Frauen geben der Entwicklung ein menschliches Antlitz
70 Prozent der Frauen und zwei Drittel der Analphabeten weltweit sind Frauen. Und dennoch: Der schwächste Teil der Menschheit trägt in sich das Potential, die Welt zu verändern. Amartya Sen, Träger des Nobelpreises für Ökonomie 1998, machte die Erfahrung, dass Frauen, wenn sie in den Produktionskreislauf eingegliedert werden, „nicht nur für sich Geld verdienen, sondern das, was sie an Status und Unabhängigkeit gewonnen haben, wieder der Gesellschaft zufließen lassen.“ Inzwischen ist diese Erkenntnis allgemein anerkannt: Die Frau ist der Schlüssel für eine menschliche Entwicklung. Besonders bewährt haben sich in der Dritten Welt Initiativen, die mit Kleinstkrediten, also mit kleinen Geldleihen, durch die Produktionskräfte angestoßen werden, arbeiten.
Bank für die Armen. Der Wirtschaftsprofessor Muhamad Yunius, auch als „Bankier der Armen“ bekannt, war der Erste, der diese Erfahrungen mit dem Mikrokredit gemacht hat, damals 1976 in Bangladesch. Die Idee mit dem Kleinstkredit kam ihm bei der Begegnung mit Sophia Kathun, einer 22-Jährigen Mutter zweier Kinder, die ihr Dasein mit der Herstellung von Hockern fristete. Um den Gegenwert von 0,03 Euro zu verdienen, musste sie eine Woche arbeiten. Dieses Missverhältnis beruhte darauf, dass der Unternehmer, der ihr das Material lieferte, ihr auch die Preise für das Endprodukt diktierte. Yunius begriff, dass es Sophia möglich gewesen wäre, mit der geradezu lächerlich kleinen Summe von 3,60 Euro dieser Sklaverei zu entkommen.
Diese Erkenntnis führte zur Gründung der Grameen-Bank, einer Genossenschaftsbank, die bis heute (die jüngsten Daten stammen von 2002) 2,4 Millionen Menschen, davon 95 Prozent Frauen, Geld im Gesamtwert von 3,4 Milliarden Dollar geliehen hat. 98 Prozent der Kredite wurden inzwischen getilgt, eine Rückzahlungsquote, von der Banken aus reichen Industrienationen nur träumen können. Von diesem Zeitpunkt an fand die Praxis des Kleinstkredits weitere Verbreitung und wurde in vielen armen Ländern der Welt eingeführt.
Diese international gewonnenen Erfahrungen bestätigen die Caritas Antoniana: Sie hat mit ihrem Konzept und ihrer Arbeit, mit der sie seit einigen Jahren Frauen und Kinder unterstützt, den richtigen Weg gewählt.
Deshalb widmet das karitative Hilfswerk der Franziskanerkonventualen der Basilika von Padua seine diesjährige Kampagne zum 13. Juni, dem Fest des heiligen Antonius, der Frauenförderung in den ärmsten Ländern. Zwei der drei Projekte, die wir mit Ihrer Hilfe unterstützen, basieren auf dem einfachen System des internationalen Mikrokredits. Sie werden in Tanzania und Eritrea durchgeführt. Die dritte Initiative soll in Burundi das schwere Los von Kriegswitwen und deren Kindern erleichtern.
TANZANIA:
„Mapato“ (Microcredit against poverty & Aids for Tanzanian opportunities, Mikrokredit gegen Armut und Aids in Tanzania) heißt auf Kiswaheli “Einkommen”. Das Wort beschreibt kurz und prägnant das Ziel des Projektes, das die Caritas Antoniana in der Erzdiözese von Dar es Salaam unterstützt: die Vergabe von kleinen Darlehen zur Existenzgründung an 1000 arme Frauen und 60 Familien, die von Aids zerstört wurden. Träger dieses Projektes ist die italienische Organisation CUAMM, Ärzte für Afrika, die seit 53 Jahren in den ärmsten Ländern Afrikas missionarisch und medizinisch tätig ist.
In Dar es Salaam engagierte sich die Caritas Antoniana bereits im vergangenen Jahr – und tut es noch immer - für ein Projekt, das die Übertragung des Aids-Virus von der Mutter auf ihr Neugeborenes verhindern soll. Die Diözese umfasst den Verwaltungsdistrikt von Dar es Salaam und einige Provinzen an der Küste. Insgesamt leben in ihr 4,5 Millionen Menschen, davon 80 Prozent unterhalb der Armutsgrenze. Viele Frauen und junge Männer haben versucht, sich selbständig zu machen, meist vergeblich, weil ihnen die adäquate Vorbereitung und der Zugang zu Krediten fehlte. Die Caritas der Erzdiözese hat diese Bedürfnisse erkannt und sich dem weltweiten Mikrokredit-Programm angeschlossen.
