Wiens goldener Maler
Auftragskünstler, Porträtist, Freskenmaler – vielschichtig und einzigartig eröffnet sich das Wirken Gustav Klimts. Er führte die österreichische Kunst in eine goldene Periode und gilt als Wegbereiter der Wiener Moderne. Zu seinem 150. Geburtstag am 14. Juli ehren zehn Wiener Museen ihren bedeutenden Künstler in verschiedenen Sonderausstellungen.
„Der Kuss“ ist es, der Gustav Klimt bis in die kleinsten Winkel der Welt bekannt machte. Millionenfach reproduziert, glänzt ein sich in goldener Ornamentik auflösendes Liebespaar von Postern, Grußkarten, Kalendern und vielem mehr. Seine massentaugliche Vermarktung nährt die Kritik: verkitscht, kommerzialisiert und dekadent sei er, der Klimt. Doch werden die Vorwürfe dem Künstler nicht gerecht. Dieser Tage bekommt der Besucher in Wien nicht nur den genannten Kuss zu sehen, anlässlich des 150. Geburtstages des Meisters will das Belvedere sämtliche Gemälde auf ganz neue Weise präsentieren. Die Albertina stellt indes seine zeichnerische Größe zur Schau und im Leopold Museum liegt der Fokus auf der Privatperson. Mit der umfangreichsten Sammlung wirbt das Wien Museum: Radikal alles, heißt es hier, werde gezeigt. Bis 16. September 2012 kann sich das Publikum auf eine Bilderreise durch die facettenreiche Palette eines Künstlerlebens machen.
Gustav Klimt, das ist heute unumstritten, ist der bedeutende Wegbereiter der Wiener Moderne. Die Basis all seines Schaffens lieferte eine solide Ausbildung an der Kunstgewerbeschule Wien, auf die er sein handwerkliches Können zurückführt, wo er die genaue Wiedergabe der menschlichen Anatomie studiert und sein Wissen über kunstgeschichtliche Epochen vertieft.
TRADITIONELL VERWURZELT
Gustav, der am 14. Juli 1862 in Baumgarten bei Wien als zweites von sieben Kindern geboren wird, fällt bald als begabter Schüler auf. Gleich drei Söhne des aus Böhmen immigrierten Goldschmiedes und Graveurs Ernst Klimt und seiner Frau Anna werden dort ausgebildet. Gemeinsam mit dem jüngeren Bruder Ernst d. J. und dem Klassenkameraden Franz Matsch bildet Gustav noch während der Studienzeit eine Ateliergemeinschaft und Künstler-Compagnie. Die Bauwut der Gründerzeit spielt auch in die Malerhände der drei Newcomer. Ganz im Historismus der Ringstraße verhaftet, der Prachtallee Wiens, deren noble Häuserfronten den Stil einer Ära prägten, beginnen sie ihre Karrieren als Auftragsmaler. Doch mit dem Tod des Bruders 1892 zieht Gustav Klimt sich zurück, bricht das Arbeitsverhältnis mit Matsch und befreit sich aus der Enge der akademischen Tradition. Als Gründungsmitglied der Wiener Secession 1897 strebt er nach neuen künstlerischen Wegen.
KLIMT UND DIE FRAUEN
Heute zählen Klimts Werke zu den teuersten der Welt. Das „Bildnis Adele Bloch-Bauer I“ von 1907 ging 2006 für 135 Millionen Dollar über den Auktionstisch. Eine bewegte Geschichte lag da hinter dem Porträt der jüdischen Ehefrau des Zuckerfabrikanten Ferdinand Bloch. Nach dessen Enteignung durch die Nationalsozialisten kaufte die Österreichische Galerie das Gemälde noch in Kriegszeiten an. Dort verblieb es, bis 2005 der rechtmäßigen Erbin das einstige Raubgut endlich zurückerstattet wurde. So nahmen die Österreicher Abschied von ihrer Jugendstil-Ikone, der „Goldenen Adele“, dem Hauptwerk der goldenen Periode Gustav Klimts, die jetzt in der Neuen Galerie in Manhattan zu bewundern ist. Noble Blässe zeichnet den Teint der Dame, entsprechend prachtvoll ihre Robe, denn die großzügige Verwendung von Blattgold und -silber lassen keinen Zweifel an ihrer vermögenden Herkunft. Mosaikähnlich und flächenhaft steht die ausgeprägte Ornamentik eigenständig im Bild – typische Merkmale des klimtschen Stils, ebenso wie das weibliche Motiv. „Ich interessiere mich nicht für die eigene Person als ‚Gegenstand eines Bildes‘, eher für andere Menschen, vor allem weibliche, noch mehr jedoch für andere Erscheinungen“, sagt er selbst. In außergewöhnlich starken Darstellungen, die nach peniblen Studien der Perspektive und Position am Modell entstehen, erhebt er die Frauen in königliche Sphären. Zugleich durchziehen unzählige lasziv erotische Darstellungen sein Werk, mit denen er stets Aufsehen erregt. Malerisch und auch sonst gilt Klimts Hingabe dem anderen Geschlecht; die Bilanz seines umtriebigen Lebens: 14 uneheliche Kinder, dazu viele Affären. Eine lebenslange Liaison (er starb am 6. Februar 1918 in Wien) führt er mit der Modeschöpferin Emilie Flöge.
WORTKARG UND AUSDRUCKSSTARK
Zur Schönheit der Frau kommt die Schönheit der Natur. Farbenprächtig webt er Landschaftsteppiche auf die Leinwand und sucht Anreize in der Kunst Ostasiens. Entsprechend verbinden sich dekorative Elemente und organische Formen, mal perspektivisch, mal flächig bildet der Maler ein neues Raumgefüge. Sein emsiges Streben nach dem Gesamtkunstwerk präsentiert sich auch in groß angelegten Bilderzyklen. So erstreckt sich das Beethovenfries von 1902 über drei Wände des Ausstellungshauses der Wiener Secession. Die allegorisch aufgeladenen Darstellungen zu Kunst und Leben sind kompositorisch auf die Architektur abgestimmt. Der Künstler spielt dabei gekonnt mit Illusion und Realität, lässt seine Werke pendeln zwischen akademischem Realismus und avantgardistischer Abstraktion. Entgegen der aussagestarken Oeuvres gibt sich Klimt selbst meist reserviert. Worte seien nicht sein Metier, konstatiert er und erklärt: „Wer über mich – als Künstler, (…) – etwas wissen will, der soll meine Bilder aufmerksam betrachten und daraus zu erkennen suchen, was ich bin und was ich will.“