Den Tag festhalten
Die weißen Friedenstauben, die wir Brüder vom Sacro Convento am Ende des Weltfriedenstreffens zum Himmel steigen ließen, wollten gar nicht so gerne wegfliegen. Ein Symbol? Es traf die Stimmung vieler Menschen am Abend des 27. Oktober auf dem Platz vor der Basilika San Francesco. Sie wollten diesen Tag mit seinen Bildern und Worten noch ein wenig festhalten zur persönlichen Erinnerung.
Zum 25. Jahrestag des historischen Friedensgebets der christlichen Kirchen und Weltreligionen hatte Papst Benedikt XVI. nach Assisi eingeladen, in die „Stadt des Friedens“. Unter dem Motto „Pilger für die Wahrheit – Pilger für den Frieden“ waren über 300 Delegierte gekommen, so viele wie noch nie zu diesem Anlass. Papst Benedikt hat die Idee seines Vorgängers weiterentwickelt und Nichtglaubende eingeladen, die sich als Suchende nach Wahrheit und Frieden betrachten, bereit zum Dialog mit den Religionen.
SEHNSUCHT NACH LEBEN
An zwei Dinge erinnere ich mich besonders. Einmal an die Rede des Papstes beim morgendlichen Auftakt in der Basilika Santa Maria degli Angeli: Wille zur Freiheit, Suche nach Wahrheit, Absage an Gewalt in jeglicher Form, dazu das demütige Bekenntnis, dass es Gewalt gab in der christlichen Religionsgeschichte. Eigens wendet sich der Papst an die vier nichtglaubenden Intellektuellen, nimmt ihr Suchen und Ringen nach Wahrheit ernst. Dies scheint mir eines der wichtigsten Signale von „Assisi 2011“ zu sein. Da erinnere ich mich an viele Gespräche mit Besuchern in Assisi, die ja keineswegs alle praktizierende Christen sind und sich oft fragen, wie denn nun Glauben möglich sei. Der Lebens- und Glaubensweg des Franziskus fasziniert vielleicht deswegen, weil bei ihm diese Sehnsucht nach Leben und Wahrheit so deutlich wird. Ganz ehrlich, ich hätte in das Leitwort dieses Tages auch noch den Begriff der Sehnsucht aufgenommen. Sie ist die Kraft, die die Menschen vereinen kann.
FRANZISKUS VEREINT
Und dann das Schlussbild des Tages, der Papst inmitten der Delegierten auf der Piazza vor der Basilika San Francesco, „vor unserer Haustür“. Beim zweiten Friedensgebet 2002 war ein großes Zelt mit Wandverkleidungen aufgebaut worden. Jetzt wählte man wieder die deutlich einfachere Lösung. Die Teilnehmer versammelten sich auf einer schlichten Bühne, wie 1986. Aus vielen Gesprächen mit Besuchern der Basilika weiß ich, dass sich gerade dieses Bild ins Gedächtnis vieler Menschen eingeprägt hat. Auch die verwendeten Symbole waren dieselben geblieben, der Friedensgruß und das Entzünden der kleinen Friedenslampen, die jedem Teilnehmer überreicht wurden.
Die Einheit trotz aller Verschiedenheit zeigte sich, als Papst Benedikt die Krypta der Basilika aufsuchte, um am Grab des heiligen Franziskus zu beten. Den Vertretern der Konfessionen und Religionen war die Teilnahme vom Protokoll her freigestellt worden. Alle waren dort noch einmal für einen Moment des Gebetes vereint – in Stille, aber doch gemeinsam.