Die Schwarze Madonna in der Antoniusbasilika
Nach Franziskus’ Vorbild nahmen sich Antonius und seine Mitbrüder der Erneuerung des Paduaner Kirchleins Sancta Maria Mater Domini an. Doch auf der Suche nach der ersten Ruhestätte des Heiligen finden Touristen heute im Reiseführer anstelle der Kapelle der Mutter des Herrn eine Kapelle der Schwarzen Madonna.
Zehntausende von Besuchern zieht es jedes Jahr aus aller Welt nach Padua. Dort wollen sie das Grab des heiligen Antonius mit eigenen Augen sehen. Doch was hat damals eigentlich Antonius nach Padua gezogen?
Die wenigen schriftlichen Zeugnisse berichten, dass er nach dem Aufenthalt in verschiedenen Städten Norditaliens und Frankreichs dann in den Jahren von 1227 bis 1230 Minister des Franziskanerordens für die Provinz Romagna war.
Friedensprediger. Diese Provinz umfasste damals fast ganz Norditalien von Genua über Mailand und Padua bis nach Venedig. Schon allein die Tatsache, dass der Orden in Padua unter seiner Verantwortung als Provinzialminister stand, macht klar, dass Antonius in jenen Jahren in die aufstrebende Stadt gekommen sein muss. Genau dies bestätigen auch die mittelalterlichen Quellen, die ja leider oft sehr sparsam mit genauen Daten umgehen, denen aber zu entnehmen ist, dass Antonius sich 1229 und 1230 in Padua aufgehalten hat. Zum einen berichten sie, dass er in dieser Zeit dort seine Sermones für die Sonntage fertig gestellt hat und zum anderen informieren sie uns, dass Antonius in einem angespannten politischen Konflikt zwischen dem Adligen Rizzardo di San Bonifacio und dem Stadtherrn von Verona, Ezzelino da Romano, als Friedensprediger zur Hilfe gerufen wurde.
Kleine Kirchen. Welche Situation fand der neue Provinzial in Padua bezüglich des Franziskanerordens vor? Nun, schon das Amt allein – erst seit zehn Jahren teilte man die Niederlassungen in Provinzen ein – zeigt, dass der junge Orden in den letzten Jahren rasant angewachsen war und immer strukturierter wurde. In Padua hatten sich die Franziskaner um 1220 angesiedelt. Zur Zeit von Antonius waren sie bereits mit zwei Konventen vertreten. Die Angaben zur Gründung verlieren sich zum Teil jedoch in Legenden. So soll das im Norden der Stadt gelegene Kloster in Arcella, in dem Antonius 1231 starb, 1220 von Franziskus persönlich gegründet worden sein. Sicher ist, dass einige Jahre später 1225/26 in Arcella ein Kloster der Klarissen errichtet wurde. Ob dieser Doppelkonvent den Minderbrüdern mit der Zeit zu klein geworden ist oder ob sie bereits parallel ein zweites Kloster im Südosten der Stadt gegründet hatten, ist aus den Quellen nicht eindeutig zu entnehmen. Im Jahr 1229 waren sie auf jeden Fall mit dem Konvent bei der Kirche Sancta Maria Mater Domini am Ort der heutigen Basilika präsent.
Die Kirche lag in der Contrada Ruthena direkt in Stadtnähe, aber noch außerhalb der damaligen Stadtmauern. Jene Kirche ist noch heute in ihren Grundzügen in der Cappella della Madonna Mora als Verlängerung des linken Querhausarms der Basilika erhalten. Die Kirche Sancta Maria Mater Domini mit den Maßen 7 mal 14 Meter war sehr klein, wie viele der ersten franziskanischen Gotteshäuser. Die Kapelle von Porziuncola bei Assisi zum Beispiel misst nur 4,1 mal 9,7 Meter. In der Anfangszeit unternahmen die Franziskaner kaum Kirchenneubauten, sondern richteten alte verfallene Kirchen wieder neu her.
Erhaltene Ruhestätte. Höchstwahrscheinlich war auch Sancta Maria Mater Domini eine bereits bestehende Kirche, die den Minderbrüdern anvertraut worden war und von ihnen erneuert wurde, denn die Quellen berichten vom Abschluss einer Restaurierung 1229, also in der Zeit, als Antonius als Provinzialminister verantwortlich für Padua war. Vielleicht hat er, dem Beispiel des Franziskus folgend, der das zerfallene Kirchlein von San Damiano wieder aufbaute, sich besonders der Erneuerung dieser Kirche gewidmet. Dafür spricht seine Niederlassung in Padua, nachdem er 1230 sein Amt als Provinzial niederlegte und sich wieder vorrangig der Predigertätigkeit zuwandte und natürlich vor allem sein ausdrücklicher Wunsch, in eben jener Kirche begraben zu werden.
