Wochen der Entscheidung

22. Juli 2019 | von

Der Provinzialminister der deutschen Minoritenprovinz, Br. Bernhardin M. Seither, vertrat die Brüder aus Deutschland beim Generalkapitel im vergangenen Juni. Einige Erfahrungen schildert er uns hier aus erster Hand.

Am 16. November 2018 kam die Post aus Rom: die offizielle Einberufung des 202. Generalkapitels der Franziskaner-Minoriten durch unseren (nun ehemaligen) Generalminister Br. Marco Tasca. Alle sechs Jahre ist es so weit. Die Vertreter aller Provinzen, Kustodien und Delegationen reisen nach Assisi, um auf dem höchsten Beschlussgremium des Ordens die Weichen für die Zukunft zu stellen. Br. Andreas Murk hat in der Mai-Ausgabe des Sendboten bereits einiges zur Zusammensetzung und zu den Aufgaben dieser wichtigen Versammlung geschildert. 

Ankunft in Assisi
Für mich persönlich hieß es, Etliches zu organisieren, Vertretungen einzuteilen und dann sinnvoll meinen Koffer zu packen, weil ich ja wusste, dass ich vom 18. Mai bis zum 17. Juni in Assisi bzw. Collevalenza, dem zweiten Tagungsort des Kapitels, sein würde. Am Freitagabend, 17. Mai, ging es von Würzburg aus los. Gemeinsam mit Br. Adam Salomon aus dem Kloster Mariabuchen und Br. Krzysztof Robak vom Konvent Werdohl, die als Vertreter der Warschauer bzw. Danziger Provinz ebenfalls zum Kapitel eingeladen waren, fuhr ich nach Assisi. Nach nächtlicher Fahrt kamen wir in Rivotorto an. In unserem dortigen Konvent wurden wir herzlich aufgenommen und begrüßt – mussten uns aber mit dem „Standortnachteil“ erst versöhnen. Tagungsort des Kapitels war nämlich der Sacro Convento in der Stadt von Assisi, so dass wir mehrmals täglich hin und herzufahren hatten. Umso schöner das Wiedersehen mit uns schon bekannten Brüdern: Br. Daniele Brocca, der Obere unserer Provinzkustodie Österreich-Schweiz, Br. Silvestru Borsa aus Rumänien, den ich noch vom Studien in Würzburg kenne und der später in Kaiserslautern und Wien eingesetzt war, Br. Thomas Freidel, der seit zwölf Jahren Pilgerseelsorger an der Basilika San Francesco ist, unseren Mitbrüdern Thijs Moons und Michiel van Kooten aus den Niederlanden und nicht zuletzt mit vielen Brüdern, die derzeit in Deutschland eingesetzt sind bzw. waren und nun ebenfalls als Teilnehmer des Generalkapitels nach Assisi gereist waren.

Aufregungen zu Beginn
Am Samstagnachmittag ging es dann erstmals hoch zum Sacro Convento, wo Br. Marco Tasca das Generalkapitel offiziell eröffnete. Die über 100 anwesenden Brüder, das Sprachendurcheinander, das regnerische Wetter, die allgemeine Aufregung rund um die Anreise – all das war ziemlich anstrengend. Und obendrein die Tatsache, dass man in wenigen Tagen einen neuen Generalminister wählen musste...…
Gott sei Dank hatten wir im letzten Jahr das Außerordentliche Generalkapitel mit der ausführlichen Beratung der neuen Konstitutionen und konnten uns dabei schon einmal kennenlernen. Ohne diese, wenn auch nicht ganz einfache Zeit damals, wäre es nun bedeutend schwieriger, vor allem was eben die Wahl des Generalministers betrifft. Das Wiedersehen dieses Jahr war dann auch sehr herzlich und die Atmosphäre recht gut und brüderlich. Es ist sehr viel Wohlwollen zu spüren. Das macht manch Unangenehmes wieder gut und ist hilfreich, gerade weil es auch um Brüder geht, die in ein Amt, bzw. nach unserem Verständnis, in einen Dienst gewählt werden.

Technische Unterstützung
Jeder Kapitular bekam gleich zu Beginn ein Tablet, auf dem alle Dokumente und Informationen gespeichert sind, bzw. übers Internet abgerufen werden können. Nach anfänglichen Schwierigkeiten können wir damit den Appell, also die Über-prüfung der Anwesenheit, und die Abstimmungen durchführen, was einiges an Zeit einspart – wenn es denn funktioniert! Nach einigen Tagen kamen wir aber gut damit zurecht. 
Alle Beratungen werden simultan in die vier Ordenssprachen übersetzt: Italienisch, Englisch, Spanisch und Polnisch. Wer keine dieser Sprachen kann oder sie nicht fließend beherrscht, ist auf einen eigenen Übersetzer angewiesen, was die Kommunikation dann bisweilen doch recht erschwert. 

Kapitelsarbeiten
Ab Montag hörten wir die verschiedenen Berichte, den Bericht des Generalministers in voller Länge und die anderen Berichte in einer Zusammenfassung. Der Generalökonom hat seinen Bericht zur Finanzlage des Ordens trotz der Komplexität sehr anschaulich und transparent dargestellt. Anschließend fand für eineinhalb Tage ein Austausch in gemischten Gruppen statt, bevor es dann richtig spannend wurde und wir zum Tag der Wahl kamen.

