Kaffee, der auch der Dritten Welt bekommt
Köstlicher Duft umschmeichelt Ihre Nase, Sie greifen zur Tasse mit dem tiefschwarzen Getränk, genießen die ersten Schlucke – Ihre Geschmacksknospen signalisieren Genuss. Ein Gefühl des Wohlbehagens und Wachheit verwöhnt und belebt Körper und Geist. Hm, Kaffee! Können Sie sich ein Leben ohne das morgendliche Ritual mit dem bitter-belebenden Sud vorstellen? Wahrscheinlich nicht.
Ein Leben ohne die braunen Bohnen gäbe es auch für sie nicht: Kaffeebauern in Afrika und Südamerika. Doch in den meisten Fällen ist es auch kein menschenwürdiges Leben, das sie sich mit Kaffee erwirtschaften können. Von dem zweitwichtigsten Exportrohstoff der Dritten Welt profitieren andere, unter anderem wir. Auf Kosten der Ärmsten können wir den Muntermacher günstig genießen.
Engagament gebündelt. So nicht! - dachte eine Gruppe Gleichgesinnter in Sachen Kaffee und wurde tätig. Im Sommer 1998 gründen die Sieben den Verein Würzburger Partnerkaffee. Eine ungewöhnliche Kooperation von sehr unterschiedlichen, in Unterfranken beheimateten Institutionen, die sich für die kleinen Kaffeebauern in Tansania einsetzen. Beteiligt sind die Missionsbenediktiner aus Münsterschwarzach, die Diözese Würzburg, die Stadt und das evangelische Dekanat Würzburg, das Missionsärztliche Institut, der Afrika-Club und die Initiative `Eine Welt´. Warum gerade Tansania? Fünf der Mitglieder haben aufgrund von Partnerschaften, Niederlassungen und Projekten besondere Beziehungen zu dem ostafrikanischen Staat.
Durch den Verein wurde das Engagement gebündelt, um nach dem Prinzip Hilfe zur Selbsthilfe die produktiven Kräfte der armen Bevölkerungsgruppen zu aktivieren. Das Medium: fair gehandelter Kaffee, der vor allem in der Region Unterfranken vertrieben wird.
Die Idee war natürlich nicht aus dem Blauen gegriffen. Zwei Impulse gaben den Anstoß. Vor vier Jahren sitzt die Würzburger Stadträtin Benita Stolz (Fraktion Grüne) in der Jury, die den Würzburger Friedenspreisträger 1996 ermitteln soll. Von einer Initiative, dem späteren Sieger, ist sie besonders überzeugt, dem Aschaffenburger Partnerkaffee. Die Stadt Aschaffenburg verkauft im örtlichen Einzelhandel Kaffee, den sie zu fairen Preisen kolumbianischen Kaffeebauern ihrer Partnerstadt abnimmt und in einer Aschaffenburger Rösterei weiterverarbeiten lässt. Im etwas höheren Verkaufspreis ist auch ein Solidarbeitrag inbegriffen, mit dem Hilfsprojekte vor Ort unterstützt werden.
Das Ding hört sich gut an, denkt Benita Stolz und fragt: Warum stellen wir hier in Würzburg nicht auch einen Partnerkaffee auf die Beine? Grundlegende Parallele: Die Stadt Würzburg unterhält im Kaffeeland Tansania eine Partnerschaft mit der Stadt Mwanza am Victoriasee.
Glückliche Fügung, denn in Tansania haben sich die Münsterschwarzacher Missionsbeneditkiner bereits in Sachen Kaffee engagiert und verkaufen seit einigen Jahre das anregende Produkt der Kaffeekirschen in der Region Würzburg. Den Erzeugern, tansanische Kleinbauern, die in einer privaten Kooperative organisiert sind, zahlen sie seit Beginn einen fairen Preis, um ein Mehrfaches höher als der zuvor vom Staat ausgehandelte, der lediglich einen Bruchteil des Weltmarktpreises ausmachte. Ihr Handel wird in den neuen Verein integriert.
