Aus Fernando wird Antonius

01. Dezember 2006



Franziskaner-Bettelmönche, die aus Italien nach Coimbra in Portugal gekommen waren, wecken im Augustiner-Chorherren Fernando eine geheime Sehnsucht, sich ihrem Lebensstil anzuschließen. Es kommt zu einem Wechsel des Ordens und des Namens.



 



Eines Tages verbreitete sich in der Stadt Coimbra die Nachricht: -Fünf jener Franziskaner-Bettelbrüder, die sich vor ihrer Missionsreise nach Marokko bei der Einsiedelei Santo Antão dos Olivais an der Stadtgrenze aufgehalten hatten und auch im Augustiner-Chorherren-Kloster Santa Cruz um Almosen vorstellig geworden waren, haben nun in Marrakesch das Martyrium erlitten. Und noch aufregender: Ihre Leiber – oder das, was von ihnen übrig geblieben war – sollten nach Portugal überführt werden, auf Betreiben des Infanten Don Pedro, Bruder des Königs. Triumphal werde die Königin Urraca die Reliquien in Empfang nehmen, mit einer großen Menschenmenge sei zu rechnen.



Die Erstlingsmärtyrer des Franziskanerordens, die Priester Berard, Petrus und Accursius, und die Ordensbrüder Adiutus und Otho, waren in Marrakesch eingekerkert, gegeißelt und schließlich am 16. Januar 1220 enthauptet worden. Ihre Reliquien werden heute noch in der Kirche Santa Cruz in Coimbra verehrt.



 



Märtyrer-Krone. Der Regular-Kanoniker Fernando Martins in Santa Cruz zu Coimbra hört von den Wundern, die auf die Fürbitte dieser Märtyrer geschehen, hatte er doch diese Brüder auch persönlich kennengelernt, als Bettler an seiner Klosterpforte. Die erste Lebensbeschreibung Assidua berichtet, welch Herzensgebet der junge Mönch Fernando damals an Gott richtete: „O wenn doch der Allerhöchste auch mich für würdig erachtete, der Krone seiner heiligen Märtyrer teilhaft zu werden! O wenn doch der Krummsäbel des Scharfrichters auch mich träfe, wenn ich vor ihm knie und meinen Hals beuge in Jesu Namen! Werde ich je diese Gnade erleben? Wird mir einmal ein solch glücklicher Tag geschenkt werden?“ Diese und ähnliche Gedanken wiederholte Fernando immer wieder in der Stille seines Herzens, so die Assidua.



 



Angeregt vom Glaubenszeugnis der franziskanischen Erstlingsmärtyrer, trifft Fernando in seinem Herzen die Entscheidung, dem Orden des heiligen Franz beizutreten, um in Armut zu leben und das Zeugnis dieser Märtyrer nachzuahmen. Noch immer waren ja Franziskanerbrüder in greifbarer Nähe. Die Assidua berichtet: „Zu jener Zeit weilten nicht weit entfernt von der Stadt Coimbra an einem Ort, der nach dem heiligen Antonius benannt ist, Brüder aus dem Minoritenorden. Sie waren ungebildet. Ihre Unterweisung bestand darin, wie sie auftraten und wirkten. Entsprechend den Statuten ihres Ordens kamen sie auch öfter zu dem Kloster, in dem der Mann Gottes lebte, um Almosen zu erbitten.“



 



Franziskaner-Kutte. Die Assidua schildert detailliert, wie Fernando zaghaft und doch überlegt auf die Franziskanerbrüder zuging und ihnen eines Morgens sein Herz öffnete. Immer hatte er ihre Nähe gesucht und sich gerne mit ihnen unterhalten. „Meine lieben Brüder“, sagt er ihnen, „zutiefst sehne ich mich danach, mit der Kutte eures Ordens bekleidet zu werden. Ihr müsst mir nur versprechen, mich in das Land der Sarazenen zu entsenden, sobald ich zu euch gehöre. Denn es ist meine ganze Hoffnung, die Krone mit euren heiligen Märtyrern zu teilen.“



Die Brüder hörten sich das Angebot dieses so hervorragenden Mannes voll Freude an und setzten gleich den übernächsten Tag fest, um ihn mit ihrer Kutte einzukleiden. Sie wollten nicht riskieren, dass durch zeitlichen Aufschub eine Gesinnungsänderung eintreten könnte. Freudig und erwartungsvoll stiegen sie wieder hinauf zum Eremitenheiligtum Santo Antão dos Olivais.



Nun war die Reihe an Fernando. Der Abt musste seine Erlaubnis geben für diesen Ordenswechsel; er erteilte sie nur nach vielen Bitten. Die Brüder ihrerseits hielten sich an die getroffene Vereinbarung und stiegen am übernächsten Tag in aller Frühe hinunter zum Kloster Santa Cruz. „In aller Eile“, so beschreibt es die Assidua, „kleiden sie ihn, noch an Ort und Stelle im Kloster, mit dem Habit ihres Ordens ein.“



 



Zornige Prophetie. Der Wechsel von einem Orden zum andern - heutzutage wäre das nicht anders - verläuft nicht ohne heftige Emotionen, auf beiden Seiten. Auch dies verschweigt die erste Lebensbeschreibung nicht. „Kaum war diese Einkleidung vollzogen, kam einer seiner bisherigen Brüder und Mitkanoniker hinzu. Und voller Bitterkeit brach es aus seinem Herzen heraus: ‚Ja, geh nur, geh nur! Am Ende wirst du noch ein Heiliger!’ Der Mann Gottes wendet sich ihm zu und antwortet in demütigem Ton: ‚Na gut, wenn du einmal hören solltest, dass ich ein Heiliger geworden bin, dann wirst du Gott loben.’ Nach diesem Wortwechsel beeilen sich die Brüder, ihrem eigenen Konvent zuzustreben. Ihnen auf dem Fuß folgt der neue Rekrute, den sie mit offener Herzlichkeit aufnehmen.“



Und um nicht erneut den lästigen Besuchen seiner Verwandten und Freunde ausgeliefert zu sein, versucht Fernando seine Spuren zu verwischen. Er wechselt seinen Namen und nennt sich fortan Antonius. All dies trug sich zu im Jahr 1220, gegen Ende des Sommers. Acht Jahre lang hatte Fernando im Augustiner-Chorherren-Kloster Santa Cruz zu Coimbra gelebt. Für ihn war es eine Zeit wissenschaftlicher Bildung und intellektueller Reifung, auch des geistlichen Wachstums. Nun war er gut ausgerüstet und bestens vorbereitet für das große Abenteuer des Evangeliums.



 



Karriere-Denken. Doch welche Pläne hatte Gott mit ihm? Wo und worin sollte sein Einsatz bestehen, nach den Absichten Gottes? Antonius selbst hatte sein Ziel fest im Auge. „Der Eifer für die Ausbreitung des Glaubens“, so schreibt die Assidua, „bedrängte ihn immer heftiger und der Durst nach dem Martyrium brannte in seinem Herzen, so dass er sich keine Ruhe gönnte.“ Kaum hatten ihn die Franziskaner aufgenommen, verlor er keine Zeit, um seine neuen Oberen daran zu erinnern, was sie ihm versprochen hatten: die Aussendung in die Länder der Mission.



Und einige Monate später war er bereits auf dem Schiff, das nach Marokko segelte, begleitet von dem jungen Bruder Filippo aus Kastilien. Sein Traum vom Martyrium schien in Erfüllung zu gehen. Doch es sollte alles ganz anders kommen. Den wahren Grund dafür deutet die Assidua an: „Der Allerhöchste, der die Herzen der Menschen kennt, setzte einen Widerstand gegen seine Pläne. Er schlug ihn mit einer schweren Krankheit, die ihn den ganzen Winter über aufs Krankenlager warf.“



Antonius war nicht nur körperlich am Ende. Er war gescheitert mit seinen Plänen, seinem selbstgesetzten Lebensziel. Mit seiner Lebensplanung war er in eine Sackgasse geraten. Er musste jetzt zurückrudern, musste neu Grund fassen. „Da er nichts mehr von dem, was er sich vorgenommen hatte, weiter voranbringen konnte, war er gezwungen, auf heimatlichen Boden zurückzukehren, um wenigstens seine leibliche Gesundheit wiederzuerlangen.“ So machte sich Antonius auf den Weg zurück nach Portugal. Die Küste Spaniens war bereits in Sichtweite, da trieben widrige Winde das Schiff weit ab. An der Küste Siziliens musste es notlanden. Für Antonius hieß es nun: Auf, nach Assisi!



 



 


Zuletzt aktualisiert: 06. Oktober 2016