Was braucht der Mensch fürs Glück?
Kürzlich habe ich diesen Satz auf einer Spruchkarte gelesen: „Wer sagt: Geld macht nicht glücklich, war noch nie shoppen“ – und ich musste erst einmal herzlich lachen. Doch dann drehte sich das Gedankenkarussell, und viele Bilder tauchten vor meinem inneren Auge auf: Kinder, die nur noch aus Haut und Knochen bestehen; Asylbewerber, die alles verloren haben; Eltern, die nicht wissen, wie sie ihre Kinder ernähren sollen. Was sagen diese Menschen zu dem Ausspruch ‚Geld macht nicht glücklich?‘ Dann erinnerte ich mich aber auch an viele Gespräche in unserem Sprechzimmer – mit Menschen, denen es finanziell durchaus gut, wenn nicht sogar sehr gut ging, die aber dennoch alles andere als glücklich waren.
Was also braucht es, damit ein Mensch sein Leben als ein Leben in Fülle wahrnimmt? Und von welcher Fülle spricht Jesus, wenn er sagt: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben“ (Joh 10,10)?
Diese Frage führte mich zu den Erfahrungen, die ich seit gut zwei Jahren in unserer Einsiedelei „Franziskusklause“ beim Kloster Maria Eck im Chiemgau machen darf. Menschen, die auf der Suche sind nach sich selbst, nach Sinn, nach dem Leben in Fülle, nach Wahrheit und letztlich nach Gott, können sich für einige Tage an diesen stillen Ort auf einer Lichtung in unserem Klosterwald zurückziehen (siehe S. 4). Außer dem täglichen Begleitgespräch sind sie im Schweigen und leben sehr einfach im Rhythmus der Natur. Zum Waschen gibt es einen Brunnen vor der Einsiedelei, das „stille Örtchen“ befindet sich ca. 50 m hinter der Einsiedelei im Wald. Gekocht und geheizt wird mit einem Holzofen. Die ersten Tage sind die sog. Naturtage, in denen man „ankommt“, das Denken und Grübeln zur Ruhe kommen lässt und immer mehr mit allen Sinnen im Hier und Jetzt präsent ist. Keine Ablenkungen wie Lesen, Handy, Computer, Fernsehen, Radio; nichts selber „machen“ wollen, keine Lösungen und Antworten auf alle möglichen Probleme suchen; Loslassen der eigenen Vorstellungen und Wünsche, einfach „nur ganz Ohr“ sein, ist gar nicht so einfach.
Doch je mehr man in diese Haltung hineinwächst, desto intensiver erleben die „Einsiedler“ sich selbst, die Natur, jeden einzelnen Augenblick: Aufstehen, Essen zubereiten, Abspülen usw. sind dann nicht mehr lästige Routinearbeiten, sondern bewusstes, achtsames Erleben der Wirklichkeit. Diese Sensibilität für den Augenblick öffnet die Menschen für eine wirkliche Begegnung mit dem Leben und damit auch für das Geheimnis der Gegenwart Gottes.
Immer wieder erzählen die Einsiedler im täglichen Begleitgespräch von „heiligen“ Momenten, in denen sie im Innersten berührt worden sind. So schreibt eine Frau, deren Leben zutiefst durch den tragischen Tod ihres Sohnes erschüttert wurde, nach ihren Tagen in der Einsiedelei: „Wenn Gott die Liebe ist, dann kenne ich ihn.“
Was also braucht es für ein Leben in Fülle? Manchmal vielleicht ein Heraustreten aus dem Hamsterrad, einen Ausstieg auf Zeit. Auf einer anderen Spruchkarte stand: „Es geht nicht darum, dem Leben mehr Tage zu geben, sondern den Tagen mehr Leben.“ Um des Lebens in Fülle wegen gehört für mich die Zeit der Stille, des einfachen Lebens im Rhythmus der Natur unverzichtbar zu meinem Weg in der Spur des heiligen Franziskus.
Für Informationen: http://www.kloster-schwarzenberg.de/