Die Schlüsselfigur dieses Projektes ist der Benediktinerpater Athanasius Meixner. Er lebt seit 1967 in Tansania und war 1993 an der Gründung der privaten Kaffee-Kooperative in den Usambarabergen im Nordosten Tansanias beteiligt. Für den Missionar lag auf der Hand, dass den 400.000 Kleinbauern Tansanias am besten durch ein ausreichendes Einkommen zu helfen ist. Und es musste ihnen geholfen werden, denn das drängendste Problem für die Menschen in Tansania ist immer noch die entsetzliche Armut, erklärt der 61-Jährige. Sie sei bedingt durch vom Staat verordnete, über Jahrzehnte künstlich niedrig gehaltene Preise für die Bauern. Entwicklungshilfegelder seien über lange Zeiträume verloren gegangen. Sie flossen in staatliche Industrieprojekte und in den militärischen Sektor. Die wirklich Bedürftigen haben davon kaum profitiert.
Dreifache Hilfe. Tatsächlich hat Tansania unter den größeren Entwicklungsländern im Laufe der Jahrzehnte weltweit relativ die meisten Gelder erhalten. Vor allem durch die Strukturanpassungsprogramme von Weltbank und IWF wurde das Land mit Hilfeangeboten geradezu überschüttet. Doch zum Vorzeige-Objekt erfolgreicher Entwicklungspolitik wurde der Staat deswegen noch lange nicht: 1993 gab es, gemessen am Pro-Kopf-Einkommen, nur ein ärmeres Land auf der Welt.
Die direkte Förderung der Kleinbauern hat sich als eine erheblich erfolgreichere Hilfe erwiesen. Möglich wurde sie, so Pater Athanasius, erst durch den Eingriff der Weltbank, mit dem 1992 das staatliche Preisdiktat fiel. Damit war die Grundlage geschaffen, den Bauern reale Preise zu zahlen. Für den Würzburger Partnerkaffee nicht genug. Wir unterstützen die Menschen in Tansania in dreifacher Hinsicht, erklärt der Geschäftsführer des Vereins, Dr. Ludger Heuer. Wir zahlen den Bauern mit umgerechnet vier Mark pro Kilogramm einen Preis oberhalb des Weltmarktniveaus, führen Geld ins Land zurück und unterstützen die Arbeit vor Ort. Von jedem Kilogramm des gerecht gehandelten, von Transfair (s. Kasten) zertifizierten Produktes, gehen 2,50 Mark Solidarbeitrag ab. Diese fließen in Partnerschaftsprojekte vor Ort. Überschüsse des Vereins kommen ebenfalls den Bauern zu Gute. Vor einem halben Jahr wurde erstmals Geld rückgeführt. Pater Athanasius konnte für 5000 Mark 50 000 Kaffeesetzlinge kaufen und an die Produzenten weitergegeben. Damit möchte er den Kleinbauern helfen, produktiver zu arbeiten. Kaffee wird zurzeit auf nur etwa 5000 Hektar angebaut und da nur schlecht, weil die Bäume zu alt und viele abgestorben sind. Geeignet für den Kaffeanbau in den Usambarabergen, der übrigens in ökologisch sinnvollen Mischkulturen mit Bananenstauden betrieben wird, seien aber 50 000 Hektar. Würden diese erschlossen, dann stünde jeder dort lebenden Familie ein Hektar zur Verfügung. Pater Athanasius‘ nächstliegender Punkt auf seiner nach oben offenen Wunschliste: 10, 50, 100 Bauernfamilien zu einem solchen Kaffeefeld verhelfen, das einer ganzen Familie das Einkommen sichert (ca. 1000 Mark pro Jahr). Und sein geheimer Traum – dass, wenn uns das gut gelingt, auch die offizielle Entwicklungshilfe einsteigt.
Deutliches Signal. Eigentlich sollte das kein Problem sein, denn schließlich besticht die Initiative noch durch einen weiteren Pusher der heimischen Selbsthilfekräfte: Sie veredelt die Kaffeebohnen vor Ort. Der Würzburger Partnerkaffee wird am Fuße des Kilimanjaro geröstet, gemahlen und verpackt. Eine absolute Ausnahme im Kaffeehandel.
