Die sich aus Liebe verzehrt
Sie ist Deutschlands beliebteste Heilige aus dem Mittelalter. Bedingungslose Liebe und Hilfsbereitschaft machten Elisabeth von Thüringen zur Patronin der Caritas, der Witwen und Waisen, der Notleidenden. Beginnen wir das Elisabethjahr 2007 mit einem geistigen Einblick in ihr kurzes, aber bedeutendes Leben.
Die heilige Elisabeth von Thüringen, vor 800 Jahren geboren, ist Deutschlands populärste Heilige, der „Ruhm Deutschlands“. Mechthild von Magdeburg bezeichnet sie als „schnelle Botin“, weil sie in nur 24 Erdenjahren die ganze Bahn der Nachfolge Jesu durcheilte.
Etwa 800 Elisabeth-Kirchen in allen Kontinenten ermittelte die Universität von Marburg, jene Stadt, in der sie starb. Weder in der katholischen oder anglikanischen, noch in der orthodoxen Kirche gibt es eine Heilige, die öfter zur Patronin eines Gotteshauses erwählt wurde, als Elisabeth. Auch viele Einrichtungen der protestantischen Diakonie tragen ihren Namen. Mehrere Ordensgemeinschaften sind nach ihr benannt.
Begnadetes Kind. Geboren wird Elisabeth 1207 im ungarischen Sarospatak als Tochter des Magyaren-Königs Andreas II. und Gertrud von Andechs, einer Schwester der heiligen Hedwig, der Patronin Schlesiens. Sie ist verwandt mit bedeutenden europäischen Adelsgeschlechtern bis ins Kaiserhaus.
Elisabeth wird als Königstochter geboren und stirbt als Dienerin in einem Spital. Aus machtpolitischen Überlegungen hatte man sie dem ältesten Sohn des Landgrafen Hermann I. von Thüringen als künftige Frau versprochen, um die Verbindung zwischen dem Fürstenhaus Andechs-Meranien, dem Königshaus von Ungarn, und dem thüringischen Landgrafen-Geschlecht der Ludowinger zu festigen. Die vierjährige Prinzessin aus Ungarn wird zusammen mit ihrem künftigen Gatten auf der Wartburg erzogen und auf das Herrscherleben vorbereitet. Königin Gertrud hatte einen Brautschatz mitgegeben, „wie man ihn in Thüringen noch nie gesehen“: eine silberne Badewanne, goldene und silberne Gefäße, kostbare Tücher, Polster und Decken, „sehr kostbare Diademe“, „Geschmeide, Ringe und Halsketten, viele und kostbare Kleider“ (Dietrich von Apolda).
Die kleine Elisabeth ist ein munteres, ausgesprochen liebenswürdiges Mädchen mit echt ungarischem Temperament. Ludwig, sieben Jahre älter, versteht sich sehr gut mit seiner künftigen Gattin. Bereits als Kind ahnt sie etwas von Gottes Größe und ihrem eigenen Kleinsein. Gerne und oft macht sie Kniebeugen, „das Antlitz tief zu Boden geneigt“. „Vom zarten Kindesalter an finden sich alle Umrisse der Heiligen, wie wir sie kennen: Buße, Armut, Caritas“ (I. Friederike Görres). Die künftige Schwiegermutter Sophie protestiert: Wie ein „Bettelweib“ benehme sie sich. „Jeden Tag versagte sie sich irgend etwas, um Gott zuliebe ihren Willen zu bändigen“ (Vier Dienerinnen).
Fürstliches Liebespaar. Elisabeth und Ludwig verbindet große Frömmigkeit und tiefe Liebe. Ihre Ehe wird glücklicher, vertrauter und beseelter als es sonst damals an den Fürstenhöfen üblich war. Elisabeth heiratet Ludwig mit 14 Jahren. Sechs glückliche Ehejahre sind ihnen vergönnt, bevor Ludwig beim Kreuzzug stirbt. Elisabeth ist gerade 20 Jahre alt und steht nahe vor der Geburt ihres dritten Kindes.
Der zeitgenössische Chronist, Kaplan Berthold, schreibt: „Ihrer beider Herzen waren in süßer Liebe so miteinander verbunden, dass sie nicht lange von einander getrennt sein mochten.“ Elisabeth erlebt die unbedingte Liebe nicht nur im Verhältnis zu Gott, sondern auch in der Ehe mit ihrem Mann. Eine gelungene Partnerschaft, mit tiefen geistlichen Wurzeln! Ludwig und Elisabeth zeigen unverhohlen das Glück ihrer Ehe, das war Gesprächsstoff am Hof und unter dem Volk. Sie saß „entgegen der Gewohnheit anderer vornehmer Frauen immer an der Seite ihres Gemahls“ (Dietrich von Apolda).
Wann immer möglich, begleitete die Landgräfin ihren Gemahl, wenn er als Herrscher über Land ging. Damals gestand man einem Fürsten sexuelle Freizügigkeit zu, als Ausgleich dafür, dass bei der Heirat aus dynastischen Gründen persönliche Gefühle zu kurz kamen. Ludwig wies ehebrecherische Angebote empört zurück, weil er ein guter Christ war, aber auch „um meine Elisabeth nicht zu betrüben“ (Dietrich von Apolda).
Die Würde der Armen. Elisabeth wird sensibel für die Würde der Armen und Kranken durch die Begegnung mit dem Gekreuzigten, worüber Dietrich von Apolda berichtet: „Siehe, da hängt dein Gott nackt, und du, ein unnützer Mensch, gehst in kostbaren Kleidern einher. Sein Haupt wird von Dornen verwundet, und dein Haupt wird mit Gold geschmückt. So von innigem Mitleid ergriffen, fiel sie wie tot zu Boden.“
Fortan sieht Elisabeth den Gekreuzigten in jedem, der leidet und in Not ist, am meisten in denen, die von allen Menschen gemieden werden. Der Gekreuzigte hat sich in ihr Herz eingeprägt. Am Ende ihres Lebens kann sie sagen: „Ich brauche ein solches Bild (des Gekreuzigten) nicht; ich trage es ja im Herzen“ (Vier Dienerinnen).
Während der Hungersnot des Jahres 1225 – Ludwig war in Italien – verteilt sie die Getreidevorräte der Burg. Wirtschafter und Verwalter stehen kopf und beklagen sich später bei ihrem Ehemann, doch der antwortet: „Lasst sie Gutes tun und für Gott geben, was sie mag! Erhaltet meiner Herrschaft nur die Wartburg und die Neuenburg“ (Dietrich von Apolda).
Doch Elisabeth teilt nicht nur mit System und Klugheit aus, sie packt auch selber an. Sie rührt keine Speisen an, die nicht aus rechtmäßiger Quelle stammen, lieber bleibt sie hungrig. Ihr ist klar, dass das üppige, verschwenderische Leben an Fürstenhöfen nur auf Ausbeutung und Bauernschinderei beruhen kann.
Rosenwunder und Kruzifix. Elisabeth erfüllt praktische Christusmystik. Sie fühlt sich zu den Aussätzigen, Gemiedenen und Verstoßenen hingezogen und „küsst die schrecklichsten Beulen mit ihren Lippen“.
Gewöhnlich ist das Rosenwunder die Schlüssellegende der Heiligen. Ludwig bittet Elisabeth eines Tages – man hatte wieder einmal gehetzt, sie vergeude das ganze Vermögen – zu zeigen, was sie bei ihrem Abstieg von der Burg unter ihrem Mantel verberge. Da seien blühende, rote Rosen zum Vorschein gekommen. Von niemandem, auch von ihrem allerliebsten Ludwig nicht, lässt sie sich abhalten, dem armen Jesus zu dienen.
Das Wunder mit dem Kruzifix führt uns in die gleiche Zeit. Man hatte Ludwig zugetragen, seine Frau habe einen Aussätzigen ins eheliche Schlafzimmer zur Pflege gebracht. Als er die Bettdecke zurückschlägt, findet er statt des Aussätzigen ein Kreuz, also den geschundenen Jesus.
Trauernde Witwe. Am Karfreitag - Elisabeth ist bereits ein halbes Jahr Witwe – legt sie in dem von ihr mitbegründeten Kloster der Minderbrüder die Hände auf den entblößten Altar und verzichtet auf ihren eigenen Willen, auf ihre Eltern, Kinder, Verwandten und alle Herrlichkeit der Welt. Sie will dem „Nacktgewordenen“ in den Fußspuren „der Armut und Liebe“ folgen.
Der Tod Ludwigs hatte sie tief getroffen. „Sie faltete die Hände über den Knien und sagte in überaus großer Trauer: ‚Gestorben? Dann ist mir die Welt gestorben und alles, was die Welt mir bieten kann.’ Sofort stand sie auf und eilte weinend in stürmischem Lauf durch den Saal. Außer sich, wie von Sinnen, wäre sie weitergelaufen, wenn ihr die Wand nicht Halt geboten hätte. Die Anwesenden traten hinzu und zogen sie von der Wand weg“ (Dietrich von Apolda). Elisabeth hat ihren Schatz in dieser Welt verloren: den Freund, den Geliebten, den Vater ihrer Kinder, den geistlich Vertrauten. Der „heißgeliebte Gemahl“ ist unwiderruflich tot.
Einige Monate später ruft sie ihr Onkel, der Bischof von Bamberg, zu sich. Kreuzfahrer machen mit den Gebeinen Ludwigs im dortigen Dom Station. Unter Tränen betet die Witwe: „Ich danke dir, Herr, dass du mich durch die heißersehnten Gebeine meines Gemahls so barmherzig getröstet hast. .... Könnte ich ihn zurück haben, würde ich die ganze Welt dafür geben, und wenn ich fortan mit ihm betteln müsste. Aber gegen deinen Willen – dafür bist du Zeuge – würde ich sein Leben niemals zurückkaufen wollen, selbst dann nicht, wenn es mich nur ein Haar kosten würde. Und so befehle ich ihn und mich deiner Gnade: Dein Wille geschehe an uns!“ (Vier Dienerinnen)
Elisabeth hat sich wieder gefangen und erfährt, welche Freiheit und welchen Halt Gott dem gibt, der sich ihm völlig übergibt.
Päpstlicher Schutz. Die Witwe Elisabeth, gerade 20 Jahre alt, mit drei Kindern, ist der geballten Macht ihrer Gegner auf der Wartburg ausgeliefert. Wurde sie weggejagt? Ging sie freiwillig? Man kann beides bejahen. Einige Mächtige, allen voran Heinrich Raspe IV., Ludwigs jüngerer Bruder, stellen sie vor die Alternative, sich dem höfischen Leben voll und ganz anzupassen oder die Wartburg auf immer zu verlassen. Elisabeth geht. Der Zugriff auf ihr Witwengut wird ihr untersagt. Sie verbringt die erste Nacht im Schuppen einer Schankwirtschaft. Um Mitternacht lässt sie beim Gebet der Franziskaner das „Großer Gott, wir loben dich“ anstimmen. So glücklich ist sie, nun zum armen Volk zu gehören.
Papst Gregor IX. nimmt Elisabeth unter seinen apostolischen Schutz und beauftragt ihren Beichtvater Konrad von Marburg mit der Wahrung ihrer Rechte. Konrad, der päpstliche „Kreuzzugsprediger“, erstreitet ihr das Witwengut und verbietet ihr fortan, als Bettlerin zu leben.
Elisabeth liebte ihre Kinder innig, doch bleibt sie realistisch. In der elenden Unterkunft in Eisenach kann sie diese nicht ernähren. Ihr Erstgeborener ist der gesetzliche Nachfolger seines Vaters Ludwig und wird später tatsächlich Landgraf von Thüringen. Er braucht eine standesgemäße Erziehung, dies gilt auch für die beiden Mädchen. Sie muss ihre Kinder hergeben.
Die Sorge um die drei nach der Trennung zerschneidet Elisabeth das Herz. Im Gebet findet sie ihren Frieden bei dem Gedanken, dass Gott bestimmt ihre Kinder nicht weniger liebt, als sie selbst. „Ich habe sie (meine Kinder) Gott empfohlen; er möge an ihnen tun nach seinem Wohlgefallen“ (Vier Dienerinnen). Die jüngste Tochter Elisabeths, Gertrud, stirbt 1297 als Äbtissin des Klosters Altenberg.
Nun kann sie als Arme unter Armen leben. Konrad, der geistliche Begleiter, Sachverwalter und „Vormund“ Elisabeths, fordert ihren strengen Gehorsam, bis zu ihrem Tod als Hospitalschwester in Marburg. Er ist überzeugt: Erst im Gehorsam vollendet sich die Armut und Demut.
Gekrönte Tote. Von der Abfindung, die Elisabeth erhält, kann schon 1229 in Marburg ein kleines Hospital für die Pflege der Ärmsten und Kränksten gebaut werden. Eine langgestreckte Krankenhalle mit einem Mittelgang; rechts und links davon Betten; anschließend eine kleine Kapelle mit Blickkontakt zum Krankensaal. Dazu kommen noch andere Bauten, wie Wohnungen und Wirtschaftsgebäude. Die Kapelle wird ihrem großen Geistesbruder, Franz von Assisi, geweiht. Er war kurz zuvor (1228) heilig gesprochen worden. Das kleine Hospital ist das erste Franziskusheiligtum nördlich der Alpen.
Um Elisabeth sammelt sich eine geistliche Gemeinschaft; es ist eine Art Säkular-Institut. Da die Mitglieder weder Laien noch Ordensfrauen sind, haben sie kein Ansehen. Elisabeth sagt: „Das Leben der Schwestern in der Welt ist sehr verachtet; aber wenn es einen noch verachteteren Lebensstand gäbe, hätte ich ihn gewählt.“
Die letzten drei Jahre bis zu ihrem frühen Tod lebt sie als Hospitalschwester ihre Liebe zu Christus, indem sie den besonders Kranken dient. Am 16. November 1231 stirbt Elisabeth im Alter von gerade 24 Jahren. An ihrem Grab sollen sich viele Wunder ereignet haben. Vier Jahre nach ihrem Tod wird sie von Papst Gregor IX. zur Ehre der Altäre erhoben. Durch die Spenden der Pilger konnte der Bau einer würdigen Grabeskirche begonnen werden: Die Elisabethkirche zu Marburg, in die man 1236 ihren Leichnam überführt. 12.000 Menschen kamen. Kaiser Friedrich II. geht barfuß und im Mönchsgewand hinter dem Sarg her. Er setzt der toten Heiligen eine Krone auf, angeblich mit den Worten: „Ich durfte sie auf Erden nicht zur Kaiserin krönen, so will ich sie jetzt ehren mit dieser Krone als ewige Königin im Reich Gottes.“