Vom Kreuz gesegnet

27. März 2009 | von

Sie fühle sich im Karmel „ganz daheim", sagte Edith Stein, als sie vor 75 Jahren nach halbjähriger Probezeit in Köln ihre Einkleidung feierte. Endlich konnte sie ganz Anteil haben am Kreuz. Zur Erinnerung an diesen besonderen Tag lädt unsere Autorin zu einer persönlichen Betrachtung am Ende der Fastenzeit ein.



 Mit der Einkleidung zeigt eine Person auch äußerlich, dass sie nun zur Ordensgemeinschaft gehört, da sie fortan das Ordensgewand und – sofern üblich – einen neuen Namen trägt. So war es auch bei der damals öffentlich bekannten Wissenschaftlerin Edith Stein am 15. April 1934.



Entsprechend der Tradition ihres Ordens der „Unbeschuhten Karmelitinnen" erhielt sie zudem einen Namenszusatz, das so genannte Prädikat, das zeigen sollte, dass die Schwestern eine „Berufung haben, im Sinne bestimmter Geheimnisse zu leben", wie sie selber schrieb. So lebten mit ihr im Kölner

Karmel um 1938 zum Beispiel eine Sr. M. Carmela von der Heiligsten Dreifaltigkeit, Sr. M. Monika von der göttlichen Liebe, Sr. M. Alberta von der heiligen Familie und gleich mehrere Schwestern mit dem Zusatz „vom Heiligsten Sakrament".



Impuls: Welchen Zusatz würde ich wählen? Welches Glaubensgeheimnis ist für mein Leben, für meine Spiritualität besonders wichtig und prägend?



Schon beim Eintritt wusste die damals 42-jährige, welchen Namen sie im Orden tragen wollte. Sie wünschte und erhielt zu den Namen Teresia (mit Blick auf die Ordensgründerin Teresa von Avila, deren Autobiografie eine große Rolle bei ihrer Bekehrung gespielt hatte) und Benedicta (dies wurde ihr Rufname im Orden) den Zusatz „a Cruce – vom Kreuz". Übersetzt man den Namen Benedicta a Cruce, so bedeutet er: „die vom Kreuz Gesegnete". Sie sah dies nicht als niederdrückendes Attribut, sondern als „Adelstitel". Das dunkle Geheimnis des Kreuzes hatte sie in ihrem persönlichen und beruflichen Leben und auf ihrem Glaubensweg erfahren und verstand dies zunehmend als das Grundgeheimnis ihres Daseins.



Impuls: Wie ernst nehme ich die bittere Realität des Kreuzestodes Jesu? Was bedeutet mir in diesem Zusammenhang die Feier des Karfreitags?



Für Sr. Benedicta ging es dabei nicht nur um das Leiden Jesu, sondern um das Leiden aller Menschen, vor allem auch um das ihres eigenen, des jüdischen Volkes, das ja auch das Volk Jesu war. In einem Brief schrieb sie später über ihren Namenszusatz: „Unter dem Kreuz verstand ich das Schicksal des Volkes Gottes, das sich damals schon anzukündigen begann. Ich dachte, die es verstünden, dass es das Kreuz Christi sei, die müssten es im Namen aller auf sich nehmen."



Im Mittragen des Kreuzes Jesu sah sie auch ein Mitwirken an dessen Erlösungstat. Durch diesen Gedanken der Stellvertretung erhielt selbst Absurdes für sie einen Sinn. Gleichwohl bedeutete dies nicht, dass sie den Opfertod aktiv aufsuchte. So wechselte sie 1938 von Köln nach Echt in Holland, um den Gräueltaten der Nazis zu entkommen. Doch als der sinnlose Hass sie endgültig traf und das Leiden unausweichlich wurde, nahm sie es gefasst an und gab ihm einen Sinn: „Komm, wir gehen für unser Volk", so die Worte an ihre Schwester Rosa, die mit ihr am 2. August 1942 verhaftet wurde.



Impuls: Wie trage ich es, wenn mein Leben schwerer verläuft als gewünscht? Welche Rolle spielt Gott dabei für mich?



Sagt mir die Vorstellung vom stellvertretenden Leiden persönlich etwas?





Mit dem Blick auf den Gekreuzigten ließen sich für die Karmelitin auch Zeiten durchleben, in denen der Glaube sinnlos und das Leben trostlos erschienen. In ihrem Werk „Kreuzeswissenschaft" (1941-42) formulierte sie es so: „Wie Jesus in seiner Todesverlassenheit sich in die Hände des unsichtbaren und unbegreiflichen Gottes übergab, so wird sie (die Seele) sich hineinbegeben in das mitternächtliche Dunkel des Glaubens, der der einzige Weg zu dem unbegreiflichen Gott ist."



Impuls: Wie gehe ich mit Zeiten um, in denen mir Gott und der Glaube an ihn fern, sinnlos oder unerklärlich erscheinen?



Sr. Benedicta vom Kreuz hat also wie wenige andere Menschen ihr Leben unter das schwierige Geheimnis des Kreuzes gestellt. Sie verharmloste es nicht und verdrängte den Gedanken daran nicht. Dabei trug sie das Wissen, dass durch das Kreuz die Erlösung erlangt wurde und dass es deshalb die einzige Hoffnung der Menschen ist: „Kreuz und Nacht sind der Weg zum himmlischen Licht: Das ist die frohe Botschaft vom Kreuz." Und sie ermutigte ihre Leser und auch uns heute, ebendiesen Weg auf sich zu nehmen: „Mit dem Menschensohn durch Leiden und Tod zur Herrlichkeit der Auferstehung zu gelangen, ist der Weg für jeden von uns, für die ganze Menschheit."



 


 Einige Daten:



12.10.1891
– als Jüdin in Breslau geboren



1904 ca. – bewusste Abwendung von der Religion



1916 – Doktor der Philosophie



1922 – Aufnahme in die katholische Kirche



1933 – Eintritt in den Kölner Karmel



15.4.1934 – Einkleidung



1938 – Ewige Profess, Wechsel in den Karmel nach Echt / NL



9.8.1942 – (vermutl.) Vergasung in Auschwitz-Birkenau



1987 – Seligsprechung



1998 – Heiligsprechung



 

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016