Kirchliche Medienarbeit

16. November 2011 | von

Duc in altum! – „Fahr weit hinaus!“ befiehlt Jesus dem verzagten Petrus, der die ganze Nacht vergeblich gefischt und am Tag miterlebt hatte, wie erfolgreich Jesus einer ganzen Volksmenge predigte (vgl. Lukas-Evangelium 5,4). Der selige Papst Johannes Paul II. hat der Kirche dieses Wort Jesu über das 3. Jahrtausend geschrieben. Unser Autor, präsent und engagiert in den Medien, gibt einen kritischen Einblick in diese Welt der Kommunikationsmittel und macht mit konkreten Vorschlägen Mut zum Schritt auf diese Bühne.



Über 240 Minuten am Tag verbringen Bundesbürger täglich vor dem Fernseher. Mit Einzug des Internet in nun fast alle bundesdeutschen Haushalte hat sich diese Zeit nicht verringert. Über 90 zusätzliche Minuten am Tag werden nun durchschnittlich auch noch mit diesem Medium verbracht. Wochenzeitungen wie DIE ZEIT oder die FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG vermelden steigende Auflagen. Natürlich gibt es auch Verlierer an Reichweite und Auflage. Insgesamt lässt sich aber sagen: In Deutschland haben gut gemachte Medien eine reale Chance auf dem Markt.

Wer das Medien-Engagement von Katholiken sucht, findet deren Medien zunächst auf der Verliererseite im Medienangebot für die Gesellschaft. Um durchschnittlich 35.000 Exemplare pro Jahr ist im vergangenen Jahrzehnt die Auflage der 24 katholischen Bistumszeitungen geschrumpft. 22 Millionen Katholiken steht eine verkaufte Auflage von insgesamt 700.000 Exemplaren der Kirchenzeitung gegenüber.





BESTANDAUFNAHME KATHOLISCHER MEDIEN

Wenn das so weitergeht, wird es rein rechnerisch in 20 Jahren keine Bistumszeitungen mehr geben, vorausgesetzt, sie werden weiter geführt werden als ein Medium, das sich durch Abonnenten finanzieren muss. Die katholischen Ordensgemeinschaften führen über 20 verschiedene Titel, darunter auch den Sendboten, den Sie gerade lesen, hinzu kommen viele Missionszeitschriften. Die Auflagen der Titel sinken, abgesehen von wenigen Ausnahmen, kontinuierlich. Die Leserschaft wird älter, neue Abonnenten sind schwer zu gewinnen. Viele Redaktionen sind ratlos. Für eine wirklich neue Initiative fehlt es an Geld. Oder an Mut, sich mit anderen zusammenzutun.

Für die Radio- und Fernsehlandschaft gibt es zu berichten, dass es natürlich die Rundfunk- und Fernsehbeauftragten gibt, die im Rahmen der Rundfunk- und Fernsehstaatsverträge rechtlich sichere Programmplätze mit Inhalten bedienen. Die Morgenandacht, das Wort zum Sonntag, redaktionelle Magazin-sendungen, all das hat seinen historisch gewachsenen Platz in der deutschen Medienlandschaft. Die Kirche als katholische und evangelische Wortmeldung des Evangeliums erreicht auf diesem Weg täglich Millionen von Menschen. Viele tun darin in Treue einen Verkündigungsdienst, der auch jene erreicht, die sich nicht (mehr) einer Kirche zugehörig fühlen. Allerdings: Ob man für Deutschland wirklich dreißig verschiedene Morgenandachten braucht, halte ich für fragwürdig. Es reden viele mit, die der Kirche sagen, was ins Programm passt und was nicht. Ohne jemandem Unrecht tun zu wollen: In den meisten Beiträgen wird nur „Milch“ (1 Kor 3,2) gegeben, die feste Speise vertiefender Glaubensverkündigung kann aufgrund redaktioneller Vorgaben nicht gereicht werden.



