Weihe der Lämmer am Agnes-Fest

18. Dezember 2012 | von

Schon im Alten Testament trugen die Hohenpriester bei ihrem Dienst im Tempel besondere Gewänder. Auch das Christentum kennt diesen Brauch. Das Pallium des Papstes und der Erzbischöfe, ein ringförmiges Wollband, weist eine lange, traditionsreiche Geschichte auf.



Neuernannte Erzbischöfe, die den Kirchenprovinzen in aller Welt vorstehen, empfangen jedes Jahr am Hochfest der Apostelfürsten Petrus und Paulus aus den Händen des Heiligen Vaters ein ganz besonderes Würdezeichen: das Pallium. Das Pallium geht auf ein Gewandstück zurück, das der römische Kaiser bei Staatsakten und festlichen Gelegenheiten trug. Der Überlieferung nach soll es Kaiser Konstantin der Große († 337) dem Bischof von Rom zum Geschenk gemacht haben. In der Ewigen Stadt galt daher das Pallium schon früh als eine den Papst besonders auszeichnende Insignie, als Abzeichen seiner obersten Hirtengewalt. Später ließ der Papst auch den Vorstehern der Kirchenprovinzen dieses Gewand zukommen – als Ausdruck der Einheit mit dem Apostolischen Stuhl und als Sinnbild der Fülle bischöflicher Vollmacht.



NUR PAPST UND ERZBISCHÖFE

Das Pallium ist ein weißes, mit schwarzen Kreuzen versehenes ringförmiges Wollband mit zwei länglichen Streifen, das um die Schultern auf das Messgewand des Papstes und der Erzbischöfe gelegt wird, und von dem ein Streifen über die Brust, der andere über den Nacken herabfällt. Die Enden der beiden Streifen sind mit in schwarzer Seide eingenähten Bleiplättchen beschwert. An den Kreuzen befinden sich Schlaufen, durch die kostbare Nadeln gezogen werden können.

Für das Pallium des Papstes hat man seit einigen Jahren eine abweichende Form gewählt: Es ist breiter, und die aufgestickten Kreuze sind von roter Farbe. Der Papst und die Erzbischöfe verwenden das Pallium nur bei der Feier der heiligen Messe. Der Bischof von Rom trägt es aufgrund seines obersten Hirtenamtes überall auf der Welt, die Erzbischöfe nur innerhalb ihrer Kirchenprovinzen.



AGNES – AGNUS

Ein Teil der Wolle für die Pallien kommt von zwei Lämmern, die am 21. Januar, dem Festtag der heiligen Agnes, in einem römischen Gotteshaus, der Basilika Sant’Agnese fuori le mura, geweiht werden. Agnes, die Tochter eines römischen Patriziers, soll zu Beginn des 4. Jahrhunderts unter Kaiser Diokletian das Martyrium erlitten haben. Die Römerin, die sich schon in jungen Jahren Christus versprochen hatte, schlug die Brautwerbung eines einflussreichen Heiden aus. Der Zurückgewiesene rächte sich: Als Christin wurde Agnes wegen Lästerung der Götter angeklagt und zum Dienst in einem Bordell verurteilt. Doch sie bewahrte sich auch dort ihre Unschuld. Schließlich wurde dem Leben der Glaubenszeugin mit dem Schwert ein Ende bereitet. Konstanza, Tochter Kaiser Konstantins des Großen, ließ über ihrem Grab vor den Toren der Stadt („fuori le mura“) eine Basilika erbauen. In Anspielung auf ihren Namen (Agnes – Agnus) und ihr Leiden wird die jugendliche Heilige mit dem Lamm dargestellt, Symbol der Unschuld und Hinweis auf den Opfertod Jesu Christi.



APPLAUS FÜR JEDES BLÖKEN

Am Morgen des 21. Januar füllt sich die Kirche der heiligen Agnes mit Römern. Touristen sind kaum anzutreffen. Die Bewohner der Ewigen Stadt sind unter sich. Sie gedenken „ihrer“ Heiligen, die als Schutzpatronin Roms große Verehrung genießt. An dem Altar, der über dem Grab der Märtyrin errichtet ist, wird ein Pontifikalamt gefeiert.

Nach dem Wortgottesdienst trägt man zwei Lämmer unter lang anhaltendem Applaus in die Kirche. In Körben, die mit Lorbeerblättern und Blumen geschmückt sind, werden sie auf den Altar gelegt. Dann ruft der Zelebrant über die beiden Tiere den Segen Gottes herab und bittet darum, dass „auf die Fürbitte der heiligen Jungfrau und Märtyrin Agnes, über deren Grab wir uns versammelt haben, jene, die mit diesem Gewand bekleidet werden, gemeinsam mit dem ihnen anvertrauten Volk zur ewigen Herrlichkeit gelangen.“

Volkstümliche Gesänge und die mit ausgelassener Fröhlichkeit aufgenommenen „Kommentare“ der Tiere beschließen die Segnung. In der Basilika setzt man den Gottesdienst mit der Feier der Eucharistie fort.



WOLLE VON ZWEI LÄMMERN

Die Lämmer aber werden unter immer neuen Beifallsrufen und lautem Händeklatschen aus der Kirche getragen. Draußen vor der Kirche warten schon Fahrzeuge mit vatikanischem Nummernschild auf sie. Bedienstete des Vatikans bringen die geweihten Tiere in den Apostolischen Palast. Dort werden sie dem Papst präsentiert, der ihnen seinen Segen erteilt und sie dann in die Obhut der Benediktinernonnen von Santa Cecilia im römischen Stadtviertel Trastevere bringen lässt. In ihrem Kloster scheren die Schwestern die beiden Tiere, mischen deren Wolle mit der anderer Lämmer und weben daraus die Pallien. Das Martyrium einer Heiligen, eine kaiserliche Insignie und die Hirtensorge in der Kirche finden so auf eindrucksvolle und einzigartige Weise zueinander.

Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016