Ausschlaggebend für das Zustandekommen dieses Projekt waren die technische Unterstützung der Universität und die Anschubfinanzierung von 60.000 Euro, die von dem deutschen Hilfswerk Misereor geleistet wurde.
Mikrokredit pusht Entwicklung. Nach drei Jahren Laufzeit trägt das Projekt schon ansehnliche Früchte: 571 Darlehen wurden 324, meist weibliche Kunden gewährt. Die Rückgabequote liegt bei 98 Prozent, wobei jede/r der Begünstigten noch Summen zwischen 20 und 1200 Euro sparen konnten. 80 Prozent der Teilnehmer haben eine erhebliche Verbesserung ihrer Lebensqualität erfahren. Viele haben sich aus der Armutsfalle befreien können.
Die Geldleihen starten mit kleinen Summen (20 bis 175 Euro) bei einer Laufzeit zwischen 26 und 52 Wochen und können sich bis zu 1200 Euro steigern, wenn die vorherigen Kredite pünktlich zurückgezahlt worden sind.
Der jährliche, von der Grameen Bank errechnete, Zinssatz ist mit 25 Prozent als niedrig einzustufen, weil die Inflationstrate des Landes 20 Prozent beträgt und die „prime rate“, also der Zinssatz, mit dem andere Banken des Landes ihre besten Kreditnehmern begünstigen, bei 30 Prozent liegt.
Die Caritas von Dar es Salaam hat viel Gutes bewirkt, und trotzdem wirkt dies nur wie ein Tropfen Wasser im Ozean der Bedürftigkeit. Keine andere Bank leiht einem Menschen Geld, der im Gegenzug keine Sicherheiten zu bieten hat.
Die bislang aus dem Programm gewährten Kredite decken lediglich 5 Prozent des Bedarfs. Deswegen versuchten die Initiatoren die Caritas Antoniana als Partner zu gewinnen. Das Antonianische Hilfswerk hat beschlossen, 200.000 Euro zuzuschießen, um in den kommenden drei Jahren mindestens 1000 Frauen den Zugang zu einem Bankkredit zu ermöglichen und um ein Pilotprojekt mit Mikrokrediten für von Aids betroffene Familien auf den Weg zu starten.
ERITREA
Das Mikrokreditprojekt in Eritrea ist aus verschiedenen Gründen komplexer konzipiert. Das Land beendete 1991 den 30-jährigen Krieg mit Äthiopien und hat 1998 erneut seine Kriegshandlungen aufgenommen. Das Ergebnis ist verheerend: Das Land ist sehr arm und verfügt über quasi keine Infrastrukturen mehr. Der Regenmangel der vergangenen Jahre hat eine schreckliche Hungersnot ausgelöst, die das Leben von 2 Millionen Menschen (bei einer Gesamtbevölkerung von 3 Millionen 300.000!) bedroht. In der für das Projekt ausgewählten Zone sind die Erfahrungen mit Kleinstkrediten gleich Null.
Es gibt jedoch einen Pusher: der Träger der Projektes, die Missionsgruppe Asmara (GMA) aus Montagnana, Padua, arbeitet seit vielen Jahren mit dem eritreischen Volk zusammen und ist ihm in Freundschaft verbunden.
Die NGO (Nichtregierungsorganisationen) arbeiten seit 1972 in Eritrea und lassen ihre dortigen Initiativen von lokalem Personal leiten.
Frauen gezielt fördern. Die GMA wählte vier Dörfer aus, so erklärt ihr Vorsitzender, Pater Vitali, in denen die Bevölkerung keinen Zugang zu Krediten hat und deren Frauen Interesse an der Gründung von Kleinbetrieben gezeigt haben. Im vergangenen Jahr hat die Organisation darüber hinaus Gemeindezentren zur Frauenförderung gegründet, die nun zum Herzstück der Ausbildung für das Projekt werden könnten.
“Es mag sein, dass das von uns finanzierte Projekt keine direkten Auswirkungen auf die aktuelle Notlage haben mag, aber es spielt sicher eine wichtige Rolle in der Vermeidung neuen Leides“, erklärt Pater Luciano Massarotto, Direktor der Caritas Antoniana. Wenn wir den Frauen und ihren Familien ein Einkommen ermöglichen, das unabhängig von der Landwirtschaft ist, helfen wir ihnen, dem Tod zu entgehen, der bei einer Missernte droht.“
Das Projekt richtet sich an Frauen, denn die Männer sind an der Front und – was noch wichtiger ist: Die Frauen arbeiten am Lebensnerv der ländlichen Gesellschaft. Sie kümmern sich nicht nur um Saat und Ernte der Feldfrüchte, sondern auch um deren Weiterverarbeitung, um die Beschaffung von Wasser und Holz, um die Erziehung der Kinder.
