Antonianische Ursprünge in Ghana
Seit eineinhalb Jahren lebt unser Autor als Generaldelegat des Ordens für die Themenfelder Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung in Rom. Seine Ursprünge hat er nicht vergessen. Auf den folgenden Seiten stellt er unseren Orden in Ghana vor.
Mein Heimatland Ghana befindet sich in Westafrika und grenzt an die Elfenbeinküste, Burkina Faso, Togo sowie im Süden an den Golf von Guinea als Teil des Atlantischen Ozeans. Dort verzaubert der Süden Ghanas mit seiner traumhaften Küste. Die Fläche des Landes beträgt knapp 240.000 Quadratkilometer. Damit ist Ghana in etwa so groß wie das Vereinigte Königreich – beide Länder waren in der Kolonialzeit eng miteinander verbunden.
Überblick über das Land
Ghana zählt heute über 28 Millionen Einwohner. Davon leben weit über die Hälfte in ländlich geprägten Gebieten, 42 Prozent der Einwohner leben in städtischen Bezirken. Zu den Haupt-
exportgütern Ghanas zählen Gold, Kakao und Holz. Zum Gesamtexport des Landes trägt Gold ca. 32 Prozent bei. Die riesigen Kakao-Plantagen wurden noch von den Kolonialherren angelegt und sorgen bis heute dafür, dass Ghana weltweit der zweitgrößte Produzent von Kakao ist – nur die Elfenbeinküste produziert noch mehr des wichtigen Schokoladenrohstoffs. Und was das Holz betrifft – da ist Ghana Deutschlands größter Lieferant für Holzprodukte. Mittlerweile hat die Regierung verboten, unverarbeitetes Holz ins Ausland zu verkaufen, um so die heimische Wirtschaft zu stärken.
71 Prozent der Bevölkerung gelten als Christen, 18 Prozent gehören der muslimischen Religion an, fünf Prozent sind Anhänger von Stammesreligionen und die restlichen Prozent verteilen sich auf kleinere Religionsgemeinschaften. Unter den Christen ist die katholische Kirche eine der größeren Konfessionen. Insgesamt betrachtet gehören 13 Prozent der Einwohner Ghanas der katholischen Kirche an.
Ankunft der Minoriten in Ghana
Im antonianischen Jubiläumsjahr 1975 – Antonius wurde den Quellen nach im Jahr 1195 geboren – reiste eine Gruppe von Antonius-Verehrern nach Rom. Weil sie wussten, dass der heilige Antonius ein Franziskaner gewesen war, statteten sie auch unserer Generalkurie einen Besuch ab, um darum zu bitten, dass die Franziskaner-Minoriten doch nach Ghana kommen mögen. Mit einigem Recht kann man behaupten, dass der heilige Antonius also die Minoriten nach Ghana gebracht hat. Der damalige Generalminister P. Antonio Vitale Bommarco wandte sich nämlich nach der Bitte der Pilger an zwei Antonius-Provinzen und beauftragte sie, zu überlegen, ob sie nicht bereit wären, eine Mission in Ghana zu beginnen. Und so kam es, dass dann tatsächlich zwei Provinzen auf ihren Provinzkapiteln im Jahr 1976 entschieden, die Mission zu beginnen: Im April 1977 schickte die Paduaner Antonius-Provinz drei Brüder in die Diözese Sekondi-Takoradi im Westen Ghanas. Und im Juli 1977 kam eine Gruppe von vier amerikanischen Brüdern aus der dortigen Antonius-Provinz in der Erzdiözese von Cape Coast im Zentrum Ghanas an.
Die Kustodie Ghana wächst
Die amerikanischen Brüder kümmerten sich schnell um Berufungen aus der Mitte des ghanaischen Volkes. Die erste Gruppe von in Ghana geborenen Postulanten trat 1988 in den Orden ein. Es waren fünf Männer – von denen mit P. David Marion Kwaw allerdings nur einer im Orden blieb. Doch immer mehr junge Männer traten der Gemeinschaft bei.
