In ihm lebt die Musik aller Zeiten
Vor deinen Thron tret ich hiermit lautet der Text jenes Chorals, der vor 250 Jahren der glaubensstarke Protestant Johann Sebastian Bach an seinem Totenbett einem Schüler diktiert haben soll. Jener große Bach, den heuer anlässlich des Jubiläumsjahres alle Welt durch Wiedergabe seiner Werke in Kirchen und Konzertsälen als einen der Größten ehrt.
Ruhm postum. Dabei wurde Johann Sebastian Bach als er starb keineswegs als der große Bach verehrt. Der Ruhm Georg Philipp Telemanns oder Georg Friedrich Händels (den er zu seinem Leidwesen nie getroffen hat) stellte den seinen in den Schatten. Selbst seine Söhne Carl Philipp Emanuel, der am Hofe Friedrichs des Großen wirkte, und Johann Christian, der zur katholischen Kirche konvertierte Domorganist zu Mailand und später als Opernkomponist in London gefeierte, überflügelten ihn damals an Rang und Namen.
Das mag dadurch bedingt gewesen sein, dass Johann Sebastians Wirkungskreise nur unwesentlich über den engen Raum Thüringen-Sachsen-Anhalt hinausreichte und er ein eher unauffälliges Leben führte. So kam es auch, dass seine Kompositionen unmittelbar nach seinem Tod in Vergessenheit gerieten. Erst rund acht Jahrzehnte später erlebten sie eine bis heute andauernde Renaissance. Den Impuls dazu gab die Wiederaufführung der Matthäuspassion durch den jungen Felix Mendelssohn-Bartholdy in Berlin.
Johann Sebastian Bachs Werke gelten in unserer Zeit als Inbegriff der Musik schlechthin. An ihm kommt kein ernst zu nehmender Musiker vorbei.
Die Musikerfamilie Bach ist wohl der bedeutendste Musikerclan aller Zeiten. Johann Sebastian hat eine Genealogie erstellt, in der er die Biographie und musikalischen Tätigkeiten von 53 Familienangehörigen aufgezeichnet hat. Vom Beginn des 17. Jahrhunderts bis ins frühe 19. Jahrhundert pflegten die Bachs höfische, kirchliche und städtische Musik als Kantoren, Organisten und Stadtmusiker. In Erfurt bezeichnete man die Stadtpfeifer als die Bache, sogar dann noch, als sie längst andere Namen trugen. Der berühmteste dieser Familie ist Johann Sebastian.
In Eisenach, wo Johann Sebastian am 21. März 1685 geboren wurde, war dessen Vater Johann Ambrosius als Stadtpfeifer und Hofmusiker tätig. Die Eltern starben früh und Johann Sebastian kam zu seinem älteren Bruder Johann Christoph nach Ohrdruf. Von diesem erhielt der begabte Junge seine erste musikalische Ausbildung an der Orgel. Weitere Stationen waren: Schüler in der Michaelisschule in Lüneburg, Violinist in der Privatkapelle des Herzogs von Weimar, Organistenstelle in Arnstadt, dann in Mühlheim, Hoforganist in Weimar, Hofkapellmeister in Köthen, Thomaskantor in Leipzig, wo es ihm nicht ganz leicht fiel, in seine neue Rolle hineinzuwachsen. Nicht alles in seinem Leben ging ganz glatt.
Meisterschaft und Misstöne. In Arnstadt etwa hatte Bach Schwierigkeiten, weil er seinen Urlaub, den er beim Orgelmeister Buxtehude in Lübeck verbrachte, überzogen hatte. Auch sein eigenwilliges Spiel wurde vom Konsistorium gerügt, auf wenig Verständnis stieß auch, dass er während der Predigt seinen Weinkeller besucht habt. Schlimmer noch erging es ihm in Weimar. Nach mehrjähriger Tätigkeit als Hoforganist und Kapellmeister gab Bach, weil er bei der Berufung zum Hofkapellmeister übergangen worden war, seinem Unmut lautstark Ausdruck. Daraufhin wurde er einen Monat lang in Haft genommen mit der Begründung: Halsstarrigkeit wegen zu erzwingender Dimission. Im Zorn verließ er Weimar in Richtung Köthen. Dort wurde er Hofkapellmeister. |
Geborene Musici. Johann Sebastian war zweimal verheiratet. Als Organist der Blasiuskirche in Mühlheim heiratete er seine Cousine Maria Barbara Bach, die ihm sieben Kinder schenkte. Nach deren Tod ehelichte er Anna Magdalena, die Tochter eines Hoftrompeters. Sie brachte dreizehn Kinder zur Welt. Wenn auch von den 20 Kindern Bachs nur etwa die Hälfte das Kindesalter überlebte, war das musikalische Weiterleben der Bache vorerst gesichert. In einem Brief bezeugt Bach die Musikalität seiner Kinder: Insgesamt sind sie geborene Musici und ich kann versichern, dass schon eine Concert vocaliter wie instrumentaliter mit meiner Familie formieren kann, zumal meine itzige Frau gar einen sauberen Sopran singt. Für diese seine zweite Frau Anna Magdalena schrieb er zwei Klavierbüchlein (für seinen erstgeborenen Sohn Wilhelm Friedemann hatte er bereits ein solches komponiert). Seiner Familie widmete er zunächst die zwei- und dreistimmigen Inventionen und das Wohltemperierte Klavier. Dass Johann Sebastian Bach mit seinen Söhnen nicht nur Freude erlebte, beweist seine Aussage, Sohn Johann Gottfried Bernhard sei leichtsinnig und missraten. Der Sohn Gottfried Heinrich zeigte schon in früher Kindheit außergewöhnliches musikalisches Talent, wurde dann aber schwachsinnig. Schwer hätte es Bach wohl auch getroffen, hätte er gewusst, dass seine Anna Magdalena nach seinem Tod zur Almosenfrau wurde und dass es wegen seines musikalischen Nachlasses Erbstreitigkeiten unter seinen Söhnen gab. Ein verlustreicher Zwist, dem viel Notenmaterial zum Opfer fiel.
