Das befreiende Lachen der Erlösten
Wie hält es die Kirche mit dem Humor? Im Christentum gibt es eine Traditionslinie, die große Fröhlichkeit für verwerflich hält - unangebracht angesichts des Leidens in der Welt und Ausdruck mangelnden Glaubens. Doch ganz im Gegenteil: Komik ist ein Kennzeichen christlicher Überzeugung: Uns wurde das Heil geschenkt, warum sollten wir Trübsal blasen?
In seinem Bestsellerroman “Der Name der Rose“ lässt Umberto Eco den greisen Mönch Jorge sich ereifern: “Das Lachen ist ein Zeichen der Dummheit. Wer lacht, glaubt nicht an das, worüber er lacht, aber er hasst es auch nicht. Wer über das Böse lacht, zeigt damit, dass er nicht bereit ist, das Böse zu bekämpfen, und wer über das Gute lacht, zeigt damit, dass er die Kraft verkennt, dank welcher das Gute sich wie von selbst verbreitet.“ Aufgrund dieser düsteren, wenig humorvollen Einstellung versucht Jorge alles, um ein bestimmtes philosophisches Buch vor dem Gelesenwerden zu verbergen und wird dabei zum hasserfüllten “Propheten“ und zum Mörder an seinen Mitbrüdern. Aus der Sicht dieser Romanfigur ist das Lachen deshalb so verwerflich, weil es die Ernsthaftigkeit der Schöpfung und ihres Schöpfers nicht anerkenne und die menschliche Entscheidungssituation für oder gegen das Gute verkenne. Die christliche Deutung der Welt als erlösungsbedürftige wäre mithin die Aufforderung, sich des Lachens zu enthalten und quasi mit angstvollen Schritten durchs Leben zu gehen. Aber auch wenn man der grotesken Konsequenz des Romans nicht folgt, wie verhalten sich denn Lachen, Leben und Glaube zueinander?
Heilsame Distanz. Zunächst ist dem alten Mönch ja in einem zuzustimmen: Lachen und Humor zeigen in der Tat eine gewisse “Respektlosigkeit“ vor der Welt und ihren Fragen. Wer sich lustig macht über die Unzulänglichkeiten des Lebens und über die eigenen Grenzen, erhebt sich für einen Moment über sie und schaut auf sie, gleichsam von oben herab. Damit gewinnt der lachende Mensch Distanz zu den Gegebenheiten und relativiert sie, im Schmunzeln darüber. Die Grenzen unseres Daseins haben für einen Augenblick ihre Macht verloren, sie können nicht mehr verwunden und nicht mehr beeinträchtigen.
Von daher ist Humor eine typisch menschliche Eigenschaft als Form der Wahrnehmung und Kommunikation. Im Gegensatz zum Tier ist dem Menschen diese Distanz zum Vorgegebenen möglich und sichert ihm im geistigen Bereich einen Raum von Freiheit. Diktatoren aller Zeiten und Färbungen haben um diese subversive Kraft des Humors gewusst und fürchten seit jeher die Satire und die Witze, die Menschen über sie machten. Menschen, die einen Diktator lächerlich machen, sind in seinen Augen zwangsläufig “gefährlich“, denn sie haben sich aus dem Angst- und Terrormechanismus gelöst, den Diktaturen unbedingt brauchen, um überleben zu können.
Durchkreuzte Erwartung. Dabei lebt jede Art von Komik aus dem Kontrast zwischen Anspruch und Wirklichkeit, sei es in einem ein Witz, der sich aus Missverständnissen speist oder in einer Satire, die den schönen Schein aufdeckt. Die Widersprüchlichkeit unserer Existenz ist mithin die Bedingung dafür, dass wir Menschen etwas als komisch erleben und erfahren können. Jede Situationskomik ergibt sich aus einer unserer Erfahrung oder Erwartung gegensätzlichen Reaktion der Handelnden, die eine Spannung erzeugt, die durch das Lachen darüber wieder gelöst wird. Dieser Mechanismus ist auch jedem Witz zu Eigen, nur dass hier Spannung und Entspannung sich alleine in der Phantasie und im Kopf abspielen. Berühmt geworden sind die Chassidischen Geschichten, jene humorvollen jüdischen Anekdoten über das Leben. Eine solche Geschichte erzählt einmal folgendes: “Vor einigen Jahren unternahm Albert Einstein zusammen mit dem Zionistenführer Chajim Weizmann eine Reise nach Amerika, um dort für die zionistische Sache gemeinsam zu arbeiten. Man fragte Weizmann später, womit er die lange Schiffsreise verbracht habe. Er antwortet: “Einstein erklärte mir die ganze Zeit seine Relativitätstheorie.“ “Und welchen Eindruck gewannen Sie?“ fragte man ihn. “Ich glaube, er versteht sie!“ war die Antwort.“
Relativ komisch. Wer über diese Anekdote schmunzeln kann, der folgt genau jenem Muster von Erwartungshaltung und “verkehrter“ Antwort: denn natürlich erwarten die Fragenden eine Antwort über das Verständnis Weizmanns von der Relativitätstheorie. Weizmann jedoch antwortet sozusagen “auf einer anderen Ebene“ (Einsteins eigenes Verstehen) und so kann seine geschickte Replik auf uns komisch wirken.