Neuer Generalminister
Am 25. Mai 2019 wurde im dritten Wahlgang Br. Carlos Alberto Trovarelli zum 120. Generalminister unseres Ordens gewählt. Die Wahl wurde von Br. Wayne Hellman geleitet, dem Senior des Kapitels. Mit Br. Carlos steht nun erstmals ein Südamerikaner unserer Gemeinschaft vor: Der 57-Jährige stammt aus Argentinien. Leitungserfahrung sammelte er bereits als Provinzialminister und als Generalassistent in den vergangenen Jahren.
Auf der Prozession zur Tomba, dem Grab des heiligen Franziskus, wo traditionell nach der Wahl des neuen Generalministers gebetet wird, schnappten wir von einem Touristen den folgenden Satz auf: „Da ist ein Bruder gestorben und jetzt ist der Leichenzug“. Wenn wir auch darüber lachen mussten, so kam der Eindruck nicht von ungefähr, denn es läutete die große Glocke der Basilika San Francesco und nur einer sang das gregorianische Te Deum, was den Eindruck eines Trauerfalls vermittelte...…
Nach dem Amtseid wurde Br. Carlos vom Kustos am Sacro Convento, Br. Mauro Gambetti, mit einer Reliquie des heiligen Franziskus gesegnet, bevor der Neugewählte damit alle anwesenden Brüder segnete. Beim Friedensgruß hat der bisherige Generalvikar Br. Jerzy Norel das „Jubilate Deo“ angestimmt und damit andere Brüder zu frohen Gesängen motiviert. So kam es dann zu einem frohen Feiern am Franziskus-Grab. Nach dem „traurigen Anfang“ war es nun entspannt, fröhlich, ja richtig schön und froh. 

Weitere Wahlen
Am Sonntag feierte Br. Carlos als Hauptzelebrant die Messe in der Oberkirche und am Montag ging es mit der Wahl des Vikars (Stellvertreter des Generalministers), des Sekretärs und der Generalassistenten weiter. Für den mitteleuropäischen Bereich wurde mit Br. Dominique Mathieu ein Belgier gewählt, der zuletzt im Libanon tätig war. Ein großer Vorteil für uns im deutschsprachigen Raum: Br. Dominique beherrscht die deutsche Sprache nahezu perfekt. 
Ein herausragendes Wahlergebnis bekam Br. Jan Maciejowski, der künftig als Stellvertreter von Br. Carlos fungiert und in den letzten zwei Amtsperioden Provinzialminister in Danzig war. Wir werden ihm in Deutschland bald begegnen: Im Oktober feiern wir unser Ordentliches Provinzkapitel, dem normalerweise der Generalminister vorsteht. Wegen einer schon jetzt bekannten Terminüberschneidung lässt er sich von Br. Jan vertreten, der dank vieler polnischer Klöster in Deutschland mit unserer Situation gut vertraut ist. . 

Umzug und Sachentscheidungen
Nach den Wahlen und einer kurzen Verschnaufpause hieß es dann schon wieder: Koffer packen. Wir mussten nach Collevalenza umziehen, ca. 60 Kilometer von Assisi entfernt. Dort, in diesem in Italien recht bekannten Wallfahrtsort, befindet sich ein großes Tagungshaus, das von einer Schwesterngemeinschaft geleitet wird. So waren wir dann endlich auch alle unter einem Dach untergebracht und die mühsamen Wege zwischen den Unterkünften und unserem Tagungsraum wurden deutlich kürzer...…
Die so gesparte Zeit wurde benötigt, um die zahlreichen Sachentscheidungen vorzubereiten, Beschlüsse zu fassen und wieder abzuändern und schließlich alles mit zahllosen Abstimmungen zu besiegeln. Größere Blöcke waren dabei die Verabschiedung der Generalstatuten, einiger Regelungen zur Ausbildung, sowie verschiedene weitere Anträge, über die es zu entscheiden galt. 

Neue Provinzen und Papst-Audienz
Ein besonderer Moment war die Abstimmung über die Kustodien Kenia und Indonesien. Nachdem sie die vorgeschriebenen Kriterien erfüllten, wurden sie nun zu Provinzen erhoben. Das wurde natürlich kräftig gefeiert – zunächst mit einem kenianischen Fest und Trommelklängen, sowie polnischen Speisen, weil Kenia eine Provinzkustodie der Provinz Danzig war, und Tags darauf nach einem Pontifikalamt mit Kardinal Avis, dem Präfekten der Kongregation für die Institute geweihten Lebens und für die Gesellschaften apostolischen Lebens, mit einem indonesischen Festmahl. Gefeiert wurden im Lauf des Kapitels auch die neuen Seligen und Heiligen, die unserem Orden in den vergangenen Jahren geschenkt wurden. Und erfüllten und kurzweiligen Tage gingen schließlich mit einer Reise nach Rom zu Ende. Ein Höhepunkt des Generalkapitels erwartete uns zum Abschluss, die Teilnahme an einer Audienz mit Papst Franziskus. 

Zuletzt aktualisiert: 29. Juli 2019
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