Weizenopfer zum Wochenfest

29. November 2005 | von

Angefangen mit dem Apfel vom Baum der Erkenntnis bis hin zur Ze-der des Libanons  - die Bibel erwähnt insgesamt 110 Pflanzenarten.  Sie werden als Geschöpfe Gottes verstanden und tragen immer eine symbolische Bedeutung . In einer neuen Reihe führt unser Autor in den üppigen Garten der Bibel ein. Der erste Artikel beleuchtet die Rol-le der Pflanzen in den Festen und Gebeten Israels.



Der tiefe und vielfältige Bezug der Hebräer zur Pflanzenwelt hat in der Bibel seinen Ausdruck gefunden. In den biblischen Büchern werden ins-gesamt 110 Pflanzenarten erwähnt. Eine Vielzahl von Riten und Geset-zesweisungen beziehen sich auf den Anbau, die Pflege und Ernte von Kulturpflanzen. Die sozialen Strukturen, der Lebensunterhalt und das häusliche Leben wurden fast ausschließlich von der Landwirtschaft be-stimmt, deswegen werden die Arbeiten der Bauern und Gärtner oft be-schrieben.



Erschaffung der Pflanzenwelt. Der dritte Tag in der Schöpfungserzäh-lung ist der Erschaffung der Pflanzenwelt gewidmet. „Da sprach Gott: Das Land lasse junges Grün wachsen, alle Arten von Pflanzen, die Samen tragen, und von Bäumen, die auf der Erde Früchte bringen mit ihren Sa-men darin. So geschah es. Das Land brachte junges Grün hervor, alle Ar-ten von Pflanzen, die Samen tragen, alle Arten von Bäumen, die Früchte bringen mit ihren Samen darin. Gott sah, dass es gut war. Es wurde A-bend, und es wurde Morgen: dritter Tag. (Gen 1,11-13).

Dass den Menschen und den Tieren im Schöpfungsbericht ausschließlich pflanzliche Nahrung zugewiesen wird (Gen 1,29f), macht eine Zielvorstel-lung deutlich: Die Erde sollte nicht durch das Töten von Tieren zur „Fleischgewinnung“ in ein Haus des Todes verwandelt werden.

Diese „Utopie“ einer bloß vegetarischen Ernährung der Menschen und Tiere am Anfang der Schöpfung wird zum Bild des Friedens, den die Menschen schaffen sollen, und der zugleich ganz Geschenk Gottes ist (siehe Jes 11,6-8; vgl. Gen 9,1-7).

Die Verbindung mit der Pflanzenwelt fand ihren starken Ausdruck in der zeitlichen Festlegung der drei großen jüdischen Feste, die sich an be-stimmten Ereignissen im Ablauf des landwirtschaftlichen Lebens orien-tierten.



Mazzenfest im Frühjahr. Pascha, das „Fest des ungesäuerten Brotes“ entspricht unserem Osterfest, das im Pascha, das Jesu gefeiert hat, ver-wurzelt ist.  Ein ursprünglich bäuerliches Fest wird mit dem Urdatum der Volkwerdung Israels, dem Auszug aus Ägypten, verbunden. Die Men-schen danken für die Ernte des Frühjahrsgetreides. Die ersten Garben der Gerste (omer) werden als Opfer dargebracht (Lev 23,10).

Das ohne Sauerteig gebackene Brot, die Frucht des Ackers, entspricht einem bäuerlichen Brauch. Das Lamm, das geopfert und im Familienkreis verzehrt wird, hat im Hirtenleben Tradition. Beim Fest wird das Pascha-lamm zusammen mit ungesäuertem Brot und bitteren Kräutern gegessen. Es symbolisiert Gottes Schutz und Sorge für sein Volk. Die bitteren Kräu-ter erinnern an Leid und Unterdrückung in Ägypten.

Während des ganzen Paschafestes dürfen nur ungesäuerte Brote gegessen werden in Erinnerung an die Eile des Aufbruches, die keine Zeit mehr ließ, richtiges Brot zu backen.

In den ältesten Texten wird das im Frühling stattfindende, das erste der drei Wallfahrtsfeste, „Mazzenfest“ genannt (Ex 23,14; Dtn 16,16).



