Weltverschönerer - oder Fassadenbehübscher?

28. November 2003 | von

Der österreichische Maler und Architekt Friedensreich Hundertwasser war davon überzeugt, dass Kunst den Menschen und damit die Welt besser macht. Seine konkrete Konsequenz: Häuser, die in ihren organischen Formen und begrünten Flächen die Natur integrieren und mit ihren bunt-verspielten Fassaden die Menschen faszinieren.         
 
Friedensreich Hundertwasser ist wohl einer der bekanntesten aber auch der umstrittensten österreichischen Künstler. Als streitbarer Weltverschönerer, Painter-King und Ökoprophet hat er immer wieder für Aufsehen und Aufregung gesorgt. Die internationale Breitenwirkung, die er mit seinen Projekten erzielt hat, bescherte ihm aber auch innerhalb der Künstler – und vor allem der Architekturszene – Kritiker.

Anfänge des Autodidakten. Friedrich Stowasser wird 1928 in Wien geboren. Er überlebt mit seiner jüdischen Mutter den Zweiten Weltkrieg unter äußerst schwierigen Bedingungen. Seine Freude am künstlerischen Schaffen entdeckt er als 15-Jähriger 1943. Im gleichen Jahr werden 69 jüdische Familienangehörige mütterlicherseits deportiert und ermordet.
Die Ausbildung von Hundertwasser nach Abschluss des Gymnasiums beschränkt sich auf einen dreimonatigen Besuch der Akademie der bildenden Künste in Wien im Jahr 1948. Der Künstler ist praktisch Autodidakt. Er beginnt zu malen und nimmt den Künstlernamen Hundertwasser an. Reisen nach Marokko, Tunis, Paris und in die Toscana bringen die entscheidenden Einflüsse und Erlebnisse für sein darauf folgendes künstlerisches Schaffen. In Paris setzt er sich intensiv mit Klee und Schiele auseinander. In Wien wird Hundertwasser 1951 Mitglied des “Art Club“, in dem er auch seine erste Ausstellung hat. In seinem Frühschaffen dominieren dekorativ-abstrakte Formen.

Linie ist des Teufels. Seine erste Spirale malt er 1953. Sie wird zu Hundertwassers Markenzeichen und entspricht ganz seiner künstlerischen Aussage: Der Künstler wird nicht müde gegen die “gerade Linie“, seiner Meinung nach das “Werkzeug des Teufels“, anzukämpfen. Seine Ablehnung gegen Gleichmäßigkeiten geht so weit, dass er ständig zwei verschiedene Socken trägt. Es folgen erste Ausstellungen seiner Arbeiten in Tokio, Hongkong, Kapstadt, Pretoria, Rio de Janeiro, Brasilia, Sao Paulo und Caracas.
Sein berühmt gewordenes “Verschimmelungsmanifest“ wider den Rationalismus in der Architektur erscheint 1959. Er verteufelt darin die “gerade Linie“ und alle Gleichmäßigkeiten, weil sie wider die Natur sind. Im gleichen Jahr übernimmt er eine Gastdozentur in Hamburg, legt diese aber wieder nieder, da es wegen der Bemalung der Atelierwände mit einer “endlosen Spirale“ zum Eklat kommt. Es folgen zahlreiche Aktionen, die für Aufsehen sorgen: Die Nacktrede in München anno 1967. Die Nacktrede in Wien anno 1968. Hier verliest er das Architektur-Boykott-Manifest: Los von Loos. Mitte der 90er Jahre wird der Künstler zum vehementen Gegner des EU-Beitritts Österreichs.

