Wir sind keine Revolutionäre!
Der „Synodale Weg“ beschäftigt die Kirche in Deutschland. Ende Januar trafen sich die Delegierten zum ersten Mal in Frankfurt. Über zwei Jahre ist der Gesprächsprozess angelegt, der vor allem der Aufarbeitung von Fragen dienen soll, die sich im Herbst 2018 nach der Veröffentlichung der MHG-Studie über sexuellen Missbrauch in der Kirche ergeben haben. Erzbischof Dr. Ludwig Schick aus Bamberg hat an der Versammlung teilgenommen. Mit freundlicher Genehmigung der italienischen Zeitung „Avvenire“ und der Pressestelle des Erzbistums Bamberg veröffentlichen wir hier ein Interview mit Erzbischof Schick.
Exzellenz, was ist der Synodale Weg, den die deutsche katholische Kirche begonnen hat?
In Deutschland, und vielleicht auch in anderen Ländern Europas und in anderen Teilen der ganzen Welt spüren wir und nehmen wir eine Krise wahr. Als Bischöfe und Laien haben wir entschieden, diesen Synodalen Weg zu unternehmen, um aus dieser Krise herauszukommen. Die einzige Überzeugung von allen ist die, dass es eine Krise gibt, dann beginnen auch die Unterschiede.
Welche?
Die Grunddifferenz besteht darin, welche die Gründe der Krise sind. Einige sagen, dass die Wurzel der Krise im Inneren der Kirche liegt: der Zölibat, die Nichtzulassung von Frauen zum Diakonat und zum Priestertum, der Skandal der sexuellen und finanziellen Missbräuche. Andere hingegen sagen: nein. Die Gründe sind die Säkularisation, der Konsumismus, der Individualismus, die Wissenschaften, die unsere Lehre in Zweifel ziehen. Sie verteidigen und halten fest, dass daher eine neue Evangelisation notwendig sei, eine neue Art, das Evangelium zu verkünden, ein neuer Dialog mit der Welt der Wissenschaften und vielleicht eine veränderte Form der Kirche, aber im traditionellen Sinn, wobei die Strukturen, die es gibt, verbessert werden müssen. Die anderen dagegen meinen, um aus der Krise herauszukommen, sei eine neue Form der Kirche einzuführen, mit zum Beispiel dem Priestertum der Frau, der Demokratie in der Leitung der Kirche mit mehr Kontrolle der Macht der Priester. Es gibt dann noch mehr kleinere Schattierungen in den Positionen, aber im Prinzip sind es diese zwei dominierenden, die unterschiedliche Lösungen vorschlagen. Im Augenblick weiß ich nicht, wie wir aus dieser Situation herauskommen können. Ich hoffe und bete, dass diese zwei Parteien einen gemeinsamen Weg suchen und finden, der alle so zufriedenstellt, dass wir aus der Krise herauskommen und vorangehen können, mit dem Evangelium, den Sakramenten, mit unserer Kirche zur Ehre Gottes und zum Heil der Menschen.
Nach diesen zwei Tagen, welche sind die positiven Aspekte und welche die mehr kritischen, die festzustellen sind?
Die fundamentalen Fragen sind bisher noch nicht berührt. Wir haben über Verfahrensfragen debattiert und für die Foren der Diskussionen abgestimmt. Aber die wirkliche und eigentliche Arbeit ist noch nicht begonnen. Das Risiko ist, dass es noch mehr Auseinanderdriften und mehr Frustration gibt. Wenn diese beiden Parteien nicht einen gemeinsamen Sinn finden und jeder fest in seiner eigenen Überzeugung bleibt.
Einige dieser Fragen, die am meisten debattiert werden, wie Zölibat und das Frauenpriestertum, sind Angelegenheiten, die die universale Kirche betreffen. Wie geht man mit dieser Tatsache um?
Im Statut des Synodalen Weges ist beschrieben, dass die Mitglieder der Vollversammlung Entscheidungen treffen können, aber diese Entscheidungen sind nur „Voten“, die an die Diözesanbischöfe gehen, die dann die Kompetenz der Entscheidung in ihrem eigenen Bistum haben. Wenn es sich um Voten über Argumente handelt, die die ganze Kirche betreffen, dann gehen sie an den Papst und er muss entscheiden.
In seiner Intervention hat der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, bekräftigt, dass es Dinge geben kann, die der Papst nicht allein entscheiden kann, sondern die in einem Konzil behandelt werden müssen.
Das ist wahr, aber der Papst kann entscheiden, auch ohne ein Konzil, nach dem Kirchenrecht. Aber normalerweise, wenn es sich um Dinge handelt, die die ganze Kirche betreffen, beruft der Papst ein Konzil ein.
Halten Sie das heute für einen praktikablen Weg?
Es ist sehr schwierig, weil es viele Bischöfe gibt, mehr als 6.000. Und dann wollen einige ein Konzil mit der Anwesenheit von Laien. Es ist wahr, dass die Art, die Konzile zu halten, sich im Laufe der Geschichte geändert hat. Es ist schwierig, sich ein neues Konzil vorzustellen, wie wir es im Ersten Vatikanum und im Zweiten Vatikanum hatten, wo nur Bischöfe Mitglieder waren. Die Idee, das Konzil mit einer Teilnahme der Laien zu erweitern, ist noch viel schwieriger. Um auf den Synodalen Weg zurückzukommen, hoffe und bete ich, dass der Heilige Geist uns hilft und uns eint, um einen gemeinsamen Weg zu finden, der vielleicht nicht alle vollständig zufriedenstellt, aber der von allen akzeptiert werden kann, um miteinander voranzugehen. Im Hinblick auf die Voten, die es geben wird, hoffe ich, dass die deutschen Bischöfe sich zusammenfinden, um dann gemeinsam zu entscheiden, und nicht jeder für sich selbst.
Vor dieser Zusammenkunft gab es einen, der eine „Revolution“ in der deutschen Kirche vorhersagte mit dem Risiko der Spaltung…
Ich habe nicht den Eindruck, dass die Teilnehmer an dieser Vollversammlung Revolutionäre sind. Sie suchen einen Weg für die Kirche für die Zukunft. Alle wollen die Kirche verbessern, um dieser Herausforderung zu begegnen. Dieser Eindruck und diese Überzeugung geben mir das Vertrauen, dass es am Ende kein Schisma geben wird. Manchmal, um die Wahrheit zu sagen, fürchte ich es, aber dann kommt wieder von neuem die Hoffnung.