Stupendes Werk. Mehr als 1100 Werke weist das Bach-Werke-Verzeichnis auf. Davon 300 Kirchenkantaten, das Weihnachts- und Osteroratorium, die Messe in h-Moll. Außer dieser berühmten hat er noch vier kleine Messen geschrieben. Zu den Hauptwerken zählen das Magnifikat und die Johannes- und Matthäuspassion. Die meisten religiösen Werke setzte der Komponist als Thomaskantor in Leipzig. In dieser Stellung war er neben der Ausbildung der Thomasschüler für die musikalische Gestaltung in vier Leipziger Kirchen verantwortlich. Diese Aufgabe kostete ihn oftmals übermäßige Kraft bei Verhandlungen mit den Spitzen der Universität, den Schulbehörden, im Stadtrat und dem Konsistorium. Umfangreich sind seine Orgelwerke: Präludien und Fugen, Toccaten, Phantasien und Choräle, wie die Cembalowerke, die Goldberg-Variationen (mit denen die schlaflosen Nächte eines Reichsgrafen verkürzt werden sollten), die Kunst der Fuge, Klavierkonzerte, die Brandenburgischen Konzerte - letztere für Christian Ludwig, dem Markgrafen von Brandenburg, geschrieben. Friedrich dem Großen widmete er die Komposition Das musikalische Opfer. Dass Bach auch weltliche Musik komponieren konnte, zeigen die Kaffee- und Bauernkantate und Quodlibets. Die Aufzählung kann nur bruchstückhaft sein. Eine Oper hat er nie geschrieben.
Originell und zukunftsweisend. Johann Sebastian Bachs Kompositionen fordern in erster Linie Instrumentalisten. Orgel und Cembalo sind seine bevorzugten Instrumente. Er verstand es, das musikalische Erbe der Vergangenheit zusammenzufassen und daraus resultierend das Fundament für die Musik der Neuzeit zu legen. Er ist zweifellos der Wegbereiter des klassischen Stils. In seiner Musik hat der Komponist allen etwas zu sagen. Was von seinen Werken auf uns gekommen ist, ist heute weltweit anerkannt und wird auch gespielt. Leider gab es Bachs Zeit noch keine Möglichkeit, die Güte seines hervorragenden Spieles als Organist akustisch festzuhalten. Diesbezüglich sind wir auf Zeitzeugen angewiesen. Etwa auf den berühmten Padre Martini, der in einem Schreiben Bach zugestand, einer der Ersten in Europa zu sein. Überliefert ist auch das eindrucksvolle Orgelspiel Bachs in Dresden und der damit verbundene Orgelimprovisationswettbewerb mit dem Louis Marchand, dem bekannten französischen Komponisten und Organisten der Sainte Chapelle in Paris. Als dieser Bachs Spiel gelauscht hatte, ergriff er, bevor er sich selbst an die Orgel setzen musste, heimlich die Flucht und verließ Dresden. Der Wettbewerb konnte nicht stattfinden. Bach war der Gewinner. Das Ende. Bachs letzte Lebensjahre in Leipzig werden durch ein sich verschlechterndes Augenleiden überschattet. Nach zwei erfolglosen Augenoperationen verschlechtert sich sein Gesundheitszustand - ein Schlaganfall bringt am 28. Juli 1750 das Ende. Leipzig, damals schon bedeutender Handelsplatz und Zentrum bürgerlicher Kultur, ehrt heuer den berühmten Meister: überall spielt man seine Musik und die Installation seines überdimensionalen Porträts erweckt Aufmerksamkeit. Bachs Musik ist - wie es der Salzburger Domkapellmeister Janos Czifra sagt - eigentlich eine Verkündigung des Evangeliums. Paul Angerer drückte seine Bewunderung in einer Sendung des Oberösterreichischen Rundfunks kürzlich so aus: In ihm lebt die Musik aller Zeiten. Er ist der Größte! |