Weltverschönerer wird weltbekannt.  1981 bekommt er den großen österreichischen Staatspreis verliehen. Aus diesem Anlass plädiert der Künstler für eine “Kultur ohne Kernkraft“ und wettert gegen eine “entartete“ zeitgenössische Kunst und deren “Mafia“, der er die Aufgabe des Künstlers, diese “Welt zu verbessern, zu verschönern“ entgegenstellt. Zu dieser Zeit ist er bereits weltbekannt, anerkannt und ein bedeutender Selbstvermarkter. Trotz seiner aggressiven Rundumschläge wird er zum Leiter der Meisterschule für Malerei an die Akademie der Bildenden Künste in Wien berufen.
Ein Haus, das nicht den üblichen Normen traditioneller Architektur entspricht ist das “kunterbunte“ Hundertwasserhaus. 1985 wird der im Auftrag der Gemeinde Wien nach Plänen des Künstlers geschaffene Wohnbau den Mietern übergeben. Am “Tag der offenen Tür“ erscheinen 70.000 Besucher. Der Öko-Bau mit seinem üppig begrünten Dach, seiner bunten geschwungenen Fassade, Goldtürmchen und acht verschiedenen Fenstertypen beherbergt 50 Wohnungen. Das Hundertwasser-Museum wird 1991 im “Kunst Haus Wien“ eröffnet. Hier kann man einen Blick auf die Schaffensbereiche des Künstlers werfen: Malerei, Grafik, Tapisserien, Architekturmodelle. Im Shop des Kunsthauses findet man alle möglichen (und unmöglichen) “Hundertwasser-Artikel“, von der Telefonwertkarte bis zum Poster, von der Briefmarke bis zum Puzzle...
Beide Häuser sind zu einer nicht wegzudenkenden Touristenattraktion in Wien geworden. Von Architekturkritikern werden sie aber auch heftig angefeindet. Man nennt sie eine “kunstgewerbliche Paraphrase auf Antonio Gaudis vegetabilen Jugendstil“ und Hundertwasser ist in ihren Augen bloß ein “Dekormaler und Fassadenbehübscher“.

Ökohäuser mit Goldkuppeln. Manche von Hundertwassers biologischen Ansätzen scheitern bereits an den Materialien. Als erbitterter Gegner des Betons ist er selbst nicht ohne Stahlbeton ausgekommen, und so manches in der Innenausstattung ist nicht konsequent umweltgerecht. Trotzdem darf man seine Vorreiterrolle in der Ökobewegung nicht zu gering achten. Hundertwasser hat sich bereits Anfang der 70er Jahre für Dachbewaldung und individuelle Fassadengestaltung eingesetzt, in einer Zeit, als die Grünen-Bewegung gerade erst im Entstehen war.
Auf Einladung des Bürgermeisters von Wien, Dr. Helmut Zilk, übernimmt er 1988 die Planung und den Entwurf zur architektonischen und künstlerischen Gestaltung des Fernwärmewerks Spittelau in Wien. Für seine Kritiker ist dieses Projekt ein besonderes Beispiel bloßer “Oberflächenkunst“. Während gerade heiß über die Dioxinemission diskutiert wurde, stülpt Hundertwasser dem Schlot der Müllverbrennungsanlage eine goldene Kugel über und siedelt Schafe am Dach an. Letztlich hat die Gemeinde Wien aber doch bessere Filtersysteme eingebaut.

Ort der Andacht. 1987 gestaltet er die Pfarrkirche St. Barbara in Bärnbach, Steiermark, um – er arbeitet um “Gotteslohn“. Für den Maler und Architekten ist Kunst an sich  “etwas Religiöses, ein Platz der Andacht, ein Ort der Erbauung, des Friedens...  Kunst muss wertvoll sein und Werte aufbauen und nicht Werte zerstören“, so betont er in seinem Manifest von 1981. Schließlich solle sie dem Menschen helfen, den richtigen Weg wieder zu finden.
Friedensreich Hundertwasser starb am 19. Februar 2000 im Alter von 71 an Herzversagen. Er wird auf eigenen Wunsch auf seinem Landgut in Neuseeland im “Garten der glücklichen Toten“ in Harmonie mit der Natur unter einem Baum begraben.
Sein Kollege und Freund, der Maler Ernst Fuchs, schrieb in einem Nachruf auf Hundertwasser: “Dies war in Kürze seine Weltanschauung: Zurück zu den Wurzeln – zum schöpferischen Wesen, von der Kindheit her.“

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016