Imponierendes Lebenswerk aus Stein
Selbstbewusst und tatendurstig − so präsentiert sich der Bildhauer Adam Kraft in seinem naturalistischen Selbstporträt am Fuß des Sakramentshäuschens in der Nürnberger Lorenzkirche.
„Dass Adam Kraft das Sakramentshäuschen von Sankt Lorenz in Nürnberg, Bauwerk wie Bildwerk, geschaffen, dass Adam Kraft ein Nürnberger gewesen ist, gleichsam die Verkörperung des Nürnbergertums in der Kunst, dass Adam Kraft ein Künstler war, so groß und bedeutend und so stark, dass kein anderer seiner Zeit, seines Landes und seiner Kunst über ihn hinausreichte: In diesen drei Wahrheiten … sind wir alle von Kindesbeinen an aufgewachsen", schreibt der Kunsthistoriker Friedrich Haack 1923.
Geniestreich
Für die Spurensuche nach Adam Kraft ist das Sakramentshäuschen der Nürnberger Lorenzkirche die erste und beste Adresse. Es findet sich noch immer, wie im Werkvertrag zwischen dem Künstler und dem Privatstifter Hans IV. Imhoff festgelegt, neben dem Hauptaltar im Hallenchor der gotischen Basilika. Steinern und zugleich filigran zieht es sich turmartig am Pfeiler entlang, 18,70 Meter in die Höhe. Der volle Reichtum spätgotischer Formen verbindet sich mit zahlreichen Figuren, deren muskulöser Körperbau für die Entstehungszeit ungewöhnlich natürlich wirkt. Jesu Passion und Auferstehung spielen vor dem Hintergrund einer fränkischen Landschaft.
Am Fuße der Ballustrade, die um den Tabernakel führt, blickt der Besucher dem Künstler ins Angesicht. Dieser porträtiert sich in der mittleren Stützfigur als einfacher Handwerker, in Steinmetzkluft mit Klüpfel und Meißel. Ganz im modernen Geist der Renaissance tritt Adam Kraft nicht mehr hinter seiner Arbeit zurück, er unterschreibt geradezu mit seinem steinernen Porträt. Auch in anderen Arbeiten, wie den Kreuzwegstationen zwischen dem Tiergärtnertor und dem Johannisfriedhof, sprechen die individuellen Züge seiner Figuren die Sprache der neuen Kunst.
Im Gegensatz zu seinem Werk bleibt Krafts Leben weitgehend im Verborgenen. Sein erster Biograf Johann Neudörfer war beim Tod des Meisters gerade elf Jahre alt und verfängt sich in allerlei Anekdoten. Mit der Linken genauso geschickt und fleißig wie mit der Rechten soll Adam Kraft gewesen sein, und seine zweite Frau Barbara, die er nach dem Tod seiner ersten Frau Margarethe ehelichte, habe sich ihm zuliebe Eva nennen müssen. Wahrscheinlicher scheint die beschriebene, fast brüderliche Freundschaft zu dem Nürnberger Erzschmied Peter Vischer und dem Kupferschmied Sebastian Lindenast. Am Abend saßen die drei oft beisammen, um mit Bier und Wein auf ihr Handwerk anzustoßen und sich gegenseitig zu beflügeln.
Das erste Werk ein Wurf
Geboren wurde Adam Kraft irgendwann zwischen 1455 und 1460 in Nürnberg. Der Schreiner Ulrich Kraft ist heute als Vater bekannt. Weiter nimmt man an, dass Adam sein Handwerk beim Bau des Lorenzer Ostchors erlernte. Es war der letzte große mittelalterliche Kirchenbau der Stadt und eine einzigartige Gelegenheit für Steinmetze, Architekten und Bildhauer. Nach der Fertigstellung wurde die Bauhütte aufgelöst, und man vermutet den jungen Mann während der Gesellenjahre in Straßburg und Ulm.
Schließlich kehrte Adam Kraft in seine Heimat zurück und richtete seine Bildhauerwerkstatt ein. Schon im April 1540 erhielt er vom Kirchenmeister Sebald Schreyer den Auftrag, die Begräbnisnische der Familien Schreyer und Landauer in Sankt Sebald mit Steinreliefs zu versehen. Zwei etablierte Meister, der Stadtwerkmeister Hans Beheim und sein Vater Ulrich Kraft, bürgten, wie damals üblich, für das Erstlingswerk. Sie sollten es nicht bereuen. Die Arbeit überzeugte und brachte im Jahr darauf den nächsten Großauftrag: das bereits erwähnte Sakramentshäuschen.
Drückende Schuldenlast
Gleichermaßen begabt und gebildet in den Disziplinen der Architektur und Plastik, wurde Adam Kraft nun mit zahlreichen Reliefs an öffentlichen und privaten Gebäuden beauftragt. Im berühmten Werk für die Stadtwaage spiegelt sich sein feiner Sinn für Humor: Während der Waagmeister kleinlichst versucht, das Züngelein auszubalancieren, greift der Kaufherr griesgrämig in die Taschen, um die Gebühr zu entrichten. Dieses Relief befindet sich, wie viele der noch erhaltenen Werke, heute im Germanischen Nationalmuseum.
Trotz der guten Auftragslage hatte der Meister zeitlebens mit Schulden zu kämpfen. Angeblich habe der extravagante Umbau seines Hauses Unsummen verschlungen. Am 25. August 1505 wurde er vor das Nürnberger Stadtgericht geladen, wo er bekannte, dem Mäzen Peter Imhoff 310 Gulden schuldig zu sein.
Ob es Geldnot war oder der Ruf nach seinem Sachverstand, der Adam Kraft im Herbst 1508 trotz schwerer Krankheit nach Schwabach reisen ließ, ist unbekannt. Dort jedoch brach er zusammen und verstarb wenig später im Schwabacher Spital. Man geht davon aus, dass der Bildhauer an einer Staublunge litt, weswegen er bereits die Bauarbeiten an der Frauenkirche unterbrechen musste. Anfang des Jahres 1509 wurde sein Leichnam nach Nürnberg überführt und unter dem Glockengeläut von Sankt Sebald und Sankt Lorenz zu Grabe getragen. Die Witwe verlor kurz darauf Haus und Hof. Geblieben ist das künstlerische Erbe des Adam Kraft, das sich in Form seiner Werke über die Stadt Nürnberg verteilt.