PFARRBRIEF, SCHAUKASTEN, TELEFON

Wer von Medien spricht, muss auch die Pfarrbriefe nennen, das oft übersehene Medium kirchlicher Kommunikation. Manche haben es zu einer bemerkenswerten Professionalität gebracht. Eine verlässliche Statistik, wie viele wöchentlich, monatlich oder dreimonatlich oder jährlich davon gedruckt werden, ist mir nicht bekannt. Leider sind die Pfarrbriefe oft nicht mehr als eine Stichwortsammlung, die sich an Insider richtet. Vielen merkt man an, dass sie nicht mit der Aufmerksamkeit erstellt sind, auch Kinder, Enkel oder andere im Haushalt mitlebende Personen anzusprechen.

Zu den Medien gehört auch der Schaukasten von Gemeinden und Klöstern. Sie werden nur selten regelmäßig und kreativ gestaltet. Vergilbte Plakate wellen sich darin. Einfache A-4-Blätter werden lieblos nebeneinander gehängt. Sollten Sie vorbildlich betreute Schaukästen kennen, weisen Sie mich darauf hin!

Unerwarteterweise nenne ich als weiteres Medium hier auch das Telefon (darauf komme ich weiter unten noch zu sprechen). Die Telefonseelsorge arbeitet mit diesem Medium seit Jahrzehnten sehr erfolgreich. Wer schon mal in einem Kloster oder in einem Pfarramt angerufen hat, wird mir zustimmen, dass man nicht sehr oft erfährt, was professionelle Handhabung dieses Mediums meint: Freundlich in der Begrüßung, sich deutlich melden mit dem eigenen Namen, geduldig und aufmerksam in der Aufnahme des Anliegens sein – so wirkt Kirche über dieses Erstkontaktmedium persönlich und wirksam in die Gesellschaft hinein: Gute Erfahrungen im Erstkontakt werden gerne weitererzählt.



ÜBERSCHÄTZTES INTERNET

Seit etwa 1995 hat das Internet als Kommunikationsmittel Einzug gehalten in Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur und Kirche. Die Möglichkeiten der Vernetzung sind „Legion“ (vgl. Lk 8,30). Diese biblische Anspielung wähle ich bewusst, weil die Möglichkeiten dieses Mediums weitgehend überschätzt werden, wenn es um die Erreichung einer Vielzahl von Menschen geht, wie es Massenmedien eigen ist. Das Internet ist kein Massenmedium. Vielmehr geht von ihm die verführerische Illusion aus, man könne mit dem Erstellen einer Internetseite die Welt bewegen. Selbstverständlich stelle ich nicht in Abrede, dass es erfolgreiche Internetprojekte gibt. Junge Menschen informieren sich fast nur noch über diesen Weg politisch, religiös und vor allem über ihren privaten Freundeskreis. Die weltweite Vernetzung ermöglicht es, z.B. Menschenrechtsverletzungen sekundenschnell in ein Netzwerk einzuspeisen. Dennoch muss man nüchtern feststellen, vor allem für den kirchlichen Raum, dass die Investitionen, die in Bistümern, Gemeinden oder Orden getätigt wurden, in einem sehr ungünstigen Verhältnis stehen zu den Ergebnissen. Die Nutzung hängt vom Thema ab, das von den Nutzern gesucht wird. Die verschiedenen religiösen Internet-Seiten erreichen vor allem kritisch mit ihrer Kirche verbundene Katholiken. Die vielfältigen kirchlichen Internetangebote nutzt aber nur etwa ein Prozent der Katholiken regelmäßig.

Nach dieser Vorbemerkung sei auf das älteste katholische Internet-Angebot, die Internetseite www.kath.de hingewiesen. Sie entstand wie so Vieles im Internet aufgrund einer Privat-initiative, die dann allerdings nicht vom Verband der Diözesen Deutschlands übernommen wurde, dem Geldgeber für nationale Kirchenprojekte als Finanzzusammenschluss der 27 deutschen Bistümer. Stattdessen hat man lieber www.katholisch.de aus der Taufe gehoben und in diesem Jahr noch verstärkt. Viele sind gespannt, ob sich die Rieseninvestition auszahlen wird.

