Wiens älteste Baustelle
Wo befindet sich die älteste Baustelle Wiens? Am Stephansplatz! Dort steht der mit seinem 137 Meter hohen Turm, dem Steffl, unübersehbare Stephansdom, an dem seit seiner Errichtung unentwegt gebaut, restauriert und renoviert wurde und wird - ohne dass jemals ein Bauende in Sicht gewesen wäre. Mehrmals waren größere, ja große Bauarbeiten notwendig, so nach dem Brand von 1258, nach der Türkenbelagerung 1683, nach den Franzosenkriegen. Auch nach der Zerstörung des Doms im April 1945, knapp vor Ende des 2. Weltkrieges musste wieder aufgebaut werden. Sieben Jahre dauerten die Arbeiten. Und so sind es im April diesen Jahres 50 Jahre her, dass die Bischofskirche der Erzdiözese Wien, die Metropolitan-, Dom- und Pfarrkirche zum heiligen Stephan und Allen Heiligen wieder eröffnet werden konnte.
Die Baugeschichte des Wiener Stephansdoms weist mehrere Bauphasen auf. Die bisher geltenden historischen Daten sprechen von der Grundsteinlegung eines romanischen Baues im Jahre 1137 und der Weihe dieser Kirche 1147. Zuvor soll es auf dem Gelände ein Kirchlein gegeben haben. Jüngst erfolgte Ausgrabungen im Dom, die einen spätantiken Friedhof zutage brachten, könnten geschichtliche Daten der Stadt und des Domes ändern. Um beim bisherigen Wissensstand zu bleiben: 1160 wird das Langhaus vollendet. In einer um 1240 beginnenden Bauphase wird der romanische Neubau begonnen. 1258 zerstört ein Brand den Großteil der Kirche. Die dritte Phase bringt den gotischen Dom, dessen Hauptausbau 1511 beendet ist. In den folgenden Jahrhunderten gibt es laufend Restaurierungsarbeiten, bis es 1945 zur Katastrophe kommt.
Zerstörung im Krieg. Zu den kostbaren Kunstwerken im Innenraum des Stephansdoms (wie Kapellen, Altäre, Grabmal Kaiser Friedrichs III., Dienstbotenmadonna, Zahnwehherrgott, Gnadenbild Maria Poès) gehört auch die aus dem 15. Jahrhundert stammende, ursprünglich Meister Anton Pilgram zugeschriebene Domkanzel, von der aus berühmte und einfache Prediger das Evangelium verkündeten. Als zentrales Anliegen einer berühmt gewordenen Jugendpredigt am 7. Oktober 1938, ein gutes halbes Jahr nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich Hitlers, forderte der wegen seiner Befürwortung des Anschlusses viel kritisierte Kardinal Dr. Innitzer von dieser Kanzel aus die katholischen Jugendlichen zur Treue zu Christus auf und rief ihnen zu: Nur einer ist euer Führer, Jesus Christus! Tosender Beifall bewog die Hitlerjugend zu einem Sturm auf das Erzbischöfliche Palais, dabei beschädigten sie nicht nur den Bau, sondern verschonten auch dessen Bewohner nicht. Im Mittelpunkt stand der Dom, als die Kriegsmaschinerie der Alliierten sich Wien näherte und von den Deutschen der Befehl gegeben wurde, den Stephansdom mit Granaten zu zerstören. Doch ein Offizier der Wehrmacht, Hauptmann Gerhard Klinkicht, widersetzte sich diesem Befehl. Wiens Wahrzeichen wurde nicht beschossen. Trotzdem wurde dessen Baubestand zu 45 Prozent durch einen Brand zerstört, der am 11. und 12. April 1945 infolge Funkenfluges von den brennenden Häusern der Umgebung ausgelöst wurde. Ein Opfer der Flammen wurden: der gotische Dachstuhl, das hochgotische Ratsherrengestühl, die Glasfenster, das Lettnerkreuz, die Kaiseroratorien, Chor- und Riesenorgel, die meisten Glocken, darunter die „Pummerin und vieles mehr.
Wunder Wiederaufbau. Sofort nach dem Ende des 2. Weltkrieges begann man mit dem Wiederaufbau. Schon im November 1948 konnte der Gottesdienst wieder im Langhaus gefeiert werden. Dank der Mithilfe vieler Sponsoren und auch kleiner Spender wurde die feierliche Wiedereröffnung der zerstörten Kathedrale am 26. April 1952 möglich. Ganz Österreich hatte mitgeholfen. Insbesondere spendeten die Bundesländer Steiermark das Tor, Niederösterreich den Steinboden, Vorarlberg die Bänke, Tirol die Fenster, Kärnten die Kronleuchter, das Burgenland die Kommunionbank, Salzburg den Tabernakel, die Stadt Wien das Dach, Oberösterreich die große Glocke, die „Pummerin. Deutschland spendete für die Riesenorgel.
Auch nach 1952 hörten die Bauarbeiten nicht auf. In jüngster Zeit wurde der Hochaltarraum konzilsgemäß gestaltet. Eine neue Chororgel wurde installiert, eine Solaranlage installiert, eine Heizung eingebaut. Innen und außen wird gearbeitet. Aber das erwarten sich die Menschen, die eine ansehnliche Kathedrale als Wohnstatt Gottes unter den Menschen erleben wollen und gleichzeitig die irdische Hoffnung hegen, die vielen im Dom dargestellten Heiligen mögen den Fürbittgang nicht überflüssig machen.
Apropos Heilige - Franziskus und Antonius sind ebenso wie viele andere durch Bilder und Statuen im Wiener Stephansdom präsent. Unter den Pfeiler- und Seitenaltären, auf denen laut Bericht eines Mesners im Jahre 1732 im Durchschnitt täglich 150 Messen von den dort für die Domseelsorge tätigen Priestern gelesen wurden, ist einer Franziskus geweiht. Das Altarbild, das die Stigmatisierung des Heiligen der Armut darstellt, wurde 1715 von Johann Michael Rottmayr gemalt. Ein Johannes dem Täufer gewidmeter Altar weist eine Besonderheit auf: Zwei Figuren fügen sich nicht wie üblich dem Altarkonzept ein, sondern wenden sich den Menschen im Kirchenschiff zu: Es sind dies die bekanntesten Männer des Ordens der Minderen Brüder, Franziskus und Antonius. Bei letzterem fehlt nicht die übliche Bitte um Spenden für das Brod der Armen.