Treffen der Religionen
Vor 25 Jahren, am 27. Oktober 1986, blickte die Welt auf Assisi. Papst Johannes Paul II. hatte die Vertreter der Weltreligionen zu einem Gebet um den Frieden in die Stadt des heiligen Franziskus gerufen. Manche warnten damals vor Synkretismus, einer unzulässigen Vermischung von Religionen. Zum Jubiläum nun lädt Papst Benedikt XVI. Menschen guten Willens ein. Der Autor, Pilger- und Touristenseelsorger am Sacro Convento in Assisi, gibt Hintergrundinformationen.
Der diskrete Hinweis eines italienischen Fernsehjournalisten allarmierte im Januar 1986 die Franziskaner-Minoriten vom Sacro Convento in Assisi: „Achtet genau auf die Worte des Heiligen Vaters heute Abend in der Basilika San Paolo!“ An jenem Weltgebetstag für die Einheit der Christen kündigte Johannes Paul II. ein interreligöses Friedenstreffen in Assisi für Oktober an. Jetzt, 25 Jahre später, lädt Papst Benedikt XVI. Menschen guten Willens für den 27. Oktober nach Assisi ein.
Die päpstliche Initiative von 1986 traf die Minoriten an der Grabeskirche des heiligen Franziskus nicht unvorbereitet. Seit jeher gilt Franziskus als Integrationsfigur auf dem Gebiet von Ökumene und interreligiösem Dialog. Mit seinem Frieden stiftenden Besuch und seiner Predigt vor dem Sultan Melek-el-Kamil von Ägypten 1219 setzte Franziskus ein unübersehbares Zeichen. In der Folge dieser aufsehenerregenden Begegnung waren Brüder des Ordens als päpstliche Berater und Vermittler im Vorderen Orient aktiv. Der Dienst der Franziskaner an den christlichen Stätten im Heiligen Land garantiert bis heute die Präsenz der katholischen Kirche, unter oft nicht leichten Bedingungen.
DIALOGZENTRUM IN ASSISI
Im Zweiten Vatikanischen Konzil erhielten die Ökumene und der Dialog zwischen den Religionen neuen Auftrieb. Unser Generalminister P. Basilius Heiser leitete die Gründung eines
Dialogzentrums in Assisi ein. Zuvor hatten Minoriten des Sacro Convento, vor allem Brüder aus den Niederlanden und Deutschland, Kontakte zu Christen anderer Konfessionen aufgebaut. In der Casa di Betania im Zentrum von Assisi und im nahen Rocca Sant‘Angelo sorgte sich der langjährige deutsche Pilgerseelsorger P. Gerhard Ruf besonders um Gruppen evangelischer Mitchristen. Über mehrere Jahrzehnte prägte dann P. Massimiliano Mizzi aus Malta die Ökumenearbeit. Heute wird das „Franziskanische ökumenische Dialogzentrum“ von P. Silvestru Bejan aus der rumänischen Ordensprovinz geleitet.
Das Gebetstreffen von 1986 in Assisi war atmosphärisch noch ganz geprägt vom Klima des Kalten Krieges und den Konfrontationen im Ost-West-Konflikt. Es brachte eine verstärkte Aufmerksamkeit für das fruchtbare Zusammenwirken der Weltreligionen zur Sicherung des Weltfriedens. Zahlreiche Initiativen und Begegnungen „im Geist von Assisi“ folgten, auch organisiert von der internationalen Gemeinschaft Sant’Egidio. Das zweite interreligiöse Treffen im Jahr 1993 hatte als Hintergrund den Krieg im ehemaligen Jugoslawien und führte vor allem die Vertreter der dortigen Religionsgemeinschaften zusammen. Die veränderte weltpolitische Lage und der Schrecken der Terroranschläge vom 11. September 2001 in New York veranlassten dann Papst Johannes Paul II. im Jahre 2002 von neuem, die Delegierten der verschiedenen Glaubensrichtungen nach Assisi, der Stadt des Friedens, einzuladen.
PILGER FÜR DEN FRIEDEN
Im Januar 2011 lud Papst Benedikt XVI. für den 27. Oktober nach Assisi ein, um die Stadt des heiligen Franziskus sozusagen für einen Tag zur Welthauptstadt des Friedens zu machen. Über die Grenzen der Religionen hinweg sollen alle Menschen guten Willens angesprochen werden, denen der Frieden ein Anliegen ist, also auch nichtreligiöse Persönlichkeiten. Sofort bestürmten Journalisten aus aller Welt den Pressesprecher des Sacro Convento, P. Enzo Fortunato. Binnen weniger Stunden wurden über 170 Akkreditierungen von Nachrichtenagenturen und Fernsehteams gemeldet. Assisi wird an diesem Tag wirklich im Blickpunkt der Weltpresse stehen.
Einer gewissen Tradition folgend, reisen der Papst und die Delegierten der Religionen mit dem Zug von Rom kommend nach Umbrien, vorbereitet und eingestimmt durch eine Gebetsvigil am Vorabend im Petersdom. Bei der Eröffnungsveranstaltung in der Basilika Santa Maria degli Angeli wird an Papst Johannes Paul II. erinnert und die inhaltliche Thematik des Treffens angegangen. Es folgt ein einfaches Mahl im nahen Franziskanerkloster und eine Zeit der Stille und persönlichen Vertiefung.
Gemäß dem Leitwort des Tages „Pilger für die Wahrheit, Pilger für den Frieden“ werden am Nachmittag die Vertreter der Religionen mit weiteren Gästen und Gläubigen zu Fuß hinauf zur Basilika San Francesco pilgern. Im Schatten der Grabeskirche wird der feierliche Appell für den Weltfrieden erneuert.
Um jeden Anschein von Synkretismus – also der unzulässigen Vermischung verschiedener Religionen – auszuschließen, wird der gesamte Gebetsteil in Stille stattfinden. Zum Abschluss wird sich der Papst in die Krypta der Basilika zum Gebet am Grab des heiligen Franziskus begeben; auch die anderen Gäste und Delegierten sind zum Besuch der Basilika eingeladen.
Mit großer Freude erwarten die Brüder und Schwestern der franziskanischen Familie in Assisi diese Begegnung für den Frieden und grüßen alle, die an diesem Ereignis teilnehmen werden mit den Worten des heiligen Franziskus: „Il Signore vi dia la pace – der Herr gebe euch den Frieden!“