Geburt aus Wasser und Geist
Das Neue Testament gibt Zeugnis davon, dass es von Anfang an ein „heiliges Zeichen gab, das denen, die zum Glauben an den Messias Jesus kamen, gespendet wurde. „Sie ließen sich taufen, damit schließt die Pfingsterzählung in der Apostelgeschichte. Es geht um die Berufung in die Lebensgemeinschaft mit Christus, der seinen Jüngern die Verheißung gab: „Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt (Mt 28,20). Mit diesem Jesuswort schließt Matthäus sein Evangelium, nachdem er vorher auch den ausdrücklichen Auftrag Jesu überliefert hat: „Geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern, tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, und lehrt sie, alles zu befolgen, was ich euch geboten habe (Mt 28,19f). Dieser Auftrag spiegelt die liturgische Praxis der jungen Kirche wieder. Wir wollen nach Bedeutung und Sinn des Taufgeschehens fragen. Wie hat man die Symbolik des Wassers verstanden? Schließlich ist das Zeugnis der christlichen Frühzeit Leitbild für die Entfaltung der Taufliturgie geworden.
Doppelte Bedeutung. Wie alle großen Symbole der Menschheit hat auch das Wasser eine doppelte Bedeutung: Es ist ein Zeichen für Leben, Wachstum und Heil, ebenso aber kann es an Vernichtung und Tod denken lassen. Das Wasser, „das einem bis an die Kehle steigt.
Am Anfang der Schöpfung wird von Gottes Geist erzählt, der über dem Wasser – das als chaotische Urflut verstanden wird – schwebte. Durch die Scheidung des Lichtes von der Finsternis und die machtvolle Zuweisung der Chaos-Wasser an die für sie bestimmten Orte schafft Gott Leben und Lebensraum (vgl. Gen 1,1-6).
Nach der Sintflut, in der diese Ordnung durch die Sünde der Menschen zusammenbrach, wird sie im Bund Gottes mit Noah wieder hergestellt. „Nie wieder sollen alle Wesen aus Fleisch vom Wasser der Flut ausgerottet werden; nie wieder soll eine Flut kommen und die Erde verderben... (vgl. Gen 9,11).
Abstieg ins Chaos-Wasser. Warum hat Jesus sich der Umkehr-Bewegung des Täufers angeschlossen und ist in den Fluten des Jordans untergetaucht? Johannes hat sich gesträubt, Jesus zu taufen; er gab erst nach als Jesus ihn auf „Gottes Gerechtigkeit, die geschehen müsse verwies. Die Antwort „Gott will es so wird erst im späteren Leben und Sterben Jesu verständlich.
Der Sohn Gottes ist in die aus den Fugen geratene Schöpfung herabgestiegen, wie einst Gottes Geist am Anfang der Schöpfung auf die „Chaos-Wasser herabkam, um sie zu bändigen und zu ordnen. Durch seine Taufe wurde er dazu geweiht, den unteren Weg zu gehen, ein Diener zu werden, gehorsam bis zum Tod. Seinen Tod nannte er zweimal „eine Taufe (Mk 10,38; Lk 12,50). In diesem Tod vollendet sich der Abstieg in das „Chaos-Wasser. Er ist zugleich
Gipfel seiner Hingabe und seines Dienstes. Der Tod ist seine eigentliche Taufe.
Hineingetauft in den Tod. Der folgende Text bietet die eigentliche Tauftheologie des Neuen Testamentes: „Wisst ihr denn nicht, dass wir alle, die wir auf Christus getauft wurden, in seinem Tod hineingetauft worden sind? Wir wurden mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod; und wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt wurde, so sollen auch wir als neue Menschen leben. Wenn wir nämlich ihm gleich geworden sind in seinem Tod, dann werden wir mit ihm auch in seiner Auferstehung vereinigt sein... So sollt auch ihr euch als Menschen begreifen, die für die Sünde tot sind, aber für Gott leben in Christus Jesus (Röm 6,4 – 5.11).
Der Gedanke an Wasser als bloßes Reinigungsmittel zum „Abwaschen der Sünde reicht nicht aus um diese Taufunterweisung des Apostels nachzuvollziehen. Zum besseren Verständnis muss wörtlich, im Blick auf die Verbindung mit Christus, „hinein-taufen übersetzt werden. In der Einheitsübersetzung lesen wir „taufen auf.