Um das Jahr 1990 begann man schließlich, in den zwei getrennten Missionen der Amerikaner und Italiener enger zusammenzuarbeiten, um allmählich eine gemeinsame Kustodie errichten zu können. Am 17. September 1994, dem Fest der Wundmale des heiligen Franziskus, war es schließlich so weit: Unter dem Patronat des heiligen Antonius von Padua wurde die Kustodie Ghana errichtet – nach wie vor in Abhängigkeit von der italienischen Mutterprovinz. Zum ersten Provinzkustos wurde P. Vincent Marcoli gewählt, der dem Orden mittlerweile in der zweiten Amtszeit als Generalsekretär dient. Sein Nachfolger an der Spitze der Kustodie Ghana wurde der mittlerweile verstorbene P. Emilio Gallo. Der dritte (und vorerst letzte ausländische) Kustos war dann P. Bortolino Maestrello, der mittlerweile in seine Heimatprovinz nach Italien zurückgekehrt ist und als Seelsorger in Sanzeno beim Heiligtum von San Romedio wirkt. Auf dem Kustodialkapitel des Jahres 2014 wurde dann schließlich der erste ghanaische Kustos gewählt: P. Anthony Bezo.
Ihm sind heute 65 Brüder anvertraut – fast alles „Einheimische“, nur vier Brüder stammen noch aus Italien, einer aus Rumänien. Dass die Kustodie jung ist, sieht man auf den ersten Blick: Von den 65 Brüdern, haben bislang 35 „nur“ die Erstprofess, das heißt, sie sind erst seit wenigen Jahren im Orden und sorgen in Zukunft hoffentlich dafür, dass die Kustodie weiter wächst und an Stabilität gewinnt. Denn die Zukunftsaussichten sind gut: In der Ausbildung befinden sich momentan zehn Novizen und 19 Postulanten. Von solchen Zahlen kann man in Europa und der westlichen Welt oft nur träumen...
Fünf Klöster
Zur Kustodie des heiligen Antonius gehören derzeit fünf Konvente. Sie sind verteilt auf fünf Städte bzw. vier Regionen und vier Diözesen. Zu nennen sind also der Konvent des heiligen Franziskus in Takoradi im Westen (Diözese Sekondi-Takoradi), der Antonius-Konvent in Elmina und ein zweiter Franziskus-Konvent mit dem Noviziat in Saltpond in der Erzdiözese Cape Coast im Zentrum Ghanas. Im Erzbistum Accra befindet sich ein dem heiligen Bonaventura geweihter Konvent. Hier ist auch der Sitz der Kustodialverwaltung untergebracht. Schließlich hat auch der heilige Antonius einen zweiten Konvent unter seinem Patronat, nämlich im Bistum Sunyani in der Region Brong-Ahafo. Dort werden unsere Postulanten ausgebildet und auf das Ordensleben vorbereitet.
Die Aufgaben der Brüder
Auch wenn die Kustodie noch jung ist, die Liste der Aufgaben, die von den Brüdern wahrgenommen werden, ist bereits lang. Brüder arbeiten neben der Ausbildung auch in der Pfarrpastoral, sie sind im Presse- und Medienapostolat tätig, geben Exerzitien und bieten geistliche Begleitung an. Einige Ordensmitglieder sind in Schulen und in sozialen Einrichtungen tätig.
Eine Besonderheit ist ganz bestimmt auch, dass sich in Ghana gleich zwei Ausbildungshäuser befinden, die von allen
afrikanischen Präsenzen (zusammengefasst als „Konferenz“ im AFCOF) genutzt werden können: das Noviziat und das Philosophie-Studium. Momentan werden beispielsweise die Novizen von Burkina Faso im ghanaischen Noviziat ausgebildet, und Brüder aus Burkina Faso und Uganda befinden sich zum Philosophiestudium in Ghana.
Beliebt ist bei den Brüdern die Arbeit in der Pfarrei, von denen der Orden in Ghana vier Stück seelsorglich betreut. Die größte von ihnen, die Christkönigs-Pfarrei in Takoradi, hat über 5.000 Gläubige, die der Gemeinde eingeschrieben sind. Die zweitgrößte Pfarrei ist die Gemeinde Herz Jesu in Sunyani. Diese beiden Pfarreien sind dem Orden dauerhaft anvertraut. In zwei weiteren Gemeinden sind die Brüder nur zeitlich befristet tätig.
