Ein Klavier für Könige und Kaiser
“Man wird Sie Ihres Bösendorfers wegen bewundern und beneiden.“ So steht es in einem Katalog der österreichischen Klavierbaufirma, die sich seit 175 Jahren im Reigen der bedeutendsten, international anerkannten Klavierhersteller wie Steinway&Sons (New York, Hamburg), Blüthner (Leipzig), Bechstein (Berlin) behauptet. Und das weit über die kulturell beachtenswerte Musikmetropole Wien hinaus. Wien ist die Geburtsstätte des “Bösendorfers“.
K.u.k. Kammerklavierfertiger. Der 1794 geborene Ignaz Bösendorfer hat das Glück, beim geschätzten Meister Josef Brodmann das Handwerk eines Orgel- und Klavierbauers zu erlernen. Nach Lehrlings- und Gesellenjahren sucht er 1828 um die Gewerbeberechtigung zur Führung eines eigenen Klavierbaubetriebes an. Diese wird ihm gewährt. Im Dekret über die Gewerbeverleihung heißt es: “Von dem Magistrate der k.u.k. Haupt- und Residenzstadt Wien wird dem angesehenen Klaviermacher Ignaz Bösendorfer das Klaviermachergewerbe samt dem Bürger- und Meisterrechte hiermit wirklich verliehen und er zur sogleichen Ausführung desselben mit dem Beisatze berechtigt, dass er sich sogleich im hierortigen Steueramt zur Erwerbssteuer aufnehmen zu lassen und wegen Ablegung des Bürgereides den nächstkommenden Donnerstag hierorts geziemend zu melden habe.“ Dem Dekret zufolge erhält Bösendorfer nicht nur die Genehmigung zum Klavierbauen. Er erhält Bürger- und Meisterrecht, muss den Bürgereid ablegen und sich beim Steueramt melden. Nichts geht ohne Steuer. Damals nicht und heute nicht. Der neue Bürger von Wien erfüllt alle Auflagen und geht ans Werk. Sehr erfolgreich. Denn schon 1839, ein zweites Mal 1845, erringt Bösendorfer die Goldmedaille und den ersten Preis bei den Industrieausstellungen in Wien. Und der Kaiser verleiht Ignaz Bösendorfer, dessen Klaviere Franz Liszt bespielt und in ganz Europa bekannt macht, den Titel eines “k.u.k. Hof- und Kammerklavierfertigers“. 1859 stirbt Ignaz Bösendorfer. In einem Nachruf wird er als einfach, ehrlich, gerecht zu jedermann, herzlich und offen zu seinen Freunden, großzügig und nobel den Künstlern gegenüber bezeichnet.
Liszts Lieblingsinstrument. Von den drei Kindern übernimmt Ludwig, den Vater Ignaz mit den Geheimnissen des Bösendorfer-Flügels vertraut gemacht hat, den Betrieb. Als “Klaviermacher“ registriert, gestaltet er fünf Jahrzehnte die Geschicke des Unternehmens, das wegen zu kleiner Räume mehrmals seinen Standort wechseln muss. In der Wiener Innenstadt errichtet er in den Räumen der Fürst-Liechtensteinschen Reitschule einen Konzertsaal. Mehr als vierzig Jahre ist dieser bestens frequentierte Musiksaal mit einer außergewöhnlichen Akustik ein Musikzentrum, in dem alle namhaften Pianisten spielen. Unter ihnen Franz Liszt – einer der ersten Förderer der Bösendorfer Klaviere - und der Russe Anton Rubinstein, nicht zu verwechseln mit dem namensgleichen polnischen Pianisten Arthur Rubinstein, der sich grundsätzlich Bösendorfer verweigerte. Als Arthur Rubinstein in Wien spielt, besucht der 86-jährige Ludwig Bösendorfer das Konzert: “Ich wollte mir den noch jungen Rubinstein anhören, der meinen Flügel ablehnt, während der große Anton Rubinstein meinen Flügel allen anderen vorzieht.“ Ludwig Bösendorfer, der Liszt und Anton Rubinstein auf deren Tourneen oftmals begleitet, will sogar einen “Bösendorfer Salonwaggon“ mit Klavier- und Schlafzimmer für reisende Künstler erwerben, was von den österreichischen Staatsbahnen abgelehnt wird.
Kulturelle Visitenkarte. In alle Welt werden Bösendorfer-Klaviere geliefert. Kaiserliche und königliche Hoheiten werden damit beschenkt, aber auch das gehobene Bürgertum der Gründerzeit, dem Ludwig Bösendorfer angehört, leistet sich ein Piano der renommierten Manufaktur, gilt doch der Bösendorfer-Flügel als kulturelle Visitenkarte des Hausherrn.
Der erfolgreiche Ludwig Bösendorfer hat keine direkten Nachkommen. So verkauft er 1909 sein Unternehmen an seinen Freund Carl Hutterstrasser. Dem Bau eines Großprojektes, eines Hochhauses, des ersten in Wien, muss der Bösendorfersaal weichen. Die Firma erhält dafür einen Geschäftsraum im Musikvereinsgebäude. Bösendorfer leidet darunter, aber auch unter anderen Umständen: Die Produktion geht infolge des 1. Weltkrieges zurück. 1919 stirbt der Klavierbauer. Laut Testament wird sein Leichnam auf einem Klavierwagen zum Friedhof gebracht und in aller Stille beigesetzt. Die Stadt Wien widmet ihm ein Ehrengrab und benennt eine Straße ihm zu Ehren.
Niedergang und Neuanfang. Wirtschaftskrisen lassen die Produktion in der Zwischenkriegszeit sinken. 1945 schlagen Granaten in der Fabrik ein. In den Ausstellungshallen im Musikvereinsgebäude kampieren Soldaten am offenen Lagerfeuer. Das Brennholz dazu liefern die Bösendorfer-Flügel.
In den Jahren nach dem 2. Weltkrieg steigt die Produktion wieder. 1973 wird eine Tochtergesellschaft in Wiener Neustadt gegründet, zwei Jahre später wird die Produktionszahl von 1913 überschritten. 515 Flügel verlassen die Fabrik und gehen in alle fünf Kontinente. Zu diesem Zeitpunkt gehört Bösendorfer der amerikanischen Firma Kimball in Indiana, die Wiener Klavierfabrik arbeitet jedoch als Tochtergesellschaft weiterhin selbständig. Nach 35 Jahren amerikanischer Eigentümerschaft, während der Bösendorfer immer als österreichische Firma gilt, geht sie wieder in österreichischen Besitz über. Künstler aus aller Welt geben sich ein “Stelldichein“ bei Bösendorfer in Wien. “Der singende, tragende Klang bei Bösendorfer wird fortfahren, eine Botschaft in die Welt zu tragen,“ so der selbstgestellte Zukunftsauftrag. Eine Reihe von Modellen steht dem interessierten Pianisten heute zur Auswahl. Einen Fehlgriff kann er bei Bösendorfer wohl nicht tun, wenn man dem Werbeslogan der Klaviermanufaktur Glauben schenken kann: “Sie haben die Freiheit der Wahl, sich zwischen dem Guten und dem Besten zu entscheiden.“