Gemeinsamer Fonds. Konzept und Durchführung des Projektes folgen einem bewährten Schema. „Das wichtigste dabei ist“, bemerkt Vitali, “den Frauen klar zu machen, dass der Fonds ihrer Gemeinschaft gehört. Folglich würden sie allen schaden, wenn die das Geld nicht zurückgeben oder es zweckentfremden würden. Außerdem ist die Empfängergruppe so organisiert, dass die Insolvenz eines Mitgliedes von den anderen aufgefangen wird, damit diese nicht alle von weiteren Krediten ausgeschlossen werden. Wer hingegen das geliehene Geld zurückzahlt, wird mit der Option auf stetig ansteigende Kreditsummen belohnt.“
Die von den Frauen angestrebten Unternehmen werden sorgfältig von einem technischen Büro, das der GMA vorsteht, geprüft. Wenigstens 360 Frauen sollen in den Genuss dieses Projektes kommen, das eine Laufzeit von drei Jahren hat. Nach dieser von außen geregelten Phase ist vorgesehen, dass jedes Dorf seinen Fonds unter Aufsicht der GMA für mindestens weitere sechs bis zehn Jahre selbst verwaltet.
Die Initiatoren haben die Caritas Antoniana gebeten, die Anschubfinanzierung des Projektes (Personal, Ausbildung, Verwaltungskosten) und die erste Einlage des Fonds in Gesamthöhe von 120.000 Euro zu übernehmen.
BURUNDI
Witwe ohne eigenes Haus, ohne Arbeit, HIV-positiv oder verstümmelt vom Krieg, mit drei, vier oder fünf Kindern – eigene oder Waise von anderen Familienmitgliedern. Diese Beschreibung passt auf sehr viele Frauen, die in Burundi leben, in einem Land, das seit 1993 von Genozid und Stammeskriegen gequält wird. Nur einer von vielen Konflikten, die von der Weltöffentlichkeit unbeachtet bleiben, der Hunderttausenden Vertriebenen, in der Mehrzahl Frauen und Kindern, das Leben kostete und kostet. Die Caritas Antoniana dachte an diese geschundenen Menschen, als sie beschloss, ein Projekt zu finanzieren, mit dem das Schicksal von 350 Witwen mit Kindern in der Diözese Bubanza im Nordwesten des Landes erleichtert werden soll.
„In Burundi ist der Kontext so schwierig“, so P. Luciano Massarotto, „dass es undenkbar ist, mit Mikrokrediten zu arbeiten, weil dazu einfach die Voraussetzungen fehlen. Stattdessen geben wir den Witwen ein Haus für sich und ihre Kinder und damit die minimalste Grundausstattung fürs Überleben und die Basis auf der eine nachhaltige Entwicklung möglich ist.“ Jede Witwe soll ein Backsteinhaus, zwei Pareos zum Anziehen und eine Milchziege für den Eigenbedarf, aber auch für ein kleinen Verdienst erhalten.
Neue Würde für Witwen. Ein Initiative, die mit einfachsten Mitteln auskommt, aber das Leben der begünstigten Personen ändern wird. Denn die Witwen und ihre Kinder gehören zu den Menschen, die der Armut, der Gewalt und dem Vorurteil am stärksten ausgesetzt sind.
Eine Frau ohne Mann hat keine Rechte. Wenn sie dazu noch nicht einmal ein Haus besitzt, bleiben sie und ihre Kinder der Willkür anderer schutzlos ausgeliefert. „Viele Witwen leben in Laub- oder Lehmhütten, den Unbilden des Wetters und sozialer Gewalt schutzlos ausgeliefert“, weiß Bucumi Conrad, Generalsekretär der Diözese Bubanza und Kurator des Projektes. Es gibt auch immer wieder Fälle, in denen die Witwe von der Familie des verstorbenen Ehemannes gezwungen wird, eine neue Ehe einzugehen, damit sie ihre Besitzansprüche auf ihr Land verliert.
Um diesen Frauen zu helfen, hat die Diözese Bubanza auf eigene Faust Finanzierungsmöglichkeiten gesucht. „Die Armen kommen nicht in direkten Kontakt treten mit den Verteilern humanitärer Hilfe“, erklärt Bucumi. „Deshalb helfen wir den Frauen auch durch Begleitung und Unterstützung im Alltag, damit sie lernen, ihre Rechte zu verteidigen, ihren Besitz zu verwalten, für ihre Kinder zu sorgen und ihre Würde zurückzuerlangen.“
Ein Haus, eine Ziege und zwei Pareos würden die Caritas Antoniana 598 Euro pro Frau kosten. Die Gesamtsumme zur Förderung von 350 Frauen beträgt 210.000 Euro.
Liebe Freunde des heiligen Antonius, Sie sehen, mit wie geringen Mitteln effektiv und nachhaltig den Ärmsten der Armen geholfen werden kann. Eine Erkenntnis, die uns Mut macht, auf der Spur unseres Heiligen, des Apostels der konkreten Nächstenliebe, zu wandeln. Helfen Sie, den von Hunger und Krieg, Ausgrenzung und Rechtlosigkeit betroffenen Frauen und Kindern, machen Sie ihnen zum Festtag des heiligen Antonius eine große Freude!