Vor dem Ansturm
Sydney zählt zu den schönsten Städten der Welt. Die mit etwa 3,7 Millionen Bewohnern größte Stadt Australiens wird fälschlicherweise oft für die australische Hauptstadt gehalten. Aber mit diesem Titel darf sich Canberra schmücken. Als zu Beginn des 20. Jahrhunderts auf dem fünften Kontinent eine Hauptstadt gesucht wurde, konnten sich die beiden Bewerber Sydney und Melbourne nicht einigen. Schließlich fand man einen Kompromiss und baute die Stadt Canberra, die zwischen beiden Kontrahenten liegt, zur Hauptstadt aus. Sydney darf man aber zumindest mit einigem Recht als „heimliche Hauptstadt" bezeichnen.
Absolutes Muss. Erste Besiedlungsspuren reichen 40.000 Jahre zurück. Damals lebten einige Tausend Abori-gines aus drei Stämmen auf diesem Gelände. Erst 1770 entdeckte James Cook das, was wir heute als Sydney bezeichnen. Wenige Jahre später errichtete man dort eine Strafkolonie, mit verheerenden Folgen für die einheimische Bevölkerung, die durch eingeschleppte Krankheiten nahezu ausgelöscht wurde. Vom Beginn des 19. Jahrhunderts an entwickelte sich aus der ehemaligen Strafkolonie eine bis heute stetig wachsende Stadt, die spätestens seit dem Goldrausch 1851 als kultureller und wirtschaftlicher Mittelpunkt Australiens bezeichnet werden kann.
Für Australien-Touristen – zu denen inzwischen besonders viele Jugendliche gehören, die mit einem „Working Holiday Visa" teilweise arbeiten und teilweise das Land bereisen können – ist der Besuch von Sydney ein absolutes Muss. Weltbekannt und seit 2007 von der Unesco zum Weltkulturerbe erklärt, ist das Sydney Opera House, das Wahrzeichen der Stadt. Unter den 233 Vorschlägen, die 1957 eingereicht wurden, konnte sich der dänische Architekt Jørn Oberg Utzon (* 1918) mit seinem Entwurf, der an Schiffssegel erinnert, durchsetzen.
Viel Sehenswertes. Seine Idee erwies sich in der Ausführung jedoch als äußerst kompliziert, die Baukosten explodierten von ursprünglich geplanten 7 Millionen auf 102 Millionen Dollar und der Fertigstellungstermin musste von 1965 auf 1973 verschoben werden. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Architekt das Projekt aber schon verlassen: Aus Wut über angemahnte Kosteneinsparungen resignierte er 1966 und setzte nie wieder seinen Fuß auf australischen Boden (mittlerweile hat er wieder eine etwas versöhnlichere Haltung eingenommen). Aus heutiger Sicht ist das Opernhaus mit seiner markanten Architektur ein Glücksfall für die Stadt: Neben zahlreichen Touristen, die das Kunstwerk von außen bestaunen, locken jährlich etwa 2.600 Veranstaltungen Musik- und Theaterinteressierte ins Innere der Oper. In Sichtweite befindet sich ein weiteres Wahrzeichen: Die Harbour Bridge. An der Brücke, die heute von täglich etwa 161.000 Fahrzeugen benutzt wird, wurde von 1924 bis 1932 gebaut. Für das regelmäßig nötige Anstreichen der Stahlbrücke werden etwa 30.000 Liter Farbe verbraucht. Touristen mit dickem Geldbeutel und starken Nerven können seit 1998 im Rahmen eines Bridge Climb die Brücke besteigen und von dort den Blick auf den Hafen Sydneys genießen.
In der Innenstadt sind zahlreiche Museen zu besichtigen; auch eine Fahrt auf den AMP Tower, einen Aussichtsturm, lohnt sich. Viele Cafés und Restaurants lassen keine kulinarischen Sehnsüchte offen. Und eines der schönsten Dinge: In weniger als einer Stunde ist man per Bus oder Fähre am Strand. Besonders beliebt sind die beiden Strände Bondi und Manly. Wer lieber wandert, fährt zwei Stunden und befindet sich in den Blue Mountains, die zum Weltnaturerbe erklärt wurden. Nicht unerwähnt bleiben darf natürlich das Olympia-Zentrum, in dem die Olympischen Sommerspiele im Jahr 2000 stattgefunden haben.