Erntefeier mit Erstlingsgaben. Zum „Wochenfest“ (Pfingsten) werden die Erstlinge aller Früchte (bikurim) Gott geopfert (vgl. Dtn 26,2). Mit der Weizenernte hat der Sommer begonnen. Im Alten Testament werden Gerste und Weizen als Getreidearten erwähnt. Der Weizen ist die spätere der beiden Sorten. Wenn im folgenden Text zur Festzeitbestimmung vom Anlegen der Sichel an den Halm die Rede ist, dann ist damit wahrschein-lich die Gerstenernte gemeint. Von dieser sollen sieben Wochen bis zum „Wochenfest“ gezählt werden. „Du sollst sieben Wochen zählen. Wenn man die Sichel an den Halm legt, sollst du beginnen, die sieben Wochen zu zählen. Danach sollst du JHWH, deinem Gott, das Wochenfest feiern und dabei eine freiwillige Gabe darbringen, die du danach bemisst, wie JHWH, dein Gott, dich gesegnet hat. Du sollst vor JHWH, deinem Gott, fröhlich sein, du, dein Sohn und deine Tochter, dein Sklave und deine Sklavin, auch die Leviten... und die Fremden, Waisen und Witwen, die in deiner Mitte leben. Du sollst fröhlich sein an der Stätte, die der Herr, dein Gott, auserwählt, indem er dort seinen Namen wohnen lässt. Denk daran: Du bist in Ägypten Sklave gewesen ...“ (Dtn 16,9-12).

Während die anderen Wallfahrtsfeste mit heilsgeschichtlichen Ereignissen verbunden werden, ist für das Wochenfest kein ausdrücklicher Bezug zur Geschichte überliefert. Erst in frühjüdischer Zeit wird das Wochenfest mit der Sinaioffenbarung – der Gabe der Tora – in Verbindung gebracht. In dieser späteren Sinndeutung zielt der Auszug (Pascha) auf das Sinai-Ereignis ab. Der Bundesschluss aufgrund der Gebote (Tora) wird im über-tragenen Sinn zur Erntegabe, die dem Volk Israel Nahrung und Lebens-grundlage gibt. Somit gilt, dass das Wochenfest in biblischer Zeit am in-tensivsten mit der bäuerlichen Erlebniswelt verbunden war.

 

In dem Bekenntnis, das der Israelit bei der Darbringung der Erstlingsga-ben seiner Ernte ablegt, werden die Gaben des Landes zum Anlass, für die (geschichtliche!) Gabe des Landes zu danken. „Dann soll der Priester den Korb aus deiner Hand entgegennehmen und ihn vor den Altar des Herrn, deines Gottes, stellen. Du aber sollst vor dem Herrn, deinem Gott, folgendes Bekenntnis ablegen“ (Dtn 26,4f)…

Es beginnt mit dem aramäischen Vater Jakob, berichtet vom Aufenthalt und der Volkwerdung in Ägypten, von Versklavung und Notschrei und der Rettung Israels durch JHWH. Befreiung und Auszug werden vollendet in der Landgabe.



Das Laubhüttenfest. Wenn der Jahreskreis von Aussaat und Ernte im Herbst sich schließt, zum Abschluss der Obst-, Oliven- und Weinernte, wird das „Hüttenfest“, „Sukkot“, gefeiert. Der Name „Hüttenfest“, so das wörtliche Verständnis von „Sukkot“, bezieht sich wahrscheinlich auf den Brauch, während der Lese in Weinbergen und Olivenhainen zu übernach-ten, wozu eben Hütten notwendig waren. Den Menschen, die zur Arbeit auf dem Felde blieben oder den Wächterdienst versahen, waren diese Hütten Schattenspender und einfache Unterkünfte. In manchen Weinge-genden ist es auch bei uns Brauch geblieben, in Holzhütten zu rasten, zu essen und Werkzeuge aufzubewahren.

Das Hüttenfest mit einer Dauer von acht Tagen ist ein Fest für JHWH, der sein Volk zur Freude auffordert. Auf die harte Arbeit in der Landwirt-schaft folgt das Vergnügen. Diese Freude ist für das Deuteronomium Sinn dieses Festes.

Es soll aber auch die Erinnerung an jene Zeit wach halten, als die Israeli-ten auf dem Weg in das Gelobte Land während der Wüstenwanderung in armseligen Unterkünften gewohnt haben. Es ist vorgeschrieben, „vier Pflanzenarten“ zu sammeln, die Gott zum Zeichen des Dankes für die Fruchtbarkeit des Landes dargebracht werden: „Am ersten Tag nehmt schöne Baumfrüchte, Palmwedel, Zweige von dicht belaubten Bäumen und von Bachweiden, und seid sieben Tage lang vor dem Herrn, eurem Gott, fröhlich! Feiert dieses Fest zu Ehre des Herrn jährlich sieben Tage lang!“ (Lev 23,40f).



