Es ist nicht alles Gold, was glänzt

01. Januar 1900 | von

Obwohl mit ihrer Hilfe allerlei Schwindel getrieben wurde, verdanken wir ihr viel – schon was das Vokabular betrifft. Begriffe wie Alkali, Naphtha, Alkohol, Elixier stammen aus dem Arabischen und damit aus dem Sprachschatz jener Nation, welche die Alchemie zum Blühen und viele Gutmeinende um ihr Vermögen brachte.

Stein der Weisen. Seit dem Mittelalter diente die Alchemie vornehmlich dem Zweck, den Stein der Weisen zu finden, von dem man sich versprach, billigere Metalle in Gold und Silber zu verwandeln. Dabei ging man von der Annahme aus, dass alles Vergängliche sich letztlich auf die vier Elemente Erde, Luft, Feuer und Wasser zurückführen lasse. Wenn aber alle Metalle aus diesen Elementen zusammengesetzt sind, so die kühne Überlegung, dann musste es doch möglich sein, die Mischverhältnisse zu ändern und auf diese Weise ‚schlechte‘ Metalle zu veredeln!
Die Ursprünge der Alchemie verlieren sich im Nebel des Alten Orients. Ihre Entwicklung begann im ägyptischen Alexandria. Mit der Ausbreitung des Islam im 7. Jahrhundert stießen die Schriften der ägyptischen Denker und damit die Alchemie im Westen vermehrt auf Beachtung.

Alchemie im Kloster. Die frühesten Untersuchungen europäischer Alchemisten stammen von Mönchen. Das erstaunt nicht weiter, wenn man bedenkt, dass die Klöster im Mittelalter die einzigen Kulturträger waren. Noch weniger verwundert es, dass einer der berühmtesten Alchemisten sich auch als Philosoph und Gottesgelehrter einen Namen gemacht hatte, nämlich der um 1220 geborene englische Franziskaner Roger Bacon, der zudem einen internationalen Ruf als Naturwissenschaftler genoss – und zu den Naturwissenschaften zählte man damals auch die Kunst der Alchemie.
Diese jedoch wurde von manchen Klerikern als Teufelswerk betrachtet, was schließlich dazu führte, dass der Ordensgeneral den gelehrten Bettelmönch zur Klosterhaft verdonnerte. Sein Hausoberer fand diese Maßnahme allerdings etwas übertrieben. Jedenfalls tat er alles, damit der so Gedemütigte in der klösterlichen Gefängniszelle weiterhin seiner Forschungsarbeit nachgehen konnte.

Blender und Betrüger. Einen guten Einblick in die mittelalterliche Alchemie verdanken wir einer Schrift von Thomas Norton, welche im 15. Jahrhundert in Bristol erschien und die im Vergleich zu den damaligen Auffassungen geradezu aufklärerisch anmutet. Norton warnt seine Leserschaft vor Scharlatanen und Schwarzkünstlern, welche die Regeln der Kunst nicht beherrschen und bloß die Leute täuschen; ein Alchemist ohne philosophische und physikalische Ausbildung sei ein Betrüger, bestenfalls ein Blender. Darüber hinaus beklagt Norton, dass nunmehr Leute aus allen Ständen sich in dieser Kunst versuchten, angefangen vom Papst und den Kardinälen bis hinab zum Kesselflicker. Diese Behauptung jedoch ist mit Sicherheit übertrieben. Zutreffend hingegen ist, dass sich auf dem umstrittenen Gebiet allerlei Dilettanten tummelten, die Leichtgläubige um einiges ärmer und um eine Erfahrung reicher machten.

Legendärer Hochstapler. Dass zwielichtige Gestalten die Alchemie später vollends in Misskredit brachten, dokumentiert die Biografie des italienischen Abenteurers Alessandro Graf von Cagliostro, der sich seinen Adelstitel selber zugelegt hatte und eigentlich Giuseppe Balsamo hieß. Cagliostro wurde in Palermo auf Sizilien geboren und arbeitete in seiner Jugend bei einem Apotheker. In dieser Zeit eignete er sich ein außerordentliches Wissen in Chemie und Medizin an und mauserte sich in der Folge zu einem der gewieftesten Scharlatane seiner Zeit. Unter anderem gab er sich auch als Arzt und Hypnotiseur aus.

Um sein Jugendelixier anzubieten, bereiste er ganz Europa. 1789 wurde er in Rom von der Inquisition gefangen genommen. Zu lebenslanger Haft verurteilt starb er 1795 im Gefängnis.
Fortschritt für Forschung. Heute neigen viele dazu, die absonderlichen und teilweise recht abenteuerlichen Experimente der Alchemisten zu belächeln. Damit jedoch werden sie deren Bemühungen keineswegs gerecht. Obwohl die alchemistischen Praktiken aus heutiger Sicht fragwürdig und illusorisch erscheinen, bilden sie einen wichtigen Abschnitt in der Entwicklung der wissenschaftlichen Chemie. Tatsache ist, dass die Erkenntnisse auf diesem Gebiet bedeutend weniger schnell vorangeschritten wären, hätten die Alchemisten nicht durch die Konstruktion ständig perfektionierter Schmelzöfen, Destillationsapparate und Werkzeuge eine gewaltige Vorarbeit geleistet. Außerdem sollte man nicht vergessen, dass auch die moderne Pharmakologie sich letztlich der Alchemie verdankt, wie klein oder groß deren Nutzen nun gewesen sein mag.
Ausführlich zur Geschichte der Alchemie äußern sich Manuel Bachmann/Thomas Hofmeier, Geheimnisse der Alchemie, Schwabe Verlag, Basel 1999, 271 Seiten, 147 Abbildungen davon 81 in Farbe.
DM 78,00.

 

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016