Liebe Freunde
Nach dieser vertrauten Anrede darf ich Ihnen einige ganz persönliche Mitteilungen machen. Diese werden Sie auch erwarten, angesichts des ungewöhnlichen Fotos. Aufgenommen wurde es im Refektor des Franziskanerklosters Würzburg am 2. Februar, also an Mariä Lichtmess. Dies war früher ein Tag, an dem die Dienstleute entlohnt und die Dienstverträge erneuert wurden. Der Konvent Würzburg trifft sich an diesem Tag mit den Angestellten des Hauses zu einem Weißwurst-Frühstück. Auch Frau Sabine Haubner, unsere Redakteurin im Mutterschutz, war gekommen. So bekam ich zum ersten Mal ihr Töchterlein Felicitas Antonia (!) zu Gesicht. Ein prächtiges und auch braves Mädchen: Zwei Stunden lang wurde sie herumgereicht, an Wangen und Kinn gestreichelt – und ist nicht aufgewacht. Offensichtlich haben junge Mütter auch ungestörte Zeiten.
Ja, und was empfindet so ein alter Pater mit einem Baby auf dem Schoß, das noch keinen Monat alt ist? Selten konnte ich mich so gut in eine Situation hineinfühlen, die im Evangelium beschrieben wird. Denn wenige Stunden zuvor hatte ich bei der Messfeier zum Fest der Darstellung des Herrn das Evangelium nach Lukas vorgetragen, wie Maria und Josef das Jesuskind zum Tempel nach Jerusalem brachten. Der greise Simeon hält das Kind preisend in seinen Armen. Leider schildert der Evangelist nicht, ob auch der Jesusknabe seine Präsentation im Tempel „durchgeschlafen“ hat oder nicht. Andererseits, wer weiß, welcher Schrecken Felicitas erspart geblieben ist, denn sie hätte beim Aufwachen ja nicht in das liebevoll lächelnde Gesicht ihrer Mutter Sabine geblickt…
Mit einer Mischung aus Angst und Misstrauen blickt das Kind auf dem Titelfoto in die Welt. Nicht jeder macht am Anfang seines Lebens die Erfahrung, geliebt und angenommen zu sein. Darauf wird im „Thema des Monats“ verwiesen. Doch als Christen wissen wir: Letzter Grund unseres Lebens ist Gott, der die uneingeschränkte Liebe ist.
Genau dies wählte Papst Benedikt XVI. als Thema seiner ersten Enzyklika. Sie zeigt das christliche Bild von Gott und vom Menschen. Lesen wir den päpstlichen Text einmal mit den Augen eines gläubigen Muslims. Passt die Aussage „Gott ist die
Liebe“ aus dem ersten Johannesbrief (4,16) in sein Bild von Gott? Ist er einverstanden mit den Folgerungen, der Verpflichtung zur Nächstenliebe, ja zur Feindesliebe? Das Anliegen des Papstes an uns Christen ist deutlich: „Jesus hat das Gebot der Gottesliebe mit demjenigen der Nächstenliebe zu einem einzigen Auftrag zusammengeschlossen. In einer Welt, in der mit dem Namen Gottes bisweilen die Rache oder gar die Pflicht zu Hass und Gewalt verbunden wird, ist dies eine Botschaft von hoher Aktualität und von ganz praktischer Bedeutung.“
Ihnen und mir wünsche ich einen guten Weg hinauf nach Ostern. An drei Fingern können wir abzählen, worauf zu achten ist: Beten, Fasten, Almosen. Dass diese liturgische Zeit ein Durchgang zur Auferstehung sei, wünscht Ihnen von Herzen
Ihr
P. Polykarp