Die Widersinnigkeiten zwischen Himmel und Erde sind es, die uns lachen machen und eine etwas banale Formulierung dieser Tatsache lautet “Humor ist, wenn man trotzdem lacht“, Der entscheidende Dreh- und Angelpunkt ist dabei das “trotzdem“. Es übersteigt nämlich die Wirklichkeit und lässt den Menschen die Widrigkeiten gelassener ertragen.
Leid gepaart mit Lachen. Und doch ist die Frage, ob einem, angesichts des unendlichen Leids der Welt, das Lachen nicht eher “im Halse stecken bleiben“ müsste. Vor einigen Jahren stieß ein Film eine solche Diskussion an: Roberto Benignis Film mit dem verheißungsvollen Titel: La vita è bella – das Leben ist schön. Benigni schildert tragisch-komische einen italienisch-jüdischen Familienvater, der seinen kleinen Sohn im Konzentrationslager versteckt und ihm mit allerlei komischen Hilfsmitteln glauben macht, das Ganze sei ein einziger Spaß, eine Art Wettkampf, den es zu gewinnen gälte. So kann er seinem Sohn die Regeln, sich zu verstecken spielerisch beibringen und ihm helfen, all das Leid zu ertragen – letztlich schafft er es damit, das Leben seines Sohnes zu retten. Die Frage, ob ein solcher Film sich unerlaubter Mittel bedient, um das Thema des Holocaustes anzugehen, stand mit dem Erscheinen des Films sofort im Raum. Darf man eine so ungeheuerliche, menschenverachtende Situation mit Mitteln der Komik darstellen? Also im besten Falle eine Geschmacklosigkeit gegenüber den Opfern von Gewalt und Terror?
Unabhängig, ob man nun diesen Film schätzt oder nicht, eines zeigt er sehr eindringlich: der unbezwingbare Lebenswille, der unerschütterliche Glaube an das Geschenk des Lebens ist geradezu die Grundlage und Bedingung menschlichen Humors und hat am Ende mehr Macht als alle Folterknechte dieser Welt.
Auf der Seite des Lebens. Dabei ist dieser Film kein Machwerk, das schenkelklopfende Heiterkeit erzeugt, sondern er lädt ein zum Lachen und zum Weinen. Das Herz kann dem Zuschauer wehtun, wenn er die verzweifelt-komischen Versuche des Vaters mit ansehen muss. Damit knüpft der Film an das uralte Wissen der Menschen um die gemeinsame Wurzel von Komödie und Tragödie.
“Beide sind kritische Kommentare zur Endlichkeit des Menschen“, so versteht Peter Berger ihren Zusammenhang und seit der Antike sind die alten griechischen Schauspiele ein beredtes Zeugnis von der tragisch-komischen Verwandtschaft unseres Lebens. Lachen und Weinen sind nur vordergründig Gegensätze, existentiell gesehen stehen sie beide auf der gleichen Seite, auf der Seite des Lebens gegen die Mächte des Todes, der Gefühllosigkeit und Leere.
Verbündete des Glaubens. Don Quijote ist ein solch tragikomischer Held, der gegen die Kerkermauern der Welt anrennt, um am Ende zu scheitern. Der Kulturwissenschaftler Alfred Schütz beschreibt ihn als “Heimkehrer in eine Welt, der er nicht angehört, eingesperrt in die Alltagswelt wie in ein Gefängnis. In diesem Gefängnis wird er vom grausamsten aller Folterknechte gefoltert: vom gesunden Menschenverstand, der sich der eigenen Grenzen bewusst ist.“ So hilfreich der gesunde Menschenverstand sein kann, er kann auch zur Qual werden, wenn es ihm an utopischen Momenten, an Visionen und Träumen mangelt. So sind Utopie und Humor miteinander verwandt: denn in beiden begegnet uns jene übersteigende, transzendente Kraft, mit der wir die Welt mit anderen, neuen Augen sehen können. Jene Relativierung der Wirklichkeit, von der bereits am Anfang die Rede war, ist ihnen zu Eigen und macht sie darin zu Verbündeten des Glaubens.
