Als Gottesmutter blieb ihr nichts erspart
Sie ist die Gottesgebärerin, die Himmelskönigin. Ihre Verehrung hat einen festen Platz in Leben und Liturgie der Kirche, aber auch in der persönlichen Frömmigkeit vieler Christinnen und Christen. Viele Details und Erzählungen aus ihrem Leben sind in frommen Schriften überliefert; ihre Rolle in der Geschichte Gottes mit den Menschen regt die Theologie bis heute zu intensivem Nachdenken an. Doch diese theologische Karriere verdeckt manchmal den Blick auf die jüdische Frau und Mutter, deren Leben durch die spärlichen Schilderungen und Hinweise der Evangelisten hindurch schimmert. Diese biographischen Bruchstücke lassen erahnen, was es bedeuten kann, eine intensive Gottesbeziehung zu leben. Alles andere als bequem. Die erste Begegnung mit Gott beziehungsweise mit einem seiner Boten bringt das Leben der jungen Frau Maria nachhaltig durcheinander. Schien zunächst das Leben durch die Verlobung mit Josef klar vorgezeichnet, gerät durch die Verheißung des Engels und die folgenden Ereignisse alles aus dem Lot. Zwar löst diese Begegnung bei Maria Erschrecken und Fragen aus, dennoch vertraut sie sich ihrem Gott vorbehaltlos an: Ich bin die Magd des Herrn; mit mir geschehe, wie du es gesagt hast. (Lk 1,38). Schicksal einer Mutter. Die wenigen Episoden, die die Evangelien über Maria und Jesus erzählen, zeigen eine eigentümliche Beziehung. Viele Erfahrungen, die Maria mit ihrem Kind macht, viele Aussagen, die andere über ihn treffen, bleiben für sie unverständlich und beschäftigen sie zugleich. Immer wieder heißt es so oder ähnlich: Maria aber bewahrte alles, was geschehen war, in ihrem Herzen und dachte darüber nach (Lk 2,19). Kurz nach der Geburt bringt sie ihren Sohn zur rituellen Reinigung in den Tempel. Dort begegnet sie dem frommen Simeon, der voller Freude über dieses Kind Gott preist und Staunenswertes über den Knaben verkündet. Doch er weiß auch, welches Schicksal auf die Mutter dieses Gotteskindes wartet: Dir selbst aber wird ein Schwert durch die Seele dringen (Lk 2,35). Schwieriger Sohn. Maria bleiben als Mutter einige typisch anmutende familiäre Situationen nicht erspart. Die Erzählung vom zwölfjährigen Jesus im Tempel erinnert an pubertäre Verhaltensweisen: Nach dem Paschafest verläßt die Pilgerschar Jerusalem, nur Jesus bleibt, ohne daß seine Eltern es bemerken, in Jerusalem zurück. Als Maria und Josef ihren Sohn vermissen, kehren sie voller Sorge in die Hauptstadt zurück und suchen ihn. Erst nach drei Tagen finden sie ihn im Tempel, wo er ins Gespräch mit den Lehrern vertieft ist. Der Junge hat kein Verständnis für den Vorwurf seiner Mutter: Kind, wie konntest du uns das antun? Dein Vater und ich haben dich voll Angst gesucht (Lk 2,48). Nähe und Distanz. Eine Distanzierung beziehungsweise Relativierung von Familienbindungen erlebt Maria ein weiteres Mal, als sie Jesus gemeinsam mit ihren anderen Söhnen sprechen will. Den Anlaß für diesen Besuch hat Matthäus nicht überliefert, vielleicht sind es dringende Familienangelegenheiten, vielleicht wollen sie den sonderlichen Wanderprediger nach Hause holen - Jesus jedenfalls läßt sie draußen stehen und macht deutlich: … wer den Willen meines himmlischen Vaters erfüllt, der ist für mich Bruder und Schwester und Mutter (Mt 12,50). Vorbild im Glauben. Ein letztes Mal wird Maria in der Apostelgeschichte erwähnt: sie gehört zur jungen Gemeinde, die sich in Jerusalem zum Gebet versammelt (Apg 1,14). |