Palmzweig und Zitrone. In nachbiblischer Zeit haben die Israeliten, so-weit es möglich war, auch in der Diaspora diesen Festbrauch beobachtet. Die Tradition hat für den Feststrauß folgende Weisungen gegeben: Er be-steht aus dem Lulav (Palmzweig), dem Etrog (Zitrusfrucht), aus drei Myr-tenzweige (Hadassim) und zwei Bachweidenruten (Arawot).

Der Feststrauß mit den „vier Arten“ symbolisiert die verschiedenen Vege-tationen im biblischen Israel. Der Palmzweig kommt von einem tropi-schen Gewächs. Zitrusfrüchte werden in Obstgärten kultiviert. Die Myr-tenzweige gehören zu den Duft- und Heilkräutern. Die Weidenruten die-nen einer praktischen Nutzung, wie zum Feuermachen und Körbeflechten.



Früchte des verheißenen Landes. JHWH führt Israel in ein Land, das bereits Kulturland ist. Es übernimmt die kulturellen Reichtümer des Lan-des, die es nicht selbst geschaffen hat, Städte, die es nicht gebaut hat, ausgehauene Zisternen, Weinberge und Ölbäume, die es nicht gepflanzt hat...(vgl. Dtn 6,10f). Formelhaft finden wir immer wieder die Charakte-ristik des Landes, in dem „Milch und Honig fließen“ (z.B. Dtn 11,9). Die Produkte, die man aus den reifen Früchten der Dattelpalme herstellte, wurden „Honig“ genannt.

Eine weitere Landbeschreibung gibt Gott seinem auf dem Wüstenweg ziehenden Volk. In dieser Ankündigung, die den Israeliten wie ein Traum vorgekommen sein mag, werden die „sieben Kulturpflanzen“ des Verhei-ßenen Landes aufgezählt, die in der jüdischen Tradition charakteristisch für das Land sind: „Wenn der Herr, dein Gott, dich in ein prächtiges Land führt,… ein Land mit Weizen und Gerste, mit Weinstock, Feigenbaum und Granatapfelbäumen, ein Land mit Ölbaum und Honig (=Dattelpalme), ein Land, in dem du nicht armselig dein Brot essen musst…“  (Dtn 8,7f).



Lehen von Gott. Der Gott Israels ist nicht mit den Fruchtbarkeitsgotthei-ten der Nachbarvölker zu vergleichen. Sein Wirken ist ein Walten in der Geschichte. Das Volk Israel verdankt ihm die Führung in das Gelobte Land, in dem es feiern und Gott für die Erntefülle danken kann.

Der Friede und der unangefochtene Genusses der irdischen Güter, der Segen, den Gott seinem Volk schenkt, falls es in Treue zu ihm ausharrt, wird in einem Bild des kultivierten Landes veranschaulicht: Sie werden unter dem eigenen Weinstock und dem eigenen Feigenbaum sitzen und deren Früchte genießen (vgl. 1 Kön 5,5; Jes 36,16; Jer 5,17; 1 Makk 14,12).

Israel ist mit dem Land verbunden, die Menschen sind aber nicht Eigen-tümer des Landes. Es ist ihnen als Lehen von Gott übergeben worden.  Die landwirtschaftlichen Gesetze, die sich auf die Armenfürsorge bezie-hen, sind ein Ausdruck des Wissens darum, dass der Israelit nicht Eigen-tümer des Landes ist, das er bewirtschaftet.

Fremde, Witwen und Waisen haben das Recht auf Nachlese bei der Ge-treideernte, und ebenso bei der Einbringung von Oliven und Weintrauben (vgl. Dtn 24,19-22).

Andere, eher ökologische Vorschriften verboten die Ernte von Früchten in den ersten drei Jahren nach der Pflanzung. Das siebente Jahr galt auch als „Sabbatjahr“ für den Ackerboden. Aussaat und Ernte waren verboten. Das Land sollte „Erholung“ finden, und sein natürlicher Ertrag stand den Armen zur Verfügung.



 

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016