Unterwelt entmachtet. Den Gedankengang des Apostels wird man sich so veranschaulichen dürfen: Die Urgewalt der Unterwelt (hebr.: scheol), die für Sünde, Tod und Chaos steht, wurde durch die Liebe und Hingabe Christi entmachtet. In diesen „getöteten Tod werden wir bei der Taufe hineingetauft (vgl. Röm 6,3).
Das „Todeswasser ist zum Wasser des Lebens geworden. Der Aussage „denn wir sind alle in einem Geist in den einen Leib (Christi) hineingetauft fügt Paulus sogleich hinzu, „und alle wurden mit dem einen Geist getränkt (vgl. 1Kor 12,13). Ähnlich wird Jesu Taufe im Jordan – sein vorweggenommenes Hinabsteigen in die Unterwelt, das heißt sein heilbringender Tod – bei seinem Heraufsteigen aus dem Wasser mit der Geisttaufe beantwortet. Vom Himmel hört er die Stimme: „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden. (vgl. Mk 1,9-11).
Biblische Symbolik. Ist das nicht ein düsterer Gedanke, dass man am frohen Tauftag „dem Tod geweiht ist? Aber kann etwas unserem Leben einen tieferen Sinn geben? Unser sterbliches Leben wird mit Jesus fruchtbar, nicht absurd! Ist auch das Wasser, in das wir hinabsteigen (nach dem Taufritus der alten Kirche), ein Zeichen des Todes; wenn wir aus ihm wieder aufsteigen, ist es ein Zeichen der Auferstehung und der Geburt.
Lange Zeit ist die Taufe durch Untertauchen gespendet worden. In den Ostkirchen wird dieser Ritus noch geübt und macht die biblische Symbolik deutlich. Der alte Mensch, das ist der Mensch des Egoismus, der Finsternis und des Hochmuts, wird zum Tod bestimmt. Der alte Mensch stirbt mit dem Tod Christi. Das bedeutet für den erwachsenen Täufling zuerst einmal die Vergebung der Sünden. Für alle Getauften aber gilt es, der Taufe gemäß zu leben und den Weg Jesu nachzugehen.
Die Osternacht, die Nacht der Auferstehung Jesu, war durch Jahrhunderte bevorzugte Zeit der Taufspendung. Dieser alte und sehr sinnvolle Brauch wird heute wieder erneuert und gefördert.
„Taufe des Wassers. In der Osternacht wird dem Licht (Osterkerze) und dem Wasser ein Preislied gesungen. Das Wasser wird für seine Bestimmung geweiht. Das laut gesungene Gebet erschließt die Fülle der symbolischen Bedeutung des Wassers in der Heilsgeschichte.
Gepriesen bist du, Gott, allmächtiger Vater.
Mit unsichtbarer Macht wirkst du das Heil der Menschen durch sichtbare Zeichen.
Auf vielfältige Weise hast du das Wasser dazu erwählt,
dass es hinweist auf das Heilsgeschehen der Taufe.
Schon im Anfang der Schöpfung schwebte dein Geist über dem Wasser
und schenkte ihm die Kraft, zu retten und zu heiligen.
Selbst die Sintflut ist ein Bild für die Taufe;
denn das Wasser brachte der Sünde den Untergang
und heiligem Leben einen neuen Anfang.
Die Kinder Abrahams hast du aus Pharaos Knechtschaft befreit
und trockenen Fußes durch das Rote Meer geführt.
In der Wüste hast du mit Wasser aus dem Felsen ihren Durst gestillt.
So sind sie ein Bild der Getauften,
die du befreit hast aus der Knechtschaft des Bösen.
Sie gepriesen Gott, unser Vater, für deinen geliebten Sohn, Jesus Christus.
Er wurde von Johannes im Jordan getauft
und von dir gesalbt mit Heiligem Geiste.
Als er am Kreuz hing flossen aus seiner geöffneten Seite Blut und Wasser
als Zeichen des Neuen und Ewigen Bundes.
So gab er seiner Kirche Ursprung und Leben.
Heute führst du uns zusammen an diesem Ort als dein heiliges Volk,
als Glieder des einen Leibes Christi, als Tempel des Heiligen Geistes.
Darum bitten wird dich, allmächtiger Gott,
erneuere durch das Zeichen dieses Wassers in uns die Gnade der Taufe ...
AMEN.
Element des Lebens. Das Wasser ist in der Bibel auch ein Symbol des Lebens. Denken wir an die Paradiesströme, deren Wasser für die messianische Zeit erwartet werden (vgl. Ez 31,1-10). Jesus verheißt am Jakobsbrunnen Wasser, das ewiges Leben schenkt (Joh 4,14). Im Ritus der Taufwasserweihe senkt der Priester die Osterkerze dreimal ins Wasser und spricht: Durch deinen geliebten Sohn steige herab in dieses Wasser die Kraft des Heiligen Geistes, damit alle, die durch die Taufe mit Christus begraben sind in seinem Tod, durch die Taufe mit Christus auferstehen zum ewigen Leben. Hat nicht auch die heutige Psychologie aufs neue entdeckt, dass Wasser für uns Menschen einen tieferen Symbolwert hat? Alles Leben auf Erden stammt aus diesem Element. In der Urzeit gab es Leben nur im Meer. Vor der Geburt ist der Mensch im Fruchtwasser geborgen. Gott hat diesem mütterliche Element vorherbestimmt, ein wirksames Zeichen der himmlischen Geburt zu werden.
Zweite Geburt. Der Mensch tritt in die Kirche ein durch eine Geburt. Oft möchten wir auch die Frage des Nikodemus stellen: „Wie kann einer, der schon alt ist, geboren werden? Jesus antwortet ihm: „Amen, amen, ich sage dir: Wenn jemand nicht aus Wasser und Geist geboren wird, kann er nicht in das Reich Gottes kommen (Joh 3,5).
Wer getauft wird, empfängt ein neues Leben „aus Wasser und Geist. Darum ist Getauft-werden viel mehr als sich einem Verein anzuschließen.
Kurz vor der Taufzeremonie wird das Glaubensbekenntnis abgelegt. Für Kleinkinder tun es Eltern und Paten in Stellvertretung. Danach fließt das Wasser über den Täufling begleitet von den Worten: „Ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes (vgl. Mt 28,19). Das Wasser sagt Geburt, das Wort sagt, was für eine Geburt: dass der Heilige Geist in uns eingeht, uns Leben schenkt, und zum Sohn, oder zur Tochter des Vaters im Himmel macht.
Rituelle Waschungen wurden zur Zeit Jesu von allen Gruppen im Judentum geübt. Es geht hier nicht um Bußriten zur Sündenvergebung, sondern um Reinigungsriten, die wir heute oftmals als hygienische Maßnahmen bezeichnen könnten. Bestimmte Krankheiten, geschlechtliche Vorgänge, Menstruation, die Geburt, aber auch die Berührung von Toten kann „verunreinigen. Um vor Gott hintreten zu können, musste man sich auch äußerlich vorbereiten und „reinigen, das heißt aber nicht dass die Umkehr – die moralische Reinheit – nicht gefragt gewesen wäre. Freilich fällt der Vollzug äußerer Riten oft leichter als ehrlich das Gebet zu sprechen: „Erschaffe mir ein reines Herz (Ps 51,12). Johannes hat die Taufe, im Gegensatz zu den wiederholbaren Reinigungsriten, nur einmal gespendet und sie ganz ausdrücklich mit dem Sündenbekenntnis und der Umkehr verbunden. Seine Taufe, das heißt das von ihm vorbereitete und begleitete Untertauchen im Jordan, könnte als charismatischer Erneuerungsritus gedeutet werden. Er will, wie die Propheten vor ihm, das Volk zur Erneuerung der Bundestreue und zur „ersten Liebe zurückführen.
Es gibt rabbinische Erklärungen zu den vielfältigen Wasserriten, die sie verinnerlichen. Da Gott die Quelle des Lebens ist (vgl. Ps 36,10), kann Israel nur in Gott sein reinigendes Bad finden.
Unauslöschliches Zeichen. Der christlichen Taufe ähnlich ist das rituelle Vollbad, dem sich jeder unterziehen muss, der als Heide in das Judentum aufgenommen werden möchte.
Unsere Taufe, die meist bald nach der Geburt gespendet wird, kann durchaus mit der jüdischen Beschneidung verglichen werden (vgl. Gen 17,11; Lk 2,21). Der Beschneidungsritus wird am achten Tag nach der Geburt eines männlichen Kindes vollzogen.
Wenn die Kirche von einem „unauslöschlichen Zeichen spricht, das die Taufe einprägt, trifft sie sich mit dem Judentum. Die Berufung von Gott her lässt sich nicht ungeschehen machen. Deswegen kann auch die Taufe nur einmal gespendet werden. Die bloße Berufung auf die Zugehörigkeit zum Bundesvolk Israel oder zur Kirche genügt vor Gott nicht. Die Zugehörigkeit muss im Glauben und Leben vollzogen werden. Gott kann auch aus Steinen Kinder Abrahams machen (vgl. Mt. 3,9).