Zum Apostel berufen

23. Mai 2008

Wenn wir der Selbstdarstellung des Paulus folgen, wird Damaskus die erste Heimat dieses neuen Christen. Streng genommen ist der dreijährige Aufenthalt in der arabischen Wüste seine erste Missionstätigkeit. Unter Arabien müssen wir das Gebiet südlich von Damaskus und östlich des Jordan bis hinunter zum Golf von Aqaba verstehen.

Mitarbeiter des Barnabas. Etwa vierzehn Jahre wirkt er missionarisch in seiner Heimatstadt Tarsus und der dazugehörigen römischen Provinz Syrien mit der Hauptstadt Antiochia. Es ist Barnabas, der Paulus aus seiner Heimatstadt Tarsus in die blühende christliche Gemeinde von Antiochia holt. Barnabas ist ein Levit aus Zypern (Apg 4,36). Er wird als trefflicher Mann geschildert, erfüllt von heiligem Geist und Glauben (Apg 11,24). „Mit Paulus hatte sich Barnabas einen Mitarbeiter auserkoren, von dem er sich mit Recht tatkräftige Unterstützung für die programmatische Heidenmission in Antiochia erhoffen konnte. Umgekehrt bot sich für Paulus, der bis dahin gänzlich auf sich gestellt und mit vermutlich eher bescheidenem Erfolg in der Arabia wie in Syrien und Kilikien missioniert hatte, mit dem Ruf nach Antiochia die Chance, nunmehr unter günstigeren Rahmenbedingungen der Berufung zum Heidenapostel nachzukommen" (B. Kollmann, Joseph Barnabas, Stuttgart 1998, 35 f).

Nach einer ersten Missionsreise nach Zypern und ins südliche Klein-asien (Perge, Antiochia in Pisidien, Ikonium, Lystra, Derbe und den gleichen Weg zurück) in den Jahren 37 bis 48 ist er wieder zurück in Antiochia und geht von da mit Barnabas zum Apostelkonzil nach Jerusalem. Das Drängen des Paulus brachte die junge Kirche dazu, die geistigen und räumlichen Grenzen zu sprengen und das Wurzelland Israel, dessen Mentalität sie prägte und in dem sie theologisch zu Hause war, zu verlassen und die Heidenmission voranzutreiben.

Missionsstrategie. Die zweite Missionsreise, in deren erster Phase sich Paulus von seinem früheren Förderer Barnabas trennte, führte ihn nach Galatien in Kleinasien und dann um das Jahr 50 in die Städte Philippi und Thessaloniki und durch Griechenland nach Korinth, wo er sich etwa in den Jahren 50 bis 52 aufhielt. Zuvor hatte Paulus auf dem Areopag in Athen die Predigt vom unbekannten Gott gehalten, die zu den bedeutendsten Ereignissen seiner Missionsreisen zählt (Apg 17, 22-31). Die dritte Missionsreise wird in der Regel auf die Jahre 52 bis 56 datiert. Sie führte wieder nach Klein-asien mit einem Gefängnisaufenthalt in Ephesus, durch Mazedonien und nach Korinth (Apg 18,23 - 21,17).

Paulus betreibt schwerpunktmäßig Heidenmission; er knüpft aber bei seinen jüdischen Glaubensbrüdern Erstkontakte. Die Missionare gehen in die Synagoge oder an einen anderen Versammlungsort und verkünden mit Texten der Heiligen Schrift ihren Jesusglauben. Das löst Begeisterung oder Entrüstung aus; man nimmt den Missionar und seine Mitarbeiter herzlich auf oder verweist sie aus der Stadt. Zuvor kommt es zur Anklage vor dem Magistrat der Stadt, zu einer Züchtigung oder Kerkerhaft, je nach Einfluss der jüdischen Kläger. Neben den Juden besteht der größere Rest der religiösen Menschheit aus Nichtjuden, das heißt Heiden. Unter ihnen ragen die Gottesfürchtigen hervor, die von der jüdischen Religion fasziniert sind und am Sabbat in die Synagoge gehen.
Diese Menschen hören bereitwillig die Verkündigung des Paulus, vor allem von der Freiheit aus dem Evangelium Jesu Christi. Meist sind es einige Wochen oder Monate, die der Apostel in einer Gemeinde verbringt, bevor er weiterzieht. Seinen Lebensunterhalt verdiente er als Zeltmacher.

Geschriebenes Wort. Die Städte Korinth und Ephesus sind für die Missionsstrategie des Paulus wichtig, weil er hier seine Briefe verfasst. In Korinth schreibt er den Tessalonicher- und Römerbrief, in Ephesus den Galater-, Philipper- und Philemonbrief sowie große Teile der beiden Korintherbriefe. Diese Briefe sollen die persönliche Anwesenheit des Paulus ersetzen. Sie sind manchmal sogar eine bessere Form der Kommunikation mit starker Wirkkraft. Durch diese wird eine Distanz gewahrt, wo sich junge Gemeinden selbst entwickeln müssen, ohne dass sie ganz auf Zuspruch und Rat zu verzichten brauchen. Auch bei delikaten Konflikten ist das geschriebene Wort hilfreich. „Deswegen schreibe ich das alles aus der Ferne, um nicht, wenn ich zu euch komme, Strenge gebrauchen zu müssen"
(2 Kor 13,10). Übrigens antworten auch die örtlichen Gemeinden dem Apostel schriftlich (1 Kor 7,1).

Die zweite und dritte Missionsreise gelten vornehmlich der pastoralen Nachsorge. Paulus verkündet erneut das Evangelium, pflegt Kontakte und besucht junge Gemeinden: „Wir wollen wieder aufbrechen und sehen, wie es den Brüdern in all den Städten geht, in denen wir das Wort des Herrn verkündet haben. So wurden die Gemeinden im Glauben gestärkt und wuchsen von Tag zu Tag" (Apg 15,36; 16,5). Zu den Mitarbeitern des Apostels bei dieser zweiten Reise gehört Silas beziehungsweise Silvanus, aus der Jerusalemer Gemeinde. In Lystra gewann Paulus den Timotheus. Er wird später der wichtigste Mann auf der dritten Missionsreise werden. Zahlreiche Mitarbeiter begleiteten den Apostel. Insgesamt nennt er selbst vierzig Personen, darunter zehn Frauen. Nimmt man die Apostelgeschichte und die Pastoralbriefe hinzu, so erscheinen dort noch zwei weitere Frauen.

Helfer und Helferinnen. Demnach finden wir in seinem Umkreis zwölf Mitarbeiterinnen. Einige begleiteten die Reisen, andere leiteten Hausgemeinden, die ihn bei seiner Ankunft oder seinen städtischen Aufenthalten unterstützten. Im ersten Korintherbrief (9,5) stellt Paulus die Frage: „Haben wir nicht das Recht, eine gläubige Frau mitzunehmen, wie die übrigen Apostel und die Brüder des Herrn und wie Kephas?" Da in der Antike gemischtgeschlechtliche Gruppen nicht die Regel waren, will er auf die neue Möglichkeit der Teamarbeit und die missionarische Funktion der Frauen aufmerksam machen. Zu den berühmtesten in seiner Umgebung gehören Priska und Thekla. Die Missionsreisen führten Paulus durch die ganze damals bekannte Welt: nach Syrien, Griechenland, Italien, vielleicht sogar nach Spanien. Bei einem Tumult im Tempel von Jerusalem wurde er im Jahr 57 gefangen genommen. Nach einer Haft in Cäsarea am Meer und seiner Appellation an den Kaiser kam er nach Rom, wo er trotz Gefangenschaft offenbar recht frei wirken konnte und starb.

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016