Ende der Eiszeit zwischen Moskau und Rom?
Ein Ende der Eiszeit? In den letzten Jahren stellte sich diese Frage immer dann, wenn sich die Beziehung zwischen der russisch-orthodoxen und der katholischen Kirche in Russland zu verändern schien. Die jüngsten Schritte von Patriarchat und Vatikan bewegen sich aufeinander zu.
Es ist die Nacht vom 6. auf den 7. Ja-nuar 2008. Weihnachten in Moskau! In der wiedererbauten russisch-orthodoxen und so besonders prächtig ausgestatteten Erlöserkathedrale an der Metrostation „Kropotkinskaia" geht der feierliche Gottesdienst mit dem Patriarchen Alexei II. zu Ende.
Revolutionäre Schritte. Auch Erzbischof Antonio Mennini, der Vertreter des Heiligen Stuhls bei der Russischen Föderation, und Monsignore Paolo Pezzi, der neue Erzbischof der Erzdiözese Moskau, befinden sich in der großen Kirche, um dem Patriarchen die Glückwünsche des Heiligen Vaters zu überbringen. Am nächsten Tag treffe ich den Nuntius, und er erzählt von diesem Moment: „Am Ende des Gottesdienstes, als die Gläubigen das Kreuz in der Hand des Patriarchen küssten, mit dem er kurz zuvor die Anwesenden gesegnet hatte, hat er uns ein Zeichen gemacht, sich ihm zu nähern." Auch die beiden katholischen Würdenträger beugten sich über das Kreuz, und dann stellte Mennini dem Patriarchen den im Dezember geweihten neuen Erzbischof Pezzi vor. „Alexei II. hat ihm sofort gesagt, dass die Christen der Region von Moskau ihrer gemeinsamen pastoralen Sorge anvertraut seien. Dies sei ein Grund dafür, sich bald zu treffen, um zusammen pastorale Pläne auszuarbeiten."
Gespiegelt auf dem Hintergrund meiner 16 Jahre ökumenischer Kontakte in Russland schien mir dies eine wahre Revolution! Und in der ausländischen Presse las ich zwei Tage später, dass der Vorschlag des Patriarchen als aufrichtige Einladung gewertet werden darf, in der russischen Gesellschaft gemeinsam für die christlichen Werte Zeugnis ablegen zu wollen. Hier werde der Geist der Zusammenarbeit und des Strebens nach Einheit deutlich.
Eine neue Epoche? Schnell hatte sich daraufhin die Nachricht verbreitet, dass der Patriarch sich mit Benedikt XVI. treffen möchte. „Dies scheint mir eine etwas übereilte Interpretation dieses Momentes zu sein", erwidert Mennini, „aber ich könnte mir vorstellen, dass es wirklich eines Tages so weit sein wird." Zumindest habe der Patriarch in der Weihnachtsnacht zu ihm gesagt: „Überbringen Sie dem Heiligen Vater unsere besten Wünsche, unsere Wertschätzung und unsere brüderliche Verbundenheit." Anschließend habe sich die versammelte Gemeinde erhoben und ein feierliches Lied angestimmt, um ihrer Zustimmung Ausdruck zu geben.
Wer weiß, wie es nun im Dialog zwischen Katholiken und Orthodoxen weitergehen wird? Mennini versucht, auf meine Frage zu antworten und ist zuversichtlich: „Erinnern Sie sich, wie am Vorabend der Bischofsweihe von Monsignore Pezzi Metropolit Kyrill verlauten ließ, dass die Weihe des neuen Erzbischofs auch ein Geschenk für die gesamte orthodoxe Kirche sei?" Er wolle ja nicht zu euphorisch sein, fügt der Nuntius mit gewohntem diplomatischem Geschick hinzu, aber hier sei doch ein „Trend" zu erkennen, der sich nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis Raum schaffen werde.
Keine Liebe, kein Glück! „Und dann, Beatriz", fährt der Nuntius fort, „denken Sie einmal an das letzte Treffen unserer orthodox-katholischen Kommission. Es war in diesen Jahren oft alles andere als einfach, über die verschiedenen Probleme zwischen unseren beiden Kirchen zu sprechen."
Ja, in der Tat erinnere ich mich dabei besonders daran, als es um die Heime für obdachlose Kinder unter der Führung katholischer Priester und Ordensschwestern ging, denen der Vorwurf des Proselytismus gemacht wurde. „Aber", so führt Mennini aus, „bei dem Treffen der Kommission im Dezember konnte man ahnen, dass vielleicht nun eine neue Zeit beginnt, in der Fragen offen angegangen werden können, ohne gleich ein Missverständnis oder einen Bruch befürchten zu müssen."
Mennini beschließt unser Gespräch: „Alexei II. bringt jetzt konkret eine Richtlinie zum Ausdruck, die bereits in den vergangenen Monaten Gegenstand der Unterredungen zwischen Papst Benedikt XVI. und dem Metropoliten Kyrill waren." Die Annäherung der beiden Kirchen ginge aus der Weihnachtsbotschaft des Patriarchen hervor, die dem Thema der Familie gewidmet ist. Zu Hause lese ich die Ansprache von
Alexei II., in der er daran erinnert, dass das Jahr 2008 in Russland zum „Jahr der Familie" erklärt worden sei. Er findet deutliche Worte gegen Scheidung, Abtreibung, Gewinnsucht und Luststeigerung, die Hauptgeißeln der heutigen Gesellschaft. Vor allem junge Menschen müssen einfache, ewige Wahrheiten wieder entdecken. „Wo keine Liebe ist, keine gegenseitige Verantwortung, keine Bereitschaft, sein Leben denen zu schenken, die man liebt, dort gibt es weder Glück noch Fülle des Seins."
Einig über Familie. Papst Benedikt XVI. hat in seiner Neujahrspredigt 2008 die Familie als „Hauptagentur für den Frieden" bezeichnet, als „Wiege des Lebens und der Liebe und die erste und unersetzbare Erzieherin für den Frieden". So sind sich offensichtlich beide Kirchen in ihrem Streben nach einem christlichen Wertewandel in Familie und Gesellschaft einig. Ist dies das beginnende Ende der Eiszeit? Wird es uns gelingen, immer wieder vor allem das Gemeinsame zu suchen und die Unterschiedlichkeiten an die zweite Stelle zu setzen? Das Jahr 2008 wird zeigen, ob wir einen Schritt auf die Einheit zumachen können!
Beatriz Lauenroth