Predigtferien?!

Wer meint, dass eine Predigt über alles gehen darf, nur nicht über sieben Minuten, wird vielleicht froh sein, wenn der Pfarrer sie einmal komplett ausfallen lässt. Doch was ist aus der Sicht des Kirchenrechts dazu zu sagen?
27. Juni 2016 | von

Mit der beginnenden Urlaubszeit werden auf den Gottesdienstordnungen wieder vermehrt die Hinweise auftauchen, dass es während der Sommerzeit sogenannte „Predigtferien“ gibt. Das heißt, dass etwa während der Schulferien in den Messen nicht gepredigt wird.

„Schön“, wird mancher fromme Katholik sagen, der sich zudem vorgenommen hat, im „Jahr der Barmherzigkeit“ mit seinem geplagten Pfarrer besonders nachsichtig umzugehen, „schön, unser Pfarrer braucht auch mal Urlaub, er hat ja sonst so viel zu tun.“ Heimlich wird sich der eine vielleicht denken: „Dann komme ich auch früher zum Frühschoppen.“ Und der andere wird ganz einfach froh über die Predigtferien sein, weil er den Predigten sonst nicht so viel abgewinnen kann.

Geregelte Urlaubszeit

Es ist unbestritten, dass jeder Pfarrer mal Urlaub braucht. Deshalb regelt der c. 532 § 2 CIC, dass jedem Pfarrer im Regelfall vier Wochen Urlaub pro Jahr zustehen. Dazu kommt noch die Zeit für die jährlichen Exerzitien; sie werden nicht auf den Urlaub angerechnet. In den einzelnen Diözesen gibt es Urlaubsordnungen, die für alle Seelsorgerinnen und Seelsorger nähere Regelungen treffen. Schon aus dieser Perspektive gibt es also weder einen Grund noch eine Berechtigung, dass über die Urlaubszeit hinaus Predigtferien ausgerufen werden: Jeder Priester hat während seines Urlaubs Predigtferien, ansonsten ist er im Dienst, und zu den dienstlichen Verpflichtungen gehört auch die Predigt. Für den Pfarrer ist das in c. 530 n. 7 in Verbindung mit c. 767 § 2 CIC ausdrücklich geregelt: Die Predigt in der Messfeier an Sonntagen und an den gebotenen Feiertagen gehört zu seinen Amtspflichten als Pfarrer.

Predigt als „Normalfall“

Die Messe ohne Predigt war bis zum Konzil auch an Sonntagen und gebotenen Feiertagen weithin gebräuchlich. Die Predigt fand oft außerhalb der Messe statt, jedenfalls wurde sie als Unterbrechung der Messe gewertet. Deshalb zog der zelebrierende Priester zur Predigt sein Messgewand aus, er begann die Predigt mit einem Kreuzzeichen und sagte am Schluss „Amen“, und nachdem er das Messgewand wieder angezogen hatte, setzte er die Feier der Messe fort. Das II. Vatikanische Konzil hat nun in Art. 52 der Liturgiekonstitution bestimmt, dass die Homilie integraler Bestandteil der Eucharistiefeier sein soll mit der Folge, dass sie an Sonntagen und an gebotenen Feiertagen nicht ausfallen darf. Eine Ausnahme von dieser Regel gibt es nur, wenn schwerwiegende Gründe vorliegen. Das ist etwa dann der Fall, wenn der Diözesanbischof für einen bestimmten Sonntag das Verlesen eines Hirtenwortes anstelle der Predigt angeordnet hat. Die Homilie selbst soll den Gläubigen, so das Konzil, im Lauf des Kirchenjahres aus den Texten der Liturgie, vor allem aber aus den Texten der Heiligen Schrift, die Geheimnisse des Glaubens und die Regeln für das christliche Leben erschließen und verständlich darlegen.

Am Tisch des Wortes und Brotes

Mit diesen Bestimmungen des Konzils, die sowohl in das liturgische Recht als auch in c. 767 CIC übernommen wurden, ist die homiletische Predigt als integraler Bestandteil der Eucharistiefeier ausgewiesen; eine Messe ohne Predigt bleibt daher unvollständig, weil das Wort Gottes nicht in der notwendigen Form zum Klingen gebracht wird. Nach der Weisung des Konzils und gemäß dem liturgischen Recht soll den Gläubigen in der Eucharistiefeier sowohl der Tisch des Wortes als auch der Tisch des Brotes bereitet werden; von beiden Tischen sollen sie geistliche Nahrung empfangen können. Rechtlich vorgeschrieben ist die Homilie in allen Messen an Sonntagen und an gebotenen Feiertagen, die mit einer Gemeinde gefeiert werden. Sie wird auch für Werktagsmessen empfohlen, die von einer größeren Zahl von Gläubigen mitgefeiert werden, wie das bei besonderen Anlässen wie bei einem Jubiläum oder bei einem Requiem der Fall ist. Die Homilie ist insbesondere auch für Messen in der Adventszeit und in der Fastenzeit empfohlen. Der jeweilige Pfarrer und Kirchenrektor wird mit c. 767 § 4 CIC in die Pflicht genommen, dafür zu sorgen, dass diese Vorschriften gewissenhaft eingehalten werden.

Predigtferien verboten

Es ist also ganz eindeutig: „Predigtferien“ sind rechtswidrig. Nicht, weil der Gesetzgeber Sorge hat, der Pfarrer könnte zu wenig arbeiten, sondern weil den Gläubigen geistliche Nahrung aus dem Wort Gottes vorenthalten wird. Auf solche geistliche Nahrung auch aus dem Wort Gottes haben die Gläubigen nach c. 213 CIC aber einen rechtlichen Anspruch.

Und was ist, wenn im Sommer ein Priester zur Aushilfe kommt, der kaum Deutsch spricht? Auch dann bleiben die Verpflichtung zur Homilie wie auch der Anspruch der Gläubigen auf die Predigt des Wortes Gottes bestehen; der zuständige Bischof muss eine Möglichkeit finden, wie er beides einlösen kann. So könnte er in einem solchen Fall ausnahmsweise Laien erlauben, die Predigt zu halten, weil das Heil der Seelen stets oberstes Gesetz in der Kirche sein muss (vgl. c. 1752 CIC).

Zuletzt aktualisiert: 11. Oktober 2016
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