Eine Residenz auf Rädern

14. Juni 2012 | von


Papst Pius IX. war interessiert an den technischen Errungenschaften seiner Zeit. Zwei Monate nach seiner Wahl, erfolgt im August 1846, ließ er die Möglichkeit zum Bau von Eisenbahnen in den Päpstlichen Staaten prüfen. Die erste Teilstrecke von Rom nach Frascati, 19 Kilometer lang, wurde am 7. Juli 1856 eröffnet. Die 73 Kilometer lange Bahnlinie von Rom zur Hafenstadt Civitavecchia wurde am 25. März 1959 eingeweiht. Im Juli des gleichen Jahres nahm der Papst drei Galawagen als Geschenk entgegen, die eigens für ihn gebaut worden waren.



Per pedes apostolorum, dieser vertraute Spruch gibt Auskunft über die ursprüngliche Fortbewegung der Männer, die Christus zu seinen Aposteln berief. Doch mit dem Auftrag, allen Völkern der Erde das Evangelium zu verkünden, konnte es nicht beim alleinigen Einsatz der Füße bleiben. Viele Orte waren nur beritten zu erreichen; und um Meere zu überqueren, musste man sich an Bord von Schiffen begeben. In den vergangenen zweitausend Jahren nutzten die Nachfolger der Apostel daher fast jedes Transportmittel, um die frohe Botschaft bekannt zu machen und in den christlichen Gemeinden präsent zu sein. Auch der Papst als Haupt des Bischofskollegiums machte davon keine Ausnahme.



GALAWAGEN ALS GESCHENK

Den Bischof von Rom sah man auf einem prachtvollen Tragsessel, auf dem Rücken von Pferden, an Bord wehrhafter Schiffe, in eleganten Kutschen, Dampf ausstoßenden Eisenbahnen und in mehr oder weniger bequemen Automobilen. „Stählerne Rosse“, Eisenbahnen, gab es im Kirchenstaat seit dem Pontifikat des seligen Pius IX. (1846-1878). Im Juli 1859 fuhr der Papst mit einer Kutsche zum Bahnhof bei der Porta Maggiore Roms, um drei Galawagen als Geschenk entgegenzunehmen, die eigens für ihn erbaut worden waren. Die Waggons hatten die französischen Eisenbahngesellschaften gestiftet – an sie waren die Lizenzen für den Eisenbahnbetrieb im Kirchenstaat vergeben worden. An den Unkosten hatte sich auch Kaiser Napoleon III. von Frankreich beteiligt. Sie galten als die prunkvollsten und teuersten Salonwagen der damaligen Zeit.

In der Pariser Zeitung „La Patrie“ war zu lesen: „Zwei der Wagen sind für den persönlichen Gebrauch des Heiligen Vaters bestimmt; einer ist als Aussichtswagen gebaut, rings umgeben von einem Geländer, dessen Dach von vergoldeten spiralförmigen Säulen getragen wird, die den Wagen der Länge nach in drei gleiche Teile zerlegen. Das Innere des Wagens ist mit perlgrauem Samt verkleidet, der einen Stich ins Bläuliche aufweist. Die Möbel zeigen die gleiche Farbe und bestehen aus einer Polsterbank in Hufeisenform, die den Hintergrund ausfüllt, und anderen Polsterbänken längs der Seiten. Dieser Wagen dient als Zugang und Vorhalle für den zweiten, in den man durch eine breite zweiflügelige Tür aus Kristallglas eintritt.



KAPELLENWAGEN MIT THRONSESSEL

Das Innere dieses Salonwagens ist in Silber und Gold, den päpstlichen Farben, gehalten. Im Hintergrunde, gegenüber dem Eingang, steht der päpstliche Thron, vom päpstlichen Wappen gekrönt. Der zweite Teil des Wagens ist als Wohnraum eingerichtet, mit einem Betstuhl, einem Waschraum und einem kleinen Vorraum: Dies alles nimmt bloß einen Raum von fünf Quadratmetern in Anspruch, während der Wagen sieben Meter lang ist.“

Am eindrucksvollsten war der Kapellenwagen, der nach Entwürfen von Emile Trélat gefertigt worden war. Der Wagen hatte seinen Auftraggeber stolze 138.578 Franken gekostet. Er enthielt unter anderem einen prächtig ausgestatteten Saal, auf dessen runder Decke biblische Motive und ringsherum die Wappen der katholischen Staaten und der Städte des Kirchenstaates dargestellt waren. An den Wänden befanden sich zwei Ölgemälde, die den Erlöser und die Muttergottes zeigten. Dem Altar gegenüber befand sich ein wappengeschmückter Thronsessel.



