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29. Juli 2008 | von

 Ein sehr laut eingestellter Fernseher oder häufiges Nachfragen zum Verständnis alltäglicher Unterhaltungen sind Indizien für Schwerhörigkeit. Unser Facharzt Dr. med. Labus warnt: Wer seinen fortschreitenden Hörverlust ignoriert, kann das Hören ganz verlernen.



Grundsätzlich lassen sich zwei Arten der Schwerhörigkeit unterscheiden: Die Schallleitungsschwerhörigkeit und die Schallempfindungsschwerhörigkeit. Bei der Schallleitungsstörung kann durch operative Maßnahmen in vielen Fällen eine Beseitigung oder zumindest Besserung der Schwerhörigkeit erreicht werden.



80 Prozent verstehen. Die Schallempfindungsschwerhörigkeit kann durch eine Operation nicht behoben werden. Tritt sie plötzlich als „Hörsturz" auf, versucht man, mit Medikamenten wieder eine Besserung des Gehörs zu erreichen. Die Erfolgsaussichten einer solchen Behandlung sind jedoch sehr fraglich. Der Hörsturz tritt glücklicherweise meistens nur einseitig auf, sodass die Betroffenen mit einem „guten Ohr" weiterhören können und nicht auf eine Hörgeräteversorgung angewiesen sind. Besteht jedoch eine beiderseitige Schallempfindungsschwerhörigkeit, bleibt nur die Versorgung mit Hörgeräten. Sie ist dann notwendig, wenn die Verständlichkeit von Sprache bei normaler Lautstärke unter 80 Prozent absinkt. Diese Faustregel ergibt sich aus der Erfahrung, dass ein Mensch 80 Prozent der gesprochenen Wörter hören muss, um vollständig zu verstehen. Die fehlenden 20 Prozent können aus dem Sinnzusammenhang erschlossen und ergänzt werden. Je weiter die Hörverständlichkeit unter 80 Prozent absinkt, umso größer werden die Verständigungsschwierigkeiten der Betroffenen.



Typischerweise verschlechtert sich das Gehör nur langsam und für die meisten Menschen zunächst unmerklich. Sie selbst haben sogar das Gefühl, gut zu hören. Hier fällt meist in der Familie auf, dass Fragen öfter wiederholt oder die Betroffenen nochmals direkt und eventuell lauter angesprochen werden müssen. Auch wird häufig in der Hausgemeinschaft bemerkt, dass die Betroffenen das Radio oder Fernsehgerät sehr laut einstellen.



Verlerntes Hören. Wenn ein Mensch erst einmal feststellt, dass er immer häufiger nachfragen muss und trotzdem oft die Worte seiner Mitmenschen nicht verstanden hat, ist die Schwerhörigkeit schon erheblich fortgeschritten. Solche Patienten sind der dann nötigen Hörgeräteversorgung gegenüber auch deutlich aufgeschlossener. In den Fällen, bei denen einem subjektiv noch einigermaßen ausreichenden Gehör eine objektiv messbare, erhebliche Einschränkung des Gehörs gegenüber-steht, muss ebenfalls dringend zur Hörgeräteversorgung geraten werden. In diesen Fällen ist es wichtig, dem Patienten Sinn und Notwendigkeit einer Hörgeräteversorgung durch genaue Erläuterungen klar zu machen. Eine Hörgeräteversorgung sollte rechtzeitig erfolgen. Wird dies, aus welchen Gründen auch immer, versäumt, wird die Fähigkeit zum Verstehen des gesprochenen Wortes im Hörzentrum des Gehirns sich immer mehr zurückbilden, sodass im Extremfall zwar Geräusche noch gehört, aber Worte nicht mehr verstanden werden. Der Mensch hat sich das Hörverständnis abgewöhnt oder – vereinfacht ausgedrückt – das Hören verlernt. Typisches Beispiel hierfür ist der Patient, der angibt, dass er den Lärm sehr wohl höre und sogar auch als unangenehm laut empfinde, jedoch bei einer Unterhaltung kein Wort mehr verstehe. Besonders störend wird dies beim Gruppengespräch empfunden.



Konsequente Anwendung. Bei stark fortgeschrittener Schwerhörigkeit kommt es vor, dass eine erhöhte Sprachlautstärke nicht mehr zu einer Verbesserung der Verständlichkeit führt, sondern eher als unangenehm empfunden wird und die Verständlichkeit sogar wieder absinkt. In einem solchen Fall kann auch das beste und stärkste Hörgerät keine zusätzliche Verbesserung der Verständlichkeit mehr bringen. Unabhängig von allen oben dargelegten medizinisch-technischen Erwägungen und Begründungen für die Hörgeräteversorgung ist der durch diese erzielbare Erfolg vom schwerhörigen Menschen selbst abhängig. Nur wenn der Betroffene die Notwendigkeit der Hörgeräteversorgung akzeptiert und bereit ist, die Hörgeräte auch konsequent anzuwenden, kann eine entsprechende Verbesserung erzielt werden. Wer die Hörgeräte nur widerwillig annimmt und diese auch nur gelegentlich verwendet, wird keinen oder nur einen geringen Erfolg der Hörgeräteversorgung verspüren und sich dann natürlich in seinem Vorurteil bestätigt sehen. Von daher ist es verständlich, dass viele Menschen, bei denen eine Hörgeräteversorgung notwendig wird, auf Bekannte oder Verwandte verweisen, bei denen das Hörgerät „gar nichts bringt" und deshalb nur in der Schublade liegt.



Hörverbesserung. Dies darf allerdings nicht zu dem Fehlschluss verleiten, dass eine Hörgeräteversorgung grundsätzlich etwas Minderwertiges sei. Wesentlich ist, dass ein Betroffener die Geräte selbst ausprobiert und einen Erfolg dann am eigenen Leib bemerken kann. Sicherlich gibt es hin und wieder auch Patienten, die mit der Handhabung der Hörgeräte nicht zurecht kommen oder bei deren Anwendung keine nennenswerte Hörverbesserung empfinden. Dies kann aber bereits bei der „Anprobe" festgestellt werden, und es muss dann leider auf eine Hörgeräteverordnung verzichtet werden. In den allermeisten Fällen von Schallempfindungsschwerhörigkeit wird jedoch mit Hörgeräten eine deutliche Verbesserung der Hörleistung und auch der Sprachverständlichkeit erzielt.







 

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016