Die erste Lebensbeschreibung des heiligen Antonius, die Assidua, berichtet, dass der Leichnam des Heiligen 1231 in einem ebenerdigen Sarkophag in der Kirche des Konvents beigesetzt wurde. Dort blieb er für die nächsten Jahrzehnte, während der große Neubau direkt an die alte Kirche angeschlossen wurde. Bis zum Jahr 1935 ging man davon aus, dass man von Anfang an vorgesehen hatte, die erste Ruhestätte des Heiligen zu erhalten. Bei der Vorbereitung der Wände des Querschiffs für die Fresken von Achille Casanova wurden 1935 allerdings zwei große zugemauerte Fenster an der Südwand der Cappella della Madonna Mora entdeckt. Dies bedeutet, dass bei dem ersten Projekt für die neue Kirche der Abriss der alten Kapelle vorgesehen war, denn die Fenster hätten nur dann ihre Beleuchtungsfunktion für das Querhaus erfüllt, wenn außen kein Gebäude mehr angeschlossen gewesen wäre. Theoretisch war die alte Kirche überflüssig geworden, als die sterblichen Überreste des Heiligen 1263 in die neue Basilika überführt wurden. Glücklicherweise nahm man dann aber von ihrer Zerstörung Abstand, um den Ort zu erhalten, an dem Antonius sich zu seinen Lebzeiten gern aufgehalten hatte, wo er begraben sein wollte und an dem sich an seinem Grab auch die ersten Wunder ereignet hatten. Auch wenn von der Kirche Sancta Maria Mater Domini, wie bautechnische Untersuchungen ergeben haben, heute nur noch die Nord- und die Ostwand erhalten sind, zeigt die Kapelle trotzdem noch in
etwa die ursprüngliche Form der Kirche, wie sie Antonius vertraut war.
Familie Schwarz. Eine Frage stellt sich jetzt aber noch. Warum heißt die heutige Kapelle „della Madonna Mora", also der dunklen beziehungsweise schwarzen Madonna? Eigentlich müsste sie ja den Namen Sancta Maria Mater Domini führen. Die Antwort auf diese Frage lautet in den einschlägigen Kirchenführern in der Regel, dass die Kapelle von der Bevölkerung so benannt wurde aufgrund der dunklen Haut- und Haarfarbe der Marienstatue hinter dem breiten Altar. Es handelt sich dabei um eine farbig bemalte Statue, die laut Inschrift 1396 von Rinaldino di Francia im Auftrag der Bruderschaft des heiligen Antonius angefertigt wurde. Da die Skulptur aber beim besten Willen nicht als dunkelhäutig zu charakterisieren ist, überzeugt die oben genannte Erklärung sehr wenig, weshalb auch andere Erläuterungsversuche das Rätsel lösen wollten und einen Zusammenhang zur Familie Negri (der Name bedeutet Schwarze) herstellten. Die Familie nutzte die Kapelle seit 1371 als Grabstätte für ihre Angehörigen, aber da die Statue gar nicht von der Familie gestiftet worden war, klingt diese Erklärung nicht wirklich plausibel.
Befreit vom Ruß. Eine viel einfachere und gleichzeitig wahrscheinlichere Antwort ist mir jedoch bei einem Aufenthalt in der Kapelle in Vorbereitung des Artikels nicht eingefallen, sondern aufgefallen. Das zentrale Ausstattungsstück des Raumes ist unbestritten die Statue der Madonna hinter dem Altar. Und den Namen „della Madonna Mora" führt die Kapelle laut Quellen mindestens seit 1734, aber wahrscheinlich schon früher. Bis Anfang des 15. Jahrhunderts wurde sie aber noch Sancta Maria genannt. Den heutigen Namen hat die Kapelle also in der Zeit erhalten, als die Statue bereits die Kapelle schmückte. Daher ist es sehr nahe liegend, dass sich der Name auf die schöne Skulptur bezieht. Bei genauerem Hinsehen konnte ich am Altar noch eine zweite Marienstatue entdecken, die tatsächlich schwarz ist. Dabei handelt es sich um eine kleinere Skulptur, die als Teil der Verkündigungsszene den Baldachin über der großen Statue schmückt. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Kapelle ihren Namen wegen der kleinen dunklen Marienskulptur erhalten hat, denn auch diese war in ihrer ursprünglichen Farbfassung nicht wirklich schwarz, wie man am Ohr und am Hals noch erkennen kann, sondern ist im Laufe der Jahrhunderte vom Ruß der Kerzen so dunkel geworden.
Ich vermute, dass auch die große Skulptur im Laufe der sechs Jahrhunderte, in denen sie in der Kapelle steht, auch einmal so dunkel gewesen ist und daher die Kapelle als die der „Schwarzen Madonna" bezeichnet wurde. Irgendwann hat dann sicher jemand die große Marienstatue gereinigt, vielleicht bei den Restaurierungsarbeiten im 18. und 19. Jahrhundert in der anliegenden Kapelle des Seligen Luca Belludi. Bei einer Restaurierung des Baldachins samt seines Skulpturenschmucks wird sicher eine ähnliche frisch strahlende Maria wie die darunter zum Vorschein kommen.