Gefährliche Stille

23. Mai 2008



as Wort Aids ist die Abkürzung für das englische „



Ein HIV-positiver, also infizierter Mensch lebt meist viele Jahre ohne Beschwerden. Doch nach und nach wird sein Immunsystem zerstört, so dass er schließlich keine körpereigenen Abwehrkräfte mehr hat. Auf diese Weise wird er anfällig für Krankheiten wie Lungenentzündung oder Krebs, die schließlich zum Tode führen.



 



Hoffnungslose Lage. „Viele Menschen verbinden mit dem Wort AIDS Hoffnungslosigkeit." Dieser Satz der Deutschen Bischöfe aus dem Jahr 1997 fasst gut zusammen, was den Schrecken dieser Krankheit ausmacht: ob Hoffnungslosigkeit für die Kranken und deren Angehörigen angesichts der Unheilbarkeit oder Hoffnungslosigkeit für ganze Völker angesichts der seuchenartigen Ausbreitung in einigen Staaten, ohne dass ein Impfstoff in Sicht wäre. An dieser Situation der Hoffnungslosigkeit hat sich nichts verändert, seit Anfang der 1980-er Jahre die ersten Krankheitsfälle beschrieben wurden. Zunächst hielt man die Erkrankung für ein Problem von speziellen Gruppen wie Homosexuellen oder Drogenabhängigen. Pharisäerhaft sprachen manche Leute daraufhin von einer „Strafe Gottes" für solchen Lebenswandel. Sie übersahen dabei aber, dass Jesus selber die Vorstellung, eine Krankheit könne Folge einer Sünde sein, abwehrte: Als ein Jünger fragte, ob ein Blinder am Wegesrand wegen seiner eigenen Sünde oder wegen der seiner Eltern erkrankt sei, antwortete er: „Weder er noch seine Eltern haben gesündigt!" (Joh 9, 1-3).



Der Schrecken in der Gesellschaft wurde noch größer, als klar wurde, dass letztlich alle Bevölkerungsschichten betroffen sein können. Da es lange dauert, bis die Krankheit ausbricht, kann ein Infizierter unwissentlich andere Menschen anstecken. Gerade in diesem Frühjahr wurde in den USA ein Krankenhausskandal bekannt, in dem vermutlich über vier Jahre hinweg Einwegspritzen vom Klinikpersonal mehrfach verwendet wurden. 40.000 ehemalige Patienten sind nun aufgerufen, sich auf Hepatitis und HIV testen zu lassen. Wie viele mögen angesteckt worden sein?



 



Infiziert. In Deutschland leben derzeit zwischen 50.000 und 60.000 Männer, Frauen und Kinder mit HIV oder Aids, in der Schweiz sind es ungefähr 25.000, in Österreich 12.000 bis 15.000. Jährlich kommen in Deutschland etwas mehr als 2.000 dazu, in der Schweiz über 700, in Österreich etwa 450. Auffällig ist, dass die Ansteckungsrate in den letzten Jahren wieder gestiegen ist. Nachdem der Schock der ersten Jahre und die Angst vor einer weltweiten Seuche abgeflaut sind, sind auch das öffentliche Interesse und die persönliche Vorsicht wieder gesunken. Hier sieht die vor 25 Jahren gegründete Deutsche Aids-Hilfe einen Schwerpunkt ihrer Arbeit: Das Thema Aids muss im Bewusstsein der Menschen bleiben, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern. Die anderen beiden Hauptziele des Netzwerkes lauten: „die Förderung der Gesundheit Infizierter, damit sie nicht krank werden …, und die Erhaltung der Lebensqualität von Erkrankten" (aus dem Leitbild, zitiert nach



Auch wenn die Kirche bei der Vorbeugung andere Wege wünscht als die Aufklärungskampagnen der Aidshilfe, so teilt sie doch deren Sorge um die Menschen. In dem bereits zitierten Papier „Die Immunschwäche AIDS – Eine pastorale Aufgabe der Kirche" von 1997 wird ausdrücklich die Integration der Kranken und deren Angehörigen gefordert. Christen sind aufgerufen, in dieser Situation „die Nähe Gottes spürbar (zu) machen" (S.17). Dies kann durch praktische Hilfe bei der Pflege geschehen, ebenso wie durch die Einbindung in das Leben der Gemeinden: „Ein vom Glauben getragener, würdevoller Umgang mit HIV-Infizierten und AIDS-Kranken entspricht dem Reden und Handeln Jesu Christi" (S.16).



 



AIDS betrifft alle. Dies gilt auch und besonders für den Blick über unseren europäischen Tellerrand hinaus, vor allem auf das südliche Afrika. Nach Angaben der Hilfsorganisation Missio sind dort derzeit ungefähr 30 Millionen Menschen mit HIV angesteckt. Die durchschnittliche Lebenserwartung ist in vielen Ländern rapide gesunken. Aids betrifft nicht nur das Leben Erwachsener (in Südafrika zum Beispiel sind etwa 20 Prozent der Bevölkerung zwischen 15 und 49 Jahren infiziert), sondern auch das von Kindern: Viele tragen selber das Virus in sich, manche pflegen ihre Eltern, andere können nicht zur Schule gehen, weil die kranken Eltern dafür kein Geld haben, Millionen leben als Waisen. Das Kinderhilfswerk UNICEF schätzt, dass es bis zum Jahr 2010 in Afrika 20 Millionen Aidswaisen geben wird. So ist ein ganzer Kontinent in seinen Grundstrukturen gefährdet.



Weltweit sind bislang 25 Millionen Menschen an Aids gestorben, etwa 6.000 jeden Tag. Gleichzeitig stecken sich täglich etwa 8.000 Personen neu an (Daten der Vereinten Nationen: www.unaids.org). Die derzeitige Stille um das Thema Aids ist also trügerisch. Und wenn sie mit Wegsehen und Nicht-Wahrhabenwollen gepaart ist, wird sie sogar gefährlich sein.



 


Acquired Immune Deficiency Syndrome", zu Deutsch in etwa: erworbene Immunschwäche. Wir verstehen darunter eine Erkrankung, die durch das HI-Virus (Humanes Immunschwächevirus) verursacht wird. Das Virus kann nur durch Körperflüssigkeiten übertragen werden, zum Beispiel beim Geschlechtsverkehr oder beim Stillen. In Tränen, Speichel oder Urin ist die Konzentration des Erregers allerdings so gering, dass eine Übertragung nicht stattfindet. So ist das gemeinsame Verwenden eines Trinkglases zum Beispiel ungefährlich.www.aidshilfe.de).

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016