Papst Leo der Große

21. Oktober 2011 | von

Die Begegnung des Hunnenkönigs Attila mit Papst Leo dem Großen gehört zu jenen Jahrhundertereignissen, die vielen von uns aus dem Geschichtsunterricht haften geblieben sind. Doch auch theologisch und kirchenpolitisch trägt dieser Papst seinen ehrenvollen Beinamen zu Recht. Vor 1550 Jahren ist er verstorben, am 10. November 461.



Respekt einfordernd und erhaben stellte Raffael den Papst dar. In der Stanza d’Eliodoro im Papageienhof des vatikanischen Palastes malte der berühmte Renaissancekünstler die Begegnung zwischen Papst Leo I. und Hunnenkönig Attila, die 452 bei Mantua stattfand. Der Papst sitzt auf einem Schimmel und ist in vollem päpstlichen Ornat dargestellt. Gebieterisch weist er mit seiner rechten Hand den Anspruch des Hunnenkönigs zurück. Nach dem Bericht des „Liber Pontificalis“, der Chronik päpstlicher Biografien, konnte der Papst die Hunnen zur Umkehr bewegen und hat so „ganz Italien aus der Gefahr gerettet“. Vermutlich musste der Papst für den Rückzug der Hunnen ein Lösegeld zahlen. Auf dem Bild Raffaels ist es aber – einer Legende entsprechend – die Erscheinung der Apostel Petrus und Paulus, deren Drohung den Hunnenkönig umkehren lässt.



VORMARSCH DER HUNNEN

Das bekannte Bild Raffaels zeigt zwei der wichtigsten Persönlichkeiten des 5. Jahrhunderts. Auf der einen Seite der Hunnenkönig Attila. Das Volk der Hunnen, selbst von den Chinesen aus Asien vertrieben, wurde zum Schrecken der europäischen Völker. Sie vernichteten 375 das Ostgotenreich in Südrussland und lösten damit die germanische Völkerwanderung aus. Die Ostgoten zogen zunächst in die Gegend des heutigen Ungarn, die Westgoten griffen Italien an und plünderten 410 unter ihrem König Alarich Rom. Sie konnten sich aber nicht in Italien halten und zogen über Südfrankreich nach Spanien. Nachdem die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern (südöstlich von Paris) 451 den Vormarsch der Hunnen in den Westen gestoppt hatte, wandten sie sich nach Süden, eroberten Norditalien und bedrohten Rom. Von dort kam ihnen nicht der schwache weströmische Kaiser Valentinian III. entgegen, sondern der selbstbewusste Bischof von Rom, Leo I.



PRIMATSANSPRUCH

Zwar hatte die Bedeutung Roms durch die Verlegung der Kaiserresidenz nach Ravenna (402-476) gelitten, doch Leo betonte umso mehr den kirchlichen Anspruch Roms über die anderen Kirchenprovinzen, gleichsam eine religiöse Fortführung des früheren politischen Anspruchs. Auch bei der Plünderung Roms durch die Wandalen unter ihrem König Geiserich (455) konnte Leo durch sein Eingreifen wenigstens Mord und Brandschatzung verhindern.

Leo war schon in jungen Jahren nach Rom gekommen und hatte eine kirchliche Laufbahn begonnen. Der heilige Augustinus erwähnte 418 in einem Brief (ep. 191) einen Akolythen namens Leo. Gesicherter ist sein Wirken als Diakon unter seinen Vorgängern im römischen Bischofsamt, Cölestin I. und Sixtus III. Beim Tod seines unmittelbaren Vorgängers im Jahr 440 befand sich Leo in einer politischen Mission in Gallien und wurde in Abwesenheit zum Nachfolger von Papst Sixtus III. gewählt.

Leo I. wurde zum bedeutendsten Papst des 5. Jahrhunderts. Er begründete die Primatsansprüche des Bischofs von Rom mit dem Gedanken der Erbschaft. Der jeweilige Bischof von Rom erbt von Petrus dessen Aufgaben und Vollmachten, so auch ein Mehr an Vollmacht gegenüber den übrigen Bischöfen.

Im Westen des römischen Reiches hatte 445 der weströmische Kaiser diese Jurisdiktionsgewalt des römischen Bischofs über alle Provinzen anerkannt. So griff Leo in Konflikte von Ortskirchen ein (z.B. in Mauretanien, Gallien und Sizilien) und stellte die kirchliche Ordnung wieder her. Der oströmische Kaiser wie auch die Kirchen des Ostens zeigten dem Papst aber seine Grenzen auf, als sie auf dem Konzil von Chalcedon (451) im Kanon 28 beschlossen, dass der Bischofsstuhl von Konstantinopel die gleichen Vorrechte besitzt wie der Bischof von Rom.



ZWEI NATUREN IN CHRISTUS

Leo wurde schon als Diakon in große theologische Konflikte hineingezogen. Im weströmischen Teil der Kirche (Rom, Sizilien, Nordafrika) löste das Wirken des Pelagius zu Beginn des 5. Jahrhunderts einen großen Konflikt aus. Pelagius forderte zunächst ein entschiedeneres Christentum. Seiner positiven Sicht der Freiheit des Menschen und seiner moralischen Fähigkeiten stellte der heilige Augustinus aber die Ohnmacht und Verlorenheit des Menschen und seine Angewiesenheit auf die Gnade Gottes gegenüber. Augustinus konnte auf dem Konzil von Karthago (418) seine Sicht durchsetzen. Durch Julian von Aeclanum lebte der Pelagianismus im Westen weiter, so dass auch Leo ihm entschieden entgegentrat, als der Bischof von Aquileia ehemalige pelagianische Kleriker in seinen Dienst nahm.

In der Gesamtkirche war aber das Ringen um das christologische Bekenntnis trotz der Konzilien von Nizäa (325), Konstantinopel (381) und Ephesus (431) noch nicht abgeschlossen. Die Partei der Monophysiten, angeführt von dem Mönch Eutyches, bekannte nur die göttliche Natur in der Person Jesu. So nahm Papst Leo I. in einem dogmatischen Brief an Patriarch Flavian von Konstantinopel (Tomus ad Flavianum) zum Geheimnis der Menschwerdung Stellung und betonte das Vorhandensein der beiden Naturen in der einen Person Christi. Sein Brief wurde auf dem Konzil von Chalcedon (451) vorgelesen, diskutiert und angenommen. Er floss auch in das Christusbekenntnis ein, das das Konzil schließlich verabschiedete.

Seine erhaltenen Schriften (97 Predigten, 143 Briefe) zeugen  vom theologischen Denken und politischen Wirken Leos I., der bald den Beinamen „der Große“ erhielt. 

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016