Weltweit in aller Munde
Der gewöhnliche Mensch lebt heute leichter, bequemer und sicherer als früher der Mächtigste. Was schert es ihn, daß er nicht reicher ist als andere, wenn die Welt es ist und ihm Straßen, Eisenbahnen, Hotels, Telegraph, körperliche Sicherheit und Aspirin zur Verfügung stellt. So schrieb der spanische Philosoph José Ortega Y Gasset in seinem Werk Aufstand der Massen. Zu diesem Zeitpunkt war Aspirin noch nicht einmal 35 Jahre alt und nur ein Bruchteil der Wirkungsweise der Acetylsalicilsäure bekannt. Jahrhundertpharmakon. Das Aspirin ist ein Jahrhundertpharmakon im wörtlichen Sinne. Denn 1997 beziehungsweise 1999 wird Aspirin tatsächlich einhundert Jahre alt. Es gibt eine einfache Erklärung für diese beiden Daten; einmal die Geburtsstunde und zum andern die Taufe. Im Oktober 1897 beschrieb der junge Chemiker Felix Hoffmann von den Pharmakologischen Laboratorien der Farbenfabriken Bayer und Co in Elberfeld, daß es ihm gelungen war, Acetylsalicilsäure in chemisch reiner und haltbarer Form herzustellen, die Geburtsstunde. Ein Wirkstoff aus der Natur. Vorläufer der Acetylsalicilsäure war die Salicilsäure, gewonnen aus der Weidenrinde, die erst 1928 als Salicin und etwas später als Salicilsäure, ein weißes Pulver, extrahiert werden konnte. Es handelte sich um eine ziemlich bitter schmeckende Substanz, in konzentrierter Form kaum genießbar. Außerdem reizte sie bei der Einnahme die Schleimhäute des Verdauungstraktes, was dort schon nach kurzer Einnahmedauer zu erheblichen Verätzungen führte. Allrounder unter den Arzneien. Über 60 Jahre blieb Aspirin ein Schmerzmittel für Alltagsbeschwerden wie Kopfschmerzen, Kater und fieberhaften Erkrankungen. Es wurde eingesetzt, ohne daß man genau wußte, was dieser Wirkstoff im Körper bewirken konnte. Die Hauptsache war, daß eine Besserung im Gesundheitszustand des Kranken eintrat. Gegen Herzinfarkt. Durch Forschungen konnte man den Einfluß der Acetylsalicilsäure auf die Blutgerinnung feststellen. Schlaganfall, Herzinfarkt oder eine Thrombose entstehen, wenn bestimmte Bestandteile des Blutes zusammenkleben und so einen Blutklumpen bilden, der wiederum Blutgefäße verstopft. Acetylsalicilsäure verhindert das Verklumpen der Blutblättchen. Bei Einnahme beachten. Da Aspirin und andere acetylsalicilsäurehaltigen Präparate in der Apotheke frei verkäuflich sind, suggeriert das bei vielen Menschen, sie könnten sie ohne Bedenken einnehmen. Doch es gibt keine Wirkung ohne Nebenwirkung und eine Reihe von Gegenanzeigen. Auf den meisten Medikamentenpackungen findet sich die Aufschrift kühl und trocken lagern. Das gilt besonders für Acetylsalicilsäure. Die Substanz wird schon bei normaler Luftfeuchtigkeit nach kurzer Zeit wirkungslos. Deshalb wird Acetylsalicilsäure am häufigsten in Form von Tabletten oder Brausetabletten angeboten. Brausetabletten sind wesentlich besser verträglich. Eine bereits im Wasser aufgelöste Substanz passiert übrigens schneller den Magen und kann im Dünndarm schneller ins Blut gelangen und zur Wirkung kommen, als eine Tablette. Außerdem sind in den relativ großen Brausetabletten mehr säureausgleichende Stoffe beigemischt. Dadurch wird die Aggressivität der Substanz gemildert. Rekordträchtige Geschichte. Vermutlich wird sich das Wirkungsspektrum der Acetylsalicilsäure auf Bereiche ausdehnen, von denen wir heute noch keine Ahnung haben. Die faszinierende und rekordträchtige Geschichte des Aspirins ist noch längst nicht zu Ende geschrieben. |