Natürlich haben auch die Bistümer ihre eigene Internetseite. Und die Orden. Wer sie besucht, ist fasziniert von der Vielfalt, und gleichzeitig erschrocken, wie wenig die Seiten etwas Verbindendes haben, etwa an Farbe oder Logo oder in einer anderen Form. Viele Seiten sind Selbstdarstellungen, denen man ansieht, dass sie vor allem den Kirchenoberen oder Ordensoberen gefallen sollen. Sie atmen den Geist der Pfarrbriefe, den ich weiter oben schon angedeutet habe. Wenn dort zur Kommunikation eingeladen wird, zu Mitteilungen und Kommentaren, ist es oft nur sehr eingeschränkt möglich, weil man zum einen kritische Stimmen nicht auf der eigenen Seite sehen will, und zum anderen nicht das Geld hat, um einen Redakteur einzustellen, der notorische Quälgeister mit meistens unqualifizierten Äußerungen zur Räson bringt oder im Zweifelsfall auch aussperrt.



CHARISMATISCHE INITIATIVEN

Offener kommen Privatinitiativen daher, die von missionarischem Eifer erfüllt sympathisch und persönlich den vorbeisurfenden Internetnutzer ansprechen wollen. Das Wort „surfen“ (ausgesprochen wird dieses neudeutsche Wort so: sörfen) kommt übrigens aus der Seglersprache: Die Internetnutzer finden von einem Internetlink – einem Verweis auf eine andere Internetseite – zu Inhalten, die sie vorher gar nicht eingeplant hatten. Die Seite www.frischfischen.de etwa setzt auf die Kommunikation mit katholischen Medienlaien. Bei www.kath.net werden Meinungen aller Art (leider) zugelassen. www.gloria.tv bietet Diskussionsmöglichkeiten. Was immer man von der theologischen Richtung solcher Internetseiten wie der beiden letztgenannten hält: Immerhin fürchten sie nicht ihre Nutzer. Und das ist das eigentlich Anziehende.

Furchtlos war auch Kardinal Meisner, der vor zehn Jahren in Köln das www.domradio.de ins Leben rief, einen Radiosender, der mittlerweile ebenso große Reichweiten erzielt durch seine Internetpräsenz. Auch wenn vor allem jene, die sich mit mancher Äußerung des Kardinals schwertun, fürchten, er wolle damit seine eigene Meinung in die Gesellschaft hineintransportieren: Nach zehn Jahren Sendebetrieb mit einer munteren Musikmischung, Nachrichten und Kommentaren zum politischen wie auch kirchlichen Geschehen sowie online-Gottesdienstübertragungen ist der Sender etabliert. Allerdings nur im Kölner Raum. Bis heute haben es die deutschen Bistümer nicht übers Herz gebracht, diesem Sender durch entsprechende Anträge bei den Landesrundfunkanstalten zu einer deutschlandweiten Verbreitung zu verhelfen.

Ähnlich geht es Radio Horeb, einem Radiosender, den Pfarrer Dr. Richard Kocher ins Leben gerufen hat und der seit dem 1. August 2011 endlich deutschlandweit auf einer digitalen Frequenz frei empfangbar ist. Der mühsame Weg dieser privaten Initiative, der nicht wenige argwöhnisch bis ablehnend gegenüber standen, ist bewundernswert. Als katholischer Sender ist er vielen Menschen, die sich die Mühe machten, ihre Satellitenschüssel mit dem Radio zu verbinden, zu einem wichtigen Informationsmedium und einer Hilfe zur Vertiefung des eigenen Glaubens geworden.

Fernsehsender wie www.k-tv.org oder im evangelischen

Bereich www.bibel.tv sind ebenfalls auf Massenmedium hin ausgerichtete Initiativen, die aus verschiedenen Gründen aber kaum eine offizielle kirchliche Anerkennung erfahren.



