gemeinde Sakušek hineingeboren. Der Ort lag in dem damals zum Habsburgerreich, dem österreichischen Kaiserreich, gehörenden Slowenien. Die zuständige Pfarr- und Taufkirche ist Sv. Lovrenc in Slovenska. Johann Puch besucht die einklassige Volksschule und beginnt als Zwölfjähriger eine Schlosserlehre in Rotman. Weitere Stationen seiner Ausbildung sind (Pettau) und Maribor (Marburg) und Radgona (Radkersburg). Nach seinen Gesellen-Wanderjahren leistet er von 1882 bis 1886 seinen Militärdienst und bringt es beim Heer zum ersten Schlosser im Regiment. 1885 zieht er nach Graz, wo er laut Eintragung im Trauungsbuch der Pfarre Mariahilf, in deren Bereich er wohnt, Maria Reinitzhuber heiratet. Getraut wird das Paar im Grazer Dom. Fortan ist Johann Puch, dessen Ehe kinderlos bleibt, mit kurzen Unterbrechungen in Graz sesshaft. Dort avanciert er vom einfachen Arbeiter zum wissenschaftlichen Erfinder, Unternehmer, ja sogar zum Fabrikanten von europäischer Geltung.
Skeptische Landsleute. Es ist erst gute zehn Jahre her, seit das inzwischen selbständig gewordene Slowenien Johann Puch durch Anbringen einer Gedenktafel am Geburtshaus auch als einen berühmten Landessohn reklamiert. Zuvor waren viele slowenische Bürger skeptisch, ob man einen Deutschen so ehren solle. Tatsache ist, dass Puch, wenn er auch bisweilen mit seinem Auto auch den Heimatort besuchte, kein großer Kämpfer für das Slowenentum war. Das verhinderte lange Zeit seine Wertschätzung durch die Bevölkerung, aber auch durch das jeweilige Regime. Nicht zuletzt wurde er von den humanistisch Gebildeten als Nichtstudierter missachtet. Als Slowene geboren, als Österreicher erfolgreich, würde man ihn heute als Europäer bezeichnen, dessen Interessen der Technik, dem Handel und dem Gewerbe galten. Sie bedeuteten ihm mehr bedeutete als alles andere, selbst als die Nationalitätenfrage.
Als Erfinder genial. Zunächst repariert Johann Puch kaputte Fahrräder beim Grazer Meister Luschneider – es ist die Zeit des Übergangs vom Hochrad zum Niederrad. Dabei denkt er über Konstruktionsverbesserungen nach und realisiert sie. Dann beginnt er als Selbständiger mit der Herstellung von Fahrrädern und gründet dazu die Firma Styria-Werke. Das erste Fahrrad Puchs erhält den Namen seiner steirischen Heimat, nämlich Styria.
Bald wird daraus ein größeres Unternehmen, das er Erste steiermärkische Fahrradfabrik Johann Puch AG nennt. In dieser Fabrik entsteht auch das erste mit einem Benzinmotor angetriebene Motorrad. Es folgt die Herstellung von Autos und Mofas. Innerhalb von 15 Jahren entwickelt Johann Puch 21 verschiedene Autotypen. Im Jahre 1912 beschäftigt Puch in seinen Fabriken 1.100 Arbeiter, stellt 16.000 Fahrräder, 300 Motorräder und ebenso viele Autos her. 19 Patente - 6 für Schreibmaschinentechnik, 13 für Straßenfahrzeuge - meldet er beim Patentamt an. Sie werden alle, auch der von findigen Konstrukteur entwickelte Vierzylindermotor, anerkannt. Die Nachfolgefirma der Puch-Werke, die Steyr-Daimler-Puch AG produziert im Sinne Johann Puchs unter anderen Vespas, Mopedroller, Geländefahrzeuge wie Puch-Haflinger, Puch-Pinzgäuer und den Puch-Mercedes. Seit 1998 gilt der Magnakonzern als Nachfolger der einst von Puch gegründeten Werke.
Tod nach dem Pferderennen. Johann Puch, der sich selbstverständlich auch für den Fahrrad-, Motorrad- und Autosport interessiert und sich dafür auch einsetzt, hat privat noch ein anderes Hobby: Es ist der Reitsport, das Pferderennen. Unmittelbar nach einem solchen stirbt er am 19. Juli 1914 im Zagreber Hotel Royal an Herzversagen. Sein Leichnam wird nach Graz überführt und auf dem dortigen Zentralfriedhof beigesetzt.
In einem 1998 erschienenen slowenischen Gedenkbuch, in dem sich Historiker und Wissenschaftler mit Johann Puch befassen, nimmt auch der Bischof von Marburg (Maribor), Dr. Franz Kramberger, zur religiösen Haltung Puchs Stellung. Er betont die normale Religiosität Puchs, der als Wissenschaftler und gläubiger Mensch durch seine Wissenschaft, seine Weltanschauung und persönliche Überzeugung bewiesen hat, dass es zwischen Wissenschaft und dem Glauben möglich ist, eine Brücke zu schlagen. Sein ganzes Leben, so der Marburger Bischof, von der Taufe bis zum Tod offenbart, dass er ein gläubiger Wissenschaftler war.