Wenn Gott im Schlaf die Seele berührt
Als Josef erwachte, tat er, was der Engel des Herrn ihm befohlen hatte ( Mt 1,24). Die Träume des neutestamentlichen Josef stehen bei Matthäus am Anfang seines Evangeliums und das kommt nicht von ungefähr: Sie leiten einen wichtigen Entscheidungsprozess ein. Analog zum lebensbejahenden Wort der Maria im Lukasevangelium mir geschehe, wie du es gesagt hast (Lk 1,38), könnte man hier von einem Ja Josefs zu den Plänen Gottes sprechen.
Stimme Gottes. In den biblischen Schriften wählt Gott Träume häufig als Medium, um sich den Menschen mitzuteilen und ihnen Weisungen zu geben. Josef erfährt durch seine Träume, was er zu tun hat und das Erstaunliche ist, dass er dieser inneren Stimme traut und ihr in seinem Handeln folgt. Er nimmt Maria zur Frau, er flüchtet nach Ägypten und lässt sich schließlich auf Geheiß des Engels in Nazareth nieder.
Josef, als ein Mann, der auf seine Träume hört, scheint damit geradezu der Prototyp des neuen Mannes zu sein, wie er seit Jahren in unserer Gesellschaft gefordert wird. Ein sensibler Mensch, der offensichtlich eine innere Antenne hat für Wahrheiten und Einsichten, die nicht so offenbar sind. Gleichzeitig ist er ein Mann der Tat, der sich an Entscheidungen nicht vorbeimogelt und mühsame Wege nicht meidet.
Alles nur ein Traum? Träume, diese nächtlichen Bilder, die unser Unterbewusstsein produziert, werden häufig abgetan: Träume sind Schäume – unrealistisch, belanglos und unwirklich. In der Tat: Träume halten sich nicht an physikalische oder moralische Vorgaben. Unser Unterbewusstsein scheint manchmal geradezu Purzelbäume zu schlagen und die verrücktesten nächtlichen Bilder zu erzeugen und oft genug sind wir froh, wach zu werden und mit Erleichterung festzustellen, dass alles nur ein Traum war. Aber dass Träume auch eine tiefere Bedeutung haben können, dass sie Menschen lange beschäftigen und nicht loslassen können, dass sie, über Jahre hinweg mit den gleichen Bildern wiederkehrend, Menschen quälend begleiten können, das sind Erfahrungen, die viele Träumer machen, auch wenn sie nicht an die Stimme Gottes in ihren Träumen glauben.
Indirekte Weisung. In der modernen Psychotherapie spielen Träume eine wichtige Rolle. Wenn sie aufgearbeitet werden, helfen sie manchen Klienten, ihre Probleme anzugehen. Welche Bedeutung messen wir unseren Träumen zu? Die Vorstellung, ja auch nur die Annahme der Möglichkeit, dass Gott durch Träume zu uns spricht, scheint uns modernen Menschen weitestgehend abhanden gekommen zu sein. Der biblische Josef gälte heute sicherlich als Exot, und ein Mensch, der seine Handlungen mit einem Wort Gottes im Traum begründen würde, müsste damit rechnen, im günstigsten Falle belächelt zu werden.
Hat Gott aufgehört durch Träume zu den Menschen zu sprechen, oder sind sie nur zu unsensibel geworden? Gibt es so etwas wie eine Spiritualität der Träume? Und was könnte dann der Maßstab dafür sein, dass Gott in Träumen zu einem spricht? Denn dass wir Gott im Traum nicht mit fester Stimme und klarer Handlungsanweisung hören, dass dürfte offensichtlich sein. Aber die biblischen Erfahrungen berichten auch nichts anderes: Auch Joseph wird die nächtliche Traumbotschaft durch einen Engel überbracht – sicher ein Synonym für Gott selbst und doch auch ein Hinweis auf das nur Mittelbare, Indirekte der Weisung. Im Alten Testament bedarf es sogar oft der Traumdeutekunst, der Auslegung, weil die Menschen die Botschaft Gottes nicht ohne Hilfe verstehen, nicht in ihr Leben übersetzen können.
Aber auch ohne Traumdeuter oder Therapeut an meiner Seite, kann ich in meinen Träumen Gottes Stimme entdecken.
Blinde Flecken. Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum unter diesem Motto standen in den vergangenen Jahren etliche Seminare, die den Menschen Mut machen wollten, der eigenen Sehnsucht zu trauen, um nicht in Bewegungslosigkeit und Resignation stecken zu bleiben. Vielleicht findet sich hier ein Hinweis auf die Fragen nach Gott in den Träumen.
Selbstverständlich ist Gott nicht einfach identisch mit dem menschlichen Unterbewusstsein, nicht jede innere Regung eine göttliche Weisung. Aber als Gott des Lebens, als derjenige der uns zu einem erfüllten Leben führen will, kann ich Ihn nicht auch in meiner Sehnsucht hören? Warum könnte nicht ER es sein, der mir Träume voller Sehnsüchte „schickt oder auch durch Angstträume mir zu erkennen gibt, dass in meinem Leben etwas noch unverarbeitet ist, dass es da etwas gibt, das ich noch anzuschauen habe und mit dem ich mich vielleicht noch versöhnen muss, damit es mich nicht am Leben hindert?
Gerade in den Träumen können verdrängte Erfahrungen zum Leben erwachen, blinde Flecken vielleicht, die ich im Alltagsleben und bewussten Zustand schon gar nicht mehr wahrnehme oder wahrnehmen will.
Achtsamkeit. Ein wichtiges Kriterium für den richtigen Umgang mit Träumen ist die Achtsamkeit. Sie nicht wegzuschieben, sondern sie als Ausdruck der eignen Persönlichkeit anzunehmen und ihnen auf der Spur zu bleiben. Nach einer durchträumten Nacht sie freundlich wegzulegen, wenn deutlich wird, dass sie ihren Ursprung nur im aktuellen Stress haben. Aber auch auf das Gefühl zu achten, ob der Traum nicht einen Mehrwert hat: So kann er vielleicht zeigen welche wesentlichen Aufgaben ich als Mensch noch vor mir habe: die Versöhnung mit der Vergangenheit oder ein Loslassen von Vorstellungen, ob die Ablösung einer Lebensphase und der Beginn einer neuen ansteht, oder er weist auf Konflikte hin, die es anzugehen und durchzustehen gilt. Was auch immer für den Einzelnen seine ureigenste Traumbotschaft sein mag. Die Stimme Gottes, der uns helfen will, unser Leben sinnvoll und gut zu leben, kann durchaus in den vernommenen Weisungen mitschwingen, denn Gott will, das wir wie Josef das tun, was dem Leben dient.
Sehnsucht ins Leben tragen. Trauen wir also unseren Träumen und versuchen wir, die in ihnen liegende Botschaft zu verstehen und umzusetzen – als Traumtänzer durchs Leben zu gehen, nicht um der Realität auszuweichen, sondern um sie mit unserer Sehnsucht zu füllen.
Träume können die Welt verändern – Martin Luther Kings berühmte Rede I have a dream gibt beredtes Zeugnis davon, wie wichtig es ist, Träume und Visionen zu haben, um sie dann Schritt für Schritt Wirklichkeit werden zu lassen.