DER SEUFZER DES PAPSTES

Die Außenseite des Waggons war wie eine Fassade üppig mit Säulchen, Gesimsen und Bronzepfeilern geschmückt; schwere Bronzeengel dienten als Tragfiguren an dem Mittelfenster. An der Ausarbeitung dieses Prunkwagens hatten berühmte französische Künstler wie die Maler Gerome und Cambin und der Bildhauer Codin mitgewirkt. Der Galazug rief überall Bewunderung hervor. Jeder, der ihn sah, geriet in Staunen und begeisterte sich für dieses ungewöhnliche Geschenk an das Oberhaupt der katholischen Kirche. Als jedoch Pius IX. den Kapellenwagen erblickte, bemerkte er mit einem tiefen Seufzer zu seiner Umgebung: „Mein Gott, sie haben mir ein Grabmal erbaut!“

Die erste Bahnfahrt eines Papstes in den Päpstlichen Staaten fand wenige Monate später, am 6. Oktober 1859, statt und führte nach Frascati. In den römischen Zeitungen wurde ausführlich über dieses Ereignis berichtet; unter anderem war zu lesen: „Am Nachmittag des 6. Oktobers fuhr Seine Heiligkeit vom Vatikan ab, um sich zum Landaufenthalt nach Castel Gandolfo zu begeben. Am Bahnhof bei der Porta Maggiore wurde der Heilige Vater von Herzog Mario Massimo, dem Generalkommissar der Päpstlichen Eisenbahnen, und von vielen anderen hochgestellten Persönlichkeiten begrüßt. Er bestieg seinen prachtvollen Wagen und fuhr unter den Glückwünschen der zahlreich herbeigeeilten Volksmenge gegen Cecchina ab, wo ihm zu Ehren ein großes Volksfest stattfand, und hierauf weiter über Albano nach Castel Gandolfo.“ Die Strecke wurde vom Papst häufig genutzt, zumeist dann, wenn er sich zu seiner Sommerresidenz nach Castel Gandolfo begab. 

Nach dem Ende des alten Kirchenstaates im Jahre 1870 gingen die drei Galawagen des Papstes zusammen mit 29 Lokomotiven, mehreren Salonwagen, 149 Personenwagen, 25 Gepäckwagen, 5 Pferdewagen, 300 bedeckten und 120 offenen Güterwaggons, 120 Flachwagen, 24 Kippwagen, 12 Materialwagen und drei Reparaturwagen in den „Besitz“ des Königreichs Italien über. Die Wagen des berühmten päpstlichen Repräsentationszugs fanden zunächst den Weg in die Eisenbahndepots von Civitavecchia und Rom; später wurden sie in das Zentraldepot bei Florenz geschickt. Empört zeigte man sich im Vatikan, als die italienische Regierung dem Papst eine Rechnung für die Verwahrung der Wagen zustellte – eine Antwort aus dem Apostolischen Palast blieb aus, ebenso eine Bezahlung. 1911 wurden die Waggons bei einer Ausstellung in der Engelsburg gezeigt, Der Repräsentationszug wurde dann der Stadt Rom zum Geschenk gemacht und dem „Museo di Roma“ übergeben.



AUFWENDIG RENOVIERT

1979 begann man mit einer Restaurierung der Waggons, die bis zum heutigen Tag andauert. Es war beabsichtigt gewesen, den „treno papale“, den Papstzug, der Öffentlichkeit zum Heiligen Jahr 2000 zu präsentieren. Man hatte erwogen, die Prunkwagen auf die Schienen zu bringen und in die Vatikanstadt fahren zu lassen. „Wir haben den Wunsch, dem Papst eine Fahrt in ‚seinem’ Zug zu ermöglichen“, gaben die Verantwortlichen des „Museo di Roma“ bekannt. Doch die aufwendigen Arbeiten an den Waggons ließen eine Einhaltung des Zeitplans nicht zu. Nun hofft man, den Repräsentationszug Pius’ XI. bald in einer Außenstelle des Museums an der Viale Ostiense aufstellen zu können, um den Bewohnern und Besuchern der Ewigen Stadt einen Blick auf und in das eindrucksvolle, fahrbare „Grabmal“ des Papstes zu ermöglichen.


Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016