Von Gottes Liebe überwältigt

17. Dezember 2008 | von

 Im ‚Sonnengesang’ gipfelt alles, was Franziskus war und was er für unser eigenes Leben sein will. In seiner neuen Serie spürt unser Autor nach, welche Gefühle und Intentionen der Poverello hineingelegt hat in jeden Vers seines Lobliedes auf Gott. 


„Was einer ist, was einer war, beim Scheiden wird es offenbar." Schon viele Menschen haben ihr Lebensmaterial in dieses Dichterwort hineingehoben, einer davon ist auch Franz von Assisi. Beim Scheiden sang er ein Lied, sang er dieses Lied Höchster, allmächtiger, guter Herr!



Wir könnten es schon anstimmen in einem Gefühl gehobener Lebenslust, irgendwie in einem besonderen Augenblick, wie auf einem Gipfel. Bei Franziskus aber hat dieses Lied den sogenannten „Sitz im Leben" ganz woanders. Franziskus formt solche Worte und gibt ihnen Melodie dazu, als es ihm denkbar schlecht ergeht: Er ist krank und voller Schmerz am ganzen Körper, er ist traurig, wenn er auf seine Brüder und deren Weg schaut. Haben sie wirklich ihn und sein Anliegen je verstanden? Und dann noch so ein Lied, in solcher Stunde, in solcher Verfassung! Offenbar wird, wes Geistes Kind er ist. Franziskus hat gelernt, Lieder zu singen, das gehört zu seinem Naturell. Seit Jahren hat er einen neuen Grund für sein Lebenslied gefunden, weil er ja auch einen neuen Adressaten seiner Minne gefunden hat – den Herrn. Wie längst schon gelernt, bindet Franziskus auch jetzt alle seine Kontakte mit der Welt an seinen geliebten Herrn. Er singt und kann noch singen, wo und wann uns Menschen das Singen sonst vergeht. Im Singen übersteigt er das Widerfahrnis Welt und Zeit.



Er singt: Höchster, allmächtiger, guter Herr, dein sind das Lob, die Herrlichkeit und Ehre und jeglicher Segen.



Dir allein, Höchster, gebühren sie, und kein Mensch ist würdig, dich zu nennen.



(Dem ursprünglichen Text inhaltlich nachempfunden und zum Singen eingerichtet nach der Melodie GL 300):



Gelobt sei Gott – so groß, so mächtig, / Gelobt ‚ Mein Alles’ – du, mein Herr. / Dir ziemen Ehre, Lob und Preisung. / Kein andres Wort fasst deine Art.



AN GOTT GERATEN



Von wo kommt dieser Franziskus her, da er sich so von dieser Weltzeit verabschieden kann? Dass er aus Assisi kommt, ist keine klärende Auskunft; auch bringt nicht weiter der Hinweis, von wem er abstammt. Romano Guardini schrieb einmal: „Vom Menschen weiß nur, wer von Gott weiß." Franziskus ist in Gott hineingefallen wie in das „Nackende Schwert der Gottheit" (ein Wort aus den Hymnen von Gertrud v. Le Fort). Kein Wunder, dass er zeitlebens von Gottes Liebe überwältigt und verwundet ist und später dann auch stigmatisiert leben muss, oder darf. Dieser Franziskus ist unser Franziskus nur von Gott her. Franziskus antwortet dir und mir und uns allen, so wir danach fragen: „Ich bin an Gott geraten."



Das ist alles. Das ist die ganze Wahrheit. „Ich bin an Gott geraten." Ich, Bruder Franz, ich konnte plötzlich nicht mehr nachplappern, was die Leute sagen und auch ich immer früher so gut sagen konnte. Ich konnte nicht mehr sagen: Es gibt Gott. Jetzt weiß ich es: ‚Es gibt Gott’ ist wie ein Fragezeichen, ähnlich den schlauen Allerweltsweisheiten, die überall so herumliegen. Irgendwas Höheres muss es schon geben. Dieses „es gibt" würde ihn einreihen in die Serie alles dessen, was nur ist in der Weise der Gewordenheit. Unter solchen Fragezeichen kann man zwar flanieren und bummeln gehen, aber nicht leben. Wer leben will, und leben wollte ich immer und leidenschaftlich, ja gierig, der braucht eine Handvoll Gewissheiten: „Gott ist." So ist ER mir nicht geblieben das äußerste Gegenüber meiner selbst, sondern ist geworden „Mein Gott und mein Alles". Ich verstehe mich und meinen Weg nur noch aus Gott, meinem Herrn. So habe ich nicht dieses und jenes und alles Mögliche erfahren, sondern ich habe Sinn ausfindig gemacht und gespürt. Ich sage euch, weil ich es weiß: „Gott anzuhangen ist mein Glück, drum halt ich fest am Herrn." Da muss ich einfach jubeln, was denn sonst? Ich würde ja am Jubel ersticken, dürfte er nicht ins Wort und in die Tonleiter. Ich juble mein Leben ihm zu: „Höchster, allmächtiger, guter Herr. Dir allein, Höchster, gebührt Lobpreis, kein Mensch ist würdig, dich zu nennen."



 

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016