KRÄFTE BÜNDELN

Solche Vielfalt in den Initiativen hat eine einfache Ursache: Die fortschreitende Medientechnik macht es immer leichter, Endprodukte zu erstellen. Ein Maximilian Kolbe musste Druckereien organisieren und Versandwege nutzen, die uns heute fragen lassen, wie er das alles bewältigt hat. Die verhältnismäßig leichte Technik legt schonungslos offen, woran es den Katholiken und der katholischen Kirche in Deutschland fehlt: An Einigkeit in der begeisterten Verkündigung des Evangeliums. Katholischen Medien muss die Selbstdarstellung der Absender suspekt sein. Sie müssen aus Liebe zu Gott und den Mitmenschen entstehen: Weil uns Armen – als Katholiken wissen wir um unser wahres Sein! – das Evangelium verkündet wurde, sind wir die Beglückten; und als solche wollen wir allen Armen das Evangelium verkünden.

Das Medienapostolat – ein Wort, das heute nur noch selten gebraucht wird – lebt von glaubensstarken Menschen, die gern draußen zeigen, was sie und ihre Mitchristen drinnen glauben. Sie stehen für eine Kirche, die mit Lust weit hinausgeht.



Eine Wunschliste

• Katholische Medien sind ein Fenster, durch das die Mitglieder der Gesellschaft gern hineinschauen. Wir müssen Adressaten-orientierter werden.

• Katholische Internetpräsenzen brauchen den Mut zum Dialog mit den Adressaten, mit denen also, die im Internet nach religiösen Inhalten suchen. Das bedeutet, Personal auch für diese Arbeit einzuteilen.

• Katholische Medien vermitteln die Glaubens- und Lebenskompetenz von Katholiken. Sie müssen in Büchern wie Zeitschriften viel mehr Ratgeber entwickeln und sich an den Bedürfnissen der Leser orientieren, ohne in esoterisches Gewäsch zu verfallen.

Für Katholiken muss anstelle der Bistumspresse ein Kundenmagazin entstehen, das mit Kirchensteuermitteln einmal im Monat die Katholiken informiert, was los ist in der Kirche. Die Bistümer können darin eine Einlage gestalten.

• Die katholischen Zeitschriften sollten nach Synergien suchen. Die franziskanischen Orden könnten da vorangehen. Sie sollten sich zusammentun, um eine große Lifestyle-Zeitschrift zu entwickeln, die den jungen Familien und Berufstätigen zwischen 30 und 50 die Hand reicht auf der Suche nach einem wertorientierten und nachhaltigen Leben.

• Wir brauchen einen katholischen Radio- und Fernsehsender in Deutschland, der es Jung und Alt ermöglicht, am Leben der Kirche und am Denken von Katholiken teilzunehmen per Fernbedienung.

• Es ist an der Zeit, ein professionelles katholisches Telefonzentrum zu schaffen. Dafür braucht es kein Gebäude, sondern nur eine schlanke Organisationsstruktur, die die vielen, denen der Glaube wichtig ist und die gern

telefonieren, in Dienst nimmt, um Erstkommu-

nioneltern, Firmlinge, Brautpaare etc. im Auftrag einer Gemeinde anzurufen.

• Wir brauchen elektronische Schaukästen: Bildschirme in der Größe von Schaukästen, die per Internet angesteuert werden können und die interaktiv durch Berührung genutzt werden können.

• Vor Ort wäre endlich von jedem Pfarrgemeinderat ein Ausschuss einzurichten, der sich umfassend um Medien kümmert. Dann würde vielleicht der Schaukasten von der Kunst-AG der örtlichen Hauptschule gestaltet werden, in einem Deutschkurs des Gymnasiums würde der Ausschuss Leserbriefschreiber finden, die im Auftrag der Gemeinde Stellung nehmen in den Medien. Und natürlich würde man jährlich einen Besuch in der Lokalredaktion der örtlichen Zeitung machen.

Bruder Paulus Terwitte. Der Kapuziner ist Vorsitzender des Katholischen Pressebundes. Darin sammelt er Menschen, die sich als katholische Laien für eine wirksame katholische Medienarbeit einsetzen. Kontakte:

www.bruderpaulus.de und www.pressebund.de.

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016