Das bereits erwähnte Presse- und Medienapostolat hat seinen Stützpunkt in Takoradi. Hier sind die Brüder verantwortlich für die „St. Francis Printing Press“. Dank moderner Druckmaschinen sind die Brüder mit ihren Mitarbeitern in der Lage, auch größere Druckaufträge anzunehmen. Teil des Apostolats ist mit den „Franciscan Publications“ auch ein eigener Verlag.
Zwei Privatschulen werden von den Brüdern der Kustodie in Takoradi und Sunyani unterhalten. Darüber hinaus haben die Brüder beim Bau weiterer Schulen geholfen. Dank intensiver Kontakte nach Amerika und Europa konnten immer wieder Spendengelder aufgetrieben werden.
Im Geist des Heiligen Franziskus
Unabhängig von diesen Aufgaben in den fünf Klöstern der Kustodie ist es den Brüdern immer ein wichtiges Anliegen, sich sozial zu engagieren – das geht von der Übernahme der Schulgebühren über das Bezahlen von Krankenhausrechnungen für die Armen bis hin zu Exerzitienkursen und der geistlichen Begleitung von Menschen.
Eine besondere Anziehung hat dabei der Konvent in Saltpond entfaltet. Im „St. Francis Valley of Prayer and Silence“ haben die Brüder einen Kreuzweg eingerichtet, eine Mariengrotte, Einsiedeleien und großformatige biblische Szenen. In der Nachfolge des heiligen Franziskus haben sie Bäume angepflanzt, außerdem Obstplantagen und Blumen. So ist ein Ambiente entstanden, das den Besuchern helfen will, Ruhe zum Beten und Meditieren zu finden. Gäste des Exerzitienhauses kommen mittlerweile aus ganz Ghana und darüber hinaus. So begrüßen die Brüder regelmäßig auch Menschen aus Togo und der Elfenbeinküste. Und natürlich steht das Haus nicht nur für Katholiken offen – alle sind herzlich willkommen.
Zukunftsaussichten
Die Provinzkustodie des heiligen Antonius hält ihr siebtes Kapitel vom 18. bis zum 30. Juni dieses Jahres – und damit nach dem Redaktionsschluss dieser Ausgabe, so dass hier noch über keine Ergebnisse berichtet werden kann. Sicher werden die Brüder aber intensiv über die Zukunftsaussichten der Kustodie beraten haben. Die Anzahl der Berufungen gibt Hoffnung, es befinden sich zahlreiche Brüder in der Ausbildung und das Charisma des heiligen Franziskus spielt im alltäglichen Leben der Brüder eine immer größere Rolle – gute Voraussetzungen also, dass die Kustodie eines Tages zur Provinz erhoben wird. Doch auch wenn die Aussichten dazu gut sind, es gibt keinen Grund zur Eile; ein solcher Schritt will gut überlegt sein. Denn man muss dabei auch bedenken, dass wir Brüder in Ghana derzeit nur in vier der insgesamt 19 Diözesen des Landes präsent sind. Dazu befinden sich vier der fünf Konvente an der Küste. Nur ein Kloster befindet sich im Zentrum des Landes. Man wird überlegen müssen, welchen Einladungen von Bischöfen man in der Zukunft nachkommt: Viele wollen die Brüder in ihrer Diözese haben. Denn die pastorale Arbeit der Brüder und die Präsenz als Söhne des heiligen Franziskus erfahren große Wertschätzung. Die Verbindungen zur Kirche vor Ort sind gut.
Auf der Linie von Papst Franziskus und seiner Erinnerung an alle religiösen Gemeinschaften, die barmherzige Seite Gottes mehr zu zeigen und sie gerade bei den Menschen am Rand der Gesellschaft gegenwärtig zu halten, werden die Brüder in Ghana sich darum mühen müssen, die guten sozialen Aktivitäten, die noch auf die Initiative der ersten Brüder zurückgehen, weiter zu stärken und auszubauen. Dabei müssen dann mehr und mehr auch die aktuellen Erfordernisse der Gesellschaft Ghanas berücksichtigt werden. Ein Ziel könnte hier beispielsweise sein, ein Zentrum für den interreligiösen Dialog einzurichten. Das Gespräch mit unseren muslimischen Schwestern und Brüdern wird künftig noch mehr an Bedeutung gewinnen. Auch die Sorge um die Schöpfung wird mehr ins Zentrum rücken müssen – eine Sorge, die ja seit jeher zum franziskanischen Sendungsauftrag gehört.