Üblicherweise liegt die Weiterverarbeitung, und damit eine kräftige Gewinnspanne, in den Händen der Großimporteure. Wir haben uns für diese Variante entschieden, um die mittelständische Rösterei zu unterstützen und damit Arbeit im Land zu fördern, so Heuer. Außerdem bemüht sich der Verein, das Know-how im Land auszubauen. Denn um die europäischen Qualitätsstandards zu erreichen, werden größere Ansprüche an Maschinen und technische Verarbeitung gestellt. Wir wollen mit unserer Initiative ein deutliches Signal setzen. Die Leute sollen merken, dass sie für gute Arbeit und gute Qualität auch gutes Geld kriegen und so mehr Selbstbewusstsein und Selbständigkeit entwickeln, so Dr. Heuer. Das Projekt hat tatsächlich in Tansania auch schon viel Aufmerksamkeit erregt. Mittlerweile bekommen wir den Kaffee aus drei Anbaugebieten im Norden. Weitere Regionen, so beispielsweise das Bistum Mbinga, haben bereits ihr Interesse signalisiert.
Partner Verbraucher. Doch für den Erfolg dieser ungewöhnlichen Handelsidee braucht es noch einen anderen überzeugten Partner: den Verbraucher. Der muss mit 12,70 Mark für das Pfund Kaffee - ein Preis, der übrigens nur durch ehrenamtliche Mitarbeit ermöglicht wird - etwas tiefer in die Tasche greifen als für Discount-Ware. Allerdings erwartet ihn beim Transfair-Kaffee auch beste Qualität: es wird nur hochwertiger Arabica-Kaffe verarbeitet, der ökologischen Standards entspricht.
Pater Athanasius hofft, dass durch eine effizientere Vermarktung auch der Preisunterschied gegenüber dem normalen Handel verringert werden könnte. Dann wären wohl viel mehr Menschen bereit, etwas mehr zu zahlen, um so konkret zu helfen.
Eine tansanische Spruchweisheit sagt: Eine Hand alleine schnürt kein Bündel
treffender könnte man Idee, Erfolg und Zukunftsvision des Würzburger Partnerkaffee nicht auf den Punkt bringen.
Stichwort: Fairer Handel Genuss ohne Reue. Die Idee des fairen Handels kam Anfang der 70er-Jahre auf. Ungerechte Handelsbedingungen des Weltmarktes riefen kirchliche Jugendverbände, entwicklungspolitische Aktionsgruppen, den Kirchliche Entwicklungsdienst und Misereor auf den Plan. Sie machten sich gemeinsam stark für benachteiligte Produzenten in den Entwicklungsländern mit der Erkenntnis: Entwicklungshilfe allein reicht nicht aus, die Armutsspirale zu durchbrechen. Das Konzept. Der alternative Handel führt beispielhaft vor Augen, wie sich innnerhalb der bestehenden ungerechten Weltmarktstrukturen die ökonomischen Rahmenbedingungen verändern müssten, um den Menschen in den Entwicklungsländern positive Perspektiven zu eröffnen. Zu den wichtigsten fair gehandelten Produkten gehörte von Anfang an der Kaffee. Geht das Produkt den üblichen Herstellungs- und Vertriebsweg, dann bekommen die Erzeuger, abhängige Bauern und Landarbeiter, Hungerlöhne für Arbeit und Waren gezahlt. Sie schuften, ohne jemals Aussicht zu haben, ihre Lebensumstände zu verbessern. Der Gewinn fließt in die Taschen der Zwischenhändler und der großen Kaffee-Exportgesellschaften. Der Kleinbauer erhält meist nur die Hälfte oder gar nur ein Viertel des Weltmarktpreises für seinen Kaffee. Richtlinien für Importeure und Röster: ? Der Kaffee muss direkt bei unabhängigen, demokratisch geführten Kleinbauerngenossenschaften eingekauft werden. Der Zwischenhandel wird somit ausgeschlossen. ? Die Kleinbauern erhalten einen Mindestpreis von 1,26 Dollar pro amerikanisches Pfund (453,6 g). Steigt der Weltmarktpreis über den Mindestpreis, wird ein Zuschlag von maximal 10 Prozent gezahlt. ? Zwischen Produzenten und Importeure werden möglichste langfristige Abnahmeverträge (mindestens ein Erntejahr) ausgehandelt. ? Der Importeur muss auf Wunsch den Produzentengenossenschaft eine Vorabfinanzierung gewähren. Die gerecht gehandelten Produkte werden zwar etwas teurer als die üblichen Waren in den Regalen der Supermärkte und Weltläden angeboten, doch meist handelt es sich um hochwertige Qualität und die Konsumenten können mit ihrem Einkauf die Welt ein Stück weit fair-ändern, wie der Transfair-Slogan verspricht. |