“Wenn ihr Christen nur erlöster aussehen würdet“... so lautet der Vorwurf manch Außenstehender, und man kann den Satz getrost mit,... dann wäret ihr viel glaubwürdiger“ beenden. In der Tat wirkt so manches im Laufe der Kirchengeschichte und im einzelnen Leben ziemlich unerlöst. All die Angst und die Sorge um das Seelenheil kann Ausmaße annehmen, die eher von einer Überzeugung der Unerlöstheit sprechen als von einem Glauben an den barmherzigen Gott und die Auferstehung Jesu Christi. In der Bergpredigt bei Matthäus erinnert Jesus die Menschen daran, dass zu viel der Sorge sehr hinderlich sein kann, das Reich Gottes anzunehmen. “Wer von euch kann mit all seiner Sorge sein Leben auch nur um eine kleine Zeitspanne verlängern?“ ( Mt 6,27), und bei Lukas heißt es in diesem Zusammenhang: “Fürchte dich nicht, du kleine Herde! Denn euer Vater hat beschlossen, euch das Reich zu geben.“ (Lk 12,32).
Erlöst sein macht gelassen. Wenn die Furchtlosigkeit und die Sorglosigkeit von daher auch ein Kennzeichen christlichen Glaubens sind, dann gehört mit Sicherheit auch das Lachen über die Welt mit zu ihren Eigenschaften. Nichts auf dieser Welt ist so absolut, so im Letzten sinnwidrig und tödlich, dass wir nicht darüber auch lachen könnten und dürften. Gerade weil der Glaube um das letzte Umfasstsein der Menschen durch Gott weiß, kann er mit den Grenzen, Fehlern und Schwächen barmherzig und schmunzelnd umgehen. Die Botschaft von der Menschwerdung Gottes verkündet diese große Freude: “Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren“ (Lk 2,11) Im Bewusstsein, dass der Retter bereits erschienen ist, können Menschen gelassen leben und müssen nicht verbissen die Welt und sich selbst noch erlösen wollen. Ein solcher im tiefsten verankerter Glaube schützt vor menschengemachten Ideologien, die per se immer humorlos sind, sondern fördert ein realistisches Einschätzen der Welt. Er hält damit ebenso die Spannung aus, dass Leben auch endgültig scheitern kann, aber eben nicht als “gleichrangige“ Möglichkeit von Gott her. Nicht der “Teufel“ sondern Gott spricht das letzte Wort über die Schöpfung.
Hat Jesus gelacht? Von daher ist die Frage, ob Jesus gelacht hat, verkehrt gestellt. Die Bibel erzählt nichts darüber, aber die Frage lautet wohl eher: Warum sollte er nicht gelacht haben? Alle Aussagen über ihn sprechen von einer unendlichen Gottesnähe, die ihm zueigen war, von seinem unerschütterlichen Vertrauen in den Vater. Wieso sollte gerade er die Angelegenheiten dieser Welt so tödlich ernst genommen haben, dass er über sie nicht hätte lachen können? Letztlich wäre das eine Vergottung der Welt, eine Vergötzung des Irdischen.
Gerade weil in Jesus Christus das menschliche Gefangensein in der Endlichkeit für immer überwunden wurde, dürfen Menschen aus tiefstem Herzen lachen. Die Kirche hat sich dieses Wissen in manchen Situationen durchaus bewahrt. So gab und gibt es in vielen Gemeinden den Brauch des Osterwitzes. Am Ende der Osternachtfeier erzählt der Priester der Gemeinde noch einen Witz, damit die zuvor gefeierte Freude über die Auferstehung nicht nur in der Innerlichkeit bleibt sondern auch wirklich den Gesichtern der Menschen anzusehen ist. Ein befreiendes Lachen über die Welt, weil die Menschen selbst Befreite sind.
Und so soll auch dieser Artikel mit einer zum Schmunzeln anregenden Geschichte enden, in der wiederum Albert Einstein eine Rolle spielt: “Als Albert Einstein gestorben und in den Himmel gekommen war, wollte man ihm wegen seiner großen Verdienste um das Wissen und Forschen einen Wunsch erfüllen. Einstein bedachte sich nicht lange und sagte: “Wenn ich wirklich einen Wunsch frei habe, dann möchte ich doch jetzt in Erfahrung bringen, woran ich in meinem Denken und Forschen immer wieder gescheitert bin.“ Und Einstein erbat sich, von Gott selbst die Weltformel zu hören. Gott begann, eine lange und komplizierte Formel aufzusagen. Einstein hörte aufmerksam zu, stutzte bald, schüttelte den Kopf, wurde immer unwilliger und rief schließlich: “Aber diese Formel ist voller Fehler!“ Da lächelte Gott und sagte: “Ich weiß.“
Wenn wir Menschen mal wieder an uns selbst verzweifeln könnten, dann tut es vielleicht gut, gemeinsam mit Gott über die eigene Fehlerhaftigkeit zu lächeln. Über sich selbst lachen zu können, gehört schließlich zu den besten Eigenschaften, die ein Mensch haben kann. Darin kann man dann auch einem großen Papst (Johannes XXIII.) folgen, von dem das Wort überliefert ist: “Johannes, nimm dich nicht zu ernst!“