Liebe Freunde!

01. Januar 1900 | von

Juli und August - damit verbinden die meisten Menschen in unseren Ländern Urlaub, Reisen, neue, erfreuliche Erfahrungen. All jenen unter Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, die sich eine Zeit der verdienten Erholung gönnen, ein herzlicher Gruß von mir und meinen Mitbrüdern aus der Basilika.

Als Mitglieder der Antonianischen Familie denken wir natürlich auch an jene Freunde, deren Lebensqualität durch Krankheit oder wirtschaftliche Engpässe eingeschränkt ist - sie werden sich besonders in diesen Sommermonaten ihrer Einsamkeit und der täglichen Mühsal bewußt. Möge der Sendbote diesen Menschen und Ihnen allen die Gewißheit der echten Nähe zu den anderen Freunden des heiligen Antonius schenken. Eine Nähe, die von einer noch viel tiefer gründenden Verbindung herrührt: Wir sind Kinder des einen Gottes, der um die Sorgen eines jeden von uns weiß und uns nicht in dem Gefühl der Einsamkeit und Nutzlosigkeit allein läßt. Auch unser Heiliger will jenen, die auf seine Worte hören diese Liebe des himmlischen Vaters, die uns zu Brüdern macht, bezeugen.

Ein Leben ohne Anregungen von außen muß nicht zwingenderweise traurig und leer sein. Ende Mai ist der bedeutende italienische Romancier Luigi Santucci gestorben. Für seinen gefestigten, bisweilen aber von Zweifeln erschütterten Glauben, zieht er folgenden Schluß: Glück ist ein eher kapillares Phänomen - zu finden in den kleinen Dingen und verborgen im Takt einer jeden Stunde unseres Lebens, im Atmen der Jahreszeiten, dem Duft der Luft und dem Aroma der Stunden. Die Greuel von Gewalt und Ungerechtigkeit, die uns ständig umgeben, unsere persönlichen Niederlagen und Krisen können gerade durch die Entdeckung der einfachen Dinge überwunden werden. Sie schenken uns immer wieder Freude. Dazu braucht es natürlich den Blick des Glaubens, der in die Tiefe geht und auch Anlaß zu Freude findet und Vertrauen in das Leben gibt, selbst wenn wir beispielsweise an Bett oder Rollstuhl gefesselt sind. Probleme und körperliche Begrenztheiten können zu einer Chance des menschlichen Wachstums werden, wenn wir mit Weisheit die Dinge angemessen bewerten und wir zugleich aufmerksam werden für das, was die uns nahe stehenden Personen wirklich brauchen.

Eine Reise kann auch in unser Inneres führen. Durch sie können wir die Dinge und Ereignisse unseres Alltags erkunden, uns an neuen Entdeckung erfreuen, ohne zu den angesagten touristischen Zielen aufbrechen zu müssen. In einem alten Film heißt es: Die schönsten Reisen macht man am Fenster - im eigenen Haus und ohne groß phantasieren zu müssen. Es genügt, mit neuem Blick das zu entdecken, was wir vor unseren Augen haben.

Eine Reise, die mit noch erstaunlicheren Entdeckungen und unerschöpflichen Freuden auf uns wartet, kann von uns allen angetreten werden. Der spanische Mystiker und Schriftsteller Fray Luìs de León, der im 16. Jahrhundert lebte, bemerkte, daß in Gott sind immer wieder neue Meere zu entdecken sind, je länger man zur See fährt Je mehr wir in die Unendlichkeit der Ozeane Gottes eintauchen, desto mehr neue Horizonte tun sich uns auf, desto faszinierender werden die Entdeckungen. Man gelangt von einem Wunder zum nächsten, vom Licht in neues Licht, bis man sich schließlich ganz in ihm verliert. Erfahrungen Privilegierter, nur der spirituellen Elite zugänglich? Jesus hat uns gelehrt, daß Gott gerade den Kleinen seine Geheimnisse offenbart, denen, die sich ihm in aller Einfachheit und vertrauensvoll öffnen. In diesem Sinne lassen Sie uns gegenseitig eine gute Reise wünschen.

 

 
Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016