Australien als klassisches Einwanderungsland weist auch einige deutsche Spuren auf. Zahlreiche Clubs laden Nostalgiker aus Deutschland, Österreich und der Schweiz ein, dort bei Kaffee, einem Abendessen oder am Spielautomat Landsleute zu treffen. Bayerisches Ambiente wird tagaus, tagein im Löwenbräu-Keller geboten, und wem das nicht reicht, der muss auch auf sein Oktoberfest nicht verzichten. Gewöhnungsbedürftig für den Europäer ist jedoch das „verschobene" Klima: Weihnachten am Strand und Silvester bei Höchsttemperaturen.
Erste Vorboten. Neben den genannten leiblichen werden auch die spirituellen Bedürfnisse bedient. Die deutsche Bischofskonferenz schickt seit vielen Jahrzehnten einen Priester für die Seelsorge in den zwei pulsierenden deutschsprachigen katholischen Gemeinden nach Sydney. Seit fast zehn Jahren wirkt dort Pfarrer Peter Lang aus der Diözese Regensburg als Seelsorger. Die meisten seiner Pfarrkinder sind Auswanderer aus den 50-er, 60-er Jahren; aber zunehmend kommen auch junge Familien, die entweder nach Australien ausgewandert sind oder für einige Zeit in Sydney arbeiten. Und gerade für die Mitglieder der deutschsprachigen katholischen Gemeinden wird der 23. Weltjugendtag, der vom 15. bis 20. Juli 2008 in Sydney stattfinden soll, ein besonderes Ereignis sein. Dort rechnet man fest mit der Teilnahme des „deutschen" Papstes. Benedikt XVI. hatte Sydney als nächsten Veranstaltungsort für den Weltjugendtag während des Abschlussgottesdienstes des letzten derartigen Treffens in Köln bekannt gegeben. Für das Treffen, das unter dem Motto „Ihr werdet die Kraft des Heiligen Geistes empfangen, der auf euch herabkommen wird; und ihr werdet meine Zeugen sein!" (Apg 1,8)
steht, werden zwischen 200.000 und 300.000 Dauerteilnehmer erwartet. Um die hohen Reisekosten etwas abzufedern, sammeln viele Gemeinden schon seit Monaten Spenden und legen Sonderkonten an. Zu den ersten Vorboten gehört das Weltjugendtagskreuz, das am 1. Juli 2007 australischen Boden erreichte und seitdem durch die 28 Diözesen Australiens reist. Der streitbare Mel Gibson wird seine „Passion Christi" übrigens entgegen zeitweiliger Gerüchte nicht inszenieren; statt dessen wurde mit Franco Cavarra ein Priester mit dieser Aufgabe betraut, der reiche Erfahrung als ehemaliger Opern-Regisseur und Kunst-Dozent mitbringt.
Empfangt die Kraft. Höhepunkt des Weltjugendtags wird die Abschlussmesse sein. Sie soll auf der Pferderennbahn Royal Randwick Racecourse gefeiert werden, die Platz und Transportmöglichkeiten für die erwarteten Pilger bietet und schon bei anderen Großveranstaltungen Gastgeber war, wie bei der Seligsprechung von Mary MacKillop, Australiens einziger Seligen, durch Papst Johannes Paul II. im Jahr 1995. Weitere Informationen zum Weltjugendtag, Informationen zu Anreise und Programm findet man im Internet auf der Seite www.wyd2008.org. Dort kann man auch der offiziellen Weltjugendtagshymne „Receive the power" (Empfangt die Kraft) lauschen, die übrigens von Guy Sebastian, dem ersten Australian Idol Gewinner (entspricht in etwa Deutschland sucht den Superstar) gesungen wird. Sydney ist auf alle Fälle eine Reise wert, und im Zusammenhang mit dem Weltjugendtag wird die Stadt wohl vor allem für jugendliche Besucher zu einem unvergesslichen Erlebnis. Doch Australien hat noch einiges mehr zu bieten, deshalb sollte man sich schon ein wenig Zeit nehmen (und leider nicht wenig Geld). Für die vielen, die den Weltjugendtag nicht live erleben können, gibt es hoffentlich eine gute Fernsehübertragung.