Du sollst ein Segen sein!
Seit September 2015 hat der – mittlerweile – ehemalige Kirchenrechtler der Universität Würzburg aus kirchenrechtlicher Perspektive wichtige Fragestellungen behandelt. Mit dieser Ausgabe legt er nun eine Pause ein. Passend zum vorübergehenden Abschied geht es um den Segen.
„Der Roboter ‚BlessU-2‘ erteilt Segen in Frankfurt“. Diese Nachricht, die in den Medien verbreitet wurde, lässt aufhorchen und ist ein Anlass, über den Segen und das Segnen nachzudenken.
Auf der „Weltausstellung der Reformation“ in Wittenberg war der „Segensroboter“ der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau ganz besonders gefragt: 120- bis 150-mal hat er dort pro Tag „Segen gespendet“. Insgesamt haben sich mehr als 9.000 Besucher vom Roboter „segnen“ lassen – in einer von ihnen gewünschten Sprache, mit männlicher oder weiblicher Stimme und einem von 16 möglichen Bibelsprüchen. Nun geht der „Segensroboter“ auf Tournee durch verschiedene Städte und so wird auch die Diskussion über Sinn und Unsinn dieser Aktion anhalten. Schon die Bilder des „Segensroboters“ wirken nicht einladend: Der Blechkamerad besteht aus Riffelblech, hat an der Stelle des Herzens einen Monitor zum Berühren, zwei Arme mit leuchtenden Händen sowie einen Kopf mit Augen und digitalem Mund.
Segnen: menschliche Begegnung
Zugegeben: Die evangelischen Kirchen sind nicht bekannt dafür, dass sie besondere Spezialisten für Segen und für Segnungen wären. Da können – in aller ökumenischen Verbundenheit – die katholische und die orthodoxen Kirchen mit mehr Erfahrung und mit mehr liturgischer Kultur aufwarten. Andererseits beanspruchen die evangelischen Kirchen aber, besonders bibelfest zu sein. Und so verwundert es, dass bei der geschilderten Aktion offensichtlich Gen 12,2-3 nicht beachtet wurde. Dort heißt es als Zusage Gottes an Abram: „Ich werde dich zu einem großen Volk machen, dich segnen und deinen Namen groß machen. Ein Segen sollst du sein. Ich will segnen, die dich segnen; wer dich verwünscht, den will ich verfluchen. Durch dich sollen alle Geschlechter der Erde Segen erlangen.“
Segen und Segnen sind demnach nicht ohne menschliche Vermittlung und nicht ohne menschliche Beziehungen zu haben – Beziehungen zu Gott, in Glaube und Vertrauen auf die Zusage seines Heils, und Beziehungen zu anderen Menschen, die durch den weitergeschenkten Segen in diese Erfahrung des Heils mit einbezogen werden sollen. Segen ist also nicht etwas, was ein Automat „ausspucken“ könnte. Segen ist kein magischer Spruch. Segnen ist menschliche Begegnung und Zusage und Weitergabe des Heils, das Gott selbst ist und das er uns Menschen schenkt, und deshalb ist das Segnen in der liturgischen Tradition in ganz vielen Fällen mit Formen der direkten und persönlichen Berührung verbunden: Mit einer Salbung, mit einer Handauflegung, mit dem auf die Stirn gezeichneten Kreuz, mit der Besprengung mit Wasser usw.
Kein magisches Zeichen
Das Kirchenrecht will diesen Vorgaben gerecht werden. Mit c. 1166 CIC werden Segnungen den Sakramentalien zugeordnet. Die Wirkung der Sakramentalien – also auch der Segnungen – werden „kraft der Fürbitte der Kirche erlangt“. Gegen mögliche Missverständnisse wird damit ein magisches Verständnis von Segnungen und anderen Sakramentalien ausgeschlossen: Wirkung hat nicht das Zeichen, sondern die Fürbitte der Kirche, der ganzen Gemeinschaft der Gläubigen. In der Konsequenz heißt das: Wer einen anderen segnet, der verpflichtet sich damit stillschweigend, für ihn zu beten – andernfalls bleibt das Segenszeichen hohl und ohne Wirkung.
Mit den cc. 1168 und 1169 CIC wird deutlich, dass es immer beauftragte menschliche Vermittler braucht, um Segen zu spenden. Das können, je nachdem, Priester, Diakone oder Laien sein. Das offizielle Segensbuch der Kirche, das „Benediktionale“, führt eine ganze Reihe von Segnungen im Leben der Familie auf und schreibt dazu: „Die Segnungen im Leben der Familie werden entweder von einem Familienmitglied (Vater oder Mutter) oder von einem Priester, der die Familie besucht, vorgenommen.“ Der Auftrag Gottes „Ein Segen sollst du sein!“ (Gen 12,2) kann demnach von allen Getauften in ganz besonderer Weise in der Familie oder auch im Freundeskreis verwirklicht werden. Ich erinnere mich jedenfalls sehr gerne daran, dass mir die Mutter eines italienischen Freundes ganz selbstverständlich und ohne jede Peinlichkeit vor der Abreise nach Hause mit Weihwasser ein Kreuz auf die Stirn gezeichnet hat, obwohl ich sie längst um Haupteslänge überragte. Ich wusste, dass mit diesem Segenszeichen ganz viel Wohlwollen und Sorge und fürbittende Begleitung verbunden war.
Aufgabe aller Getauften
In der „Pastoralen Einführung“ zum Benediktionale ist zu lesen: „Der Mensch ist segensbedürftig. Er verlangt nach Heil, Schutz, Glück und Erfüllung seines Lebens. Darum sprechen sich Menschen gegenseitig Segen zu: Sie wünschen sich Gutes. Vor allem erhoffen und erbitten sie Segen von Gott.“ (Nr. 1) Und weiter heißt es dort: „Wenn die Kirche segnet, handelt sie im Auftrag des auferstandenen Herrn und in der Kraft seines Geistes … Sie ruft seinen Segen auf die Menschen herab und auf das, was sie schaffen und was ihnen dient. So bezeugen auch die Segnungen der Kirche die liebende Sorge Gottes um den Menschen und seine Welt.“ (Nr. 7)
Segen zu spenden, das ist also keine Sache von Robotern und Automaten, sondern ein Auftrag, den alle Menschen haben, die nach Gottes Gebot leben und sein Heil weiterschenken wollen. Segen zu spenden ist folglich nicht nur die Aufgabe von Priestern, sondern die Aufgabe aller Getauften: „Auf Grund des allgemeinen oder besonderen Priestertums kann jeder Getaufte und Gefirmte segnen. … Eltern segnen in der Familie.“ (Nr. 18) Mit einem Segenszeichen sage ich einem anderen ohne große Worte und deshalb oft viel einfacher verständlich: „Gott liebt dich. Gott begleitet dich. Er macht dir den Weg gerade und den Rücken stark. Er will für dich alles Gute, was du brauchst, damit dein Leben gelingt.“ Wirkungsvoll wird dieses Segenszeichen, wenn ich von Gott all das für den anderen im Gebet erbitte. Und glaubwürdig und überzeugend wird es, wenn der von mir Gesegnete erfahren kann, dass auch ich mich im Sinne der Zusage Gottes für ihn engagiere.
Segen als Angebot für alle
Das Benediktionale weist darüber hinaus auf den einladenden Aspekt der Segnungen hin: „Die meisten Segnungen sind ein Angebot der Kirche; man soll sie empfehlen, ohne sie aufzudrängen.“ (Nr. 14) Dementsprechend legt c. 1170 fest: „Segnungen sind vornehmlich Katholiken zu erteilen; sie können auch Katechumenen erteilt werden, und, wenn dem nicht ein Verbot der Kirche entgegensteht, sogar Nichtkatholiken.“ Segnungen können demnach nicht nur Katholiken gespendet werden. Auch Taufbewerber können gesegnet werden, aber auch nichtkatholische Christen sowie Menschen, die keiner christlichen Religion angehören. Voraussetzung ist, dass bei den betreffenden Menschen ein Grundverständnis dafür vorhanden ist, dass Gott die Quelle alles Guten und allen Segens ist – bei religiös praktizierenden Muslimen kann man dieses Verständnis in der Regel voraussetzen. Eine weitere Voraussetzung ist, dass die Betreffenden eine Segnung als Angebot und eben nicht als Zwang wahrnehmen können. Die Kirche muss den Segen nicht eingrenzen, sondern kann ihn allen Menschen guten Willens anbieten, weil sie daran glaubt, dass Gottes Heilsangebot allen Menschen gilt und dass es keine Grenzen kennt.
Möglicherweise sollte diese Idee auch mit dem Segensroboter ausgedrückt werden. Mit segnenden Menschen geht das aber allemal besser und sympathischer.
Ein Segen für den Pilger
Jedes Mal, wenn ich nach Padua komme, werde ich von einem Bruder ganz besonders freundlich begrüßt: P. Giampaolo Pinato. Auch wenn er meint, dass ich immer nur zu kurz in seinem Konvent zu Gast bin...
Zum ersten Mal habe ich ihn vor etlichen Jahren in Würzburg getroffen, als er die Antonius-Reliquien auf einer kleinen „Deutschland-Tournee“ begleitete. Dank seiner guten Deutschkenntnisse – er hat Teile seines Studiums in Würzburg absolviert – kann ich mich gut ihm gut verständigen. Zu seinen Diensten in Padua gehört unter anderem die Präsenz in der „Segenskapelle“ der Antonius-Basilika. Die befindet sich vom Eingang aus betrachtet auf Höhe des Hauptaltares auf der rechten Seite. Von morgens bis abends und selbst durch die Mittagspause hindurch wartet dort ein Bruder auf vorbeiziehende Pilger. Viele treten näher und lassen sich einen Segen spenden. Oft ergibt sich auch die Gelegenheit zu einem kurzen Gespräch – eine segnende Geste, ein liebevoller Blick, ein gutes Wort: Für viele Menschen wird dieser Augenblick zu einem kostbaren Geschenk.
Wenn Sie selbst einmal in Padua zu Besuch sind, treffen Sie vielleicht P. Giampaolo in der Basilika. Im Dezember feiert er übrigens seinen 84